Ryze hat geschrieben:
Kein Grund direkt so aggressiv zu werden, das Geschwurbel könnte ich durchaus zurückgeben, wenn man sich den Sound deiner letzten Beiträge so anschaut mit in Aussicht gestellten Gehaltseinbrüchen in den nächsten 20 Jahren, die es bisher noch nie gab (andernfalls bitte ein Beispiel für eine massenhafte Änderungskündigung nennen, die nachhaltig zu niedrigeren Gehältern unter Juristen geführt hätte)
Wer hat sie denn in Aussicht gestellt, die Gehaltseinbrüche in den nächsten 20 Jahren? Wenn man die übliche Methode, mit der Politik gemacht wird, zugrundelegt, dann erscheint es abwegig, dass irgendeine Regierung sich auf einen solchen Zeitraum festlegt. Da wird ad hoc rumgedoktert, um die nächsten paar Jahre zu überbrücken, aber eine Aussage darüber, wie die Beamtenbesoludng in ein paar Jahrzehnten aussehen wird, trifft doch keiner.
Du hast das Urteil als lächerlich hingestellt
Nein, ich habe es nicht als lächerlich hingestellt; ich halte es einfach für falsch, weil ich glaube, dass ein Verfassungsgericht die Grenzen der judicial review überschreitet, wenn es derartige quantitative Grenzwerte in eine Vorschrift wie Art. 33 Abs. 5 GG reinliest. Aber darauf kommt es gar nicht an. Wenn man das Urteil des BVerfG trotz dieser argumentativen Schwäche schon als verbindlich ansieht (was man natürlich tun muss, ist ja das BVerfG), dann muss man auch damit leben, dass sich die Politik an den dort etablierten quantitativen Werten orientiert. Und genau darauf habe ich hingewiesen.
ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass ich die nummerische Anknüpfung als sehr nachvollziehbar erachte, wenn man die Besoldungshöhe der Überprüfung nicht als grundsätzlich entzogen ansieht, was ich allerdings gleichwohl als vertretbar ansehen würde.
Dem kann ich jetzt nicht folgen.
Die 2,2% Erhöhung für sich führen zwar nicht zu einem spürbaren Kaufkraftschwund, aber in Kombination mit zwei Nullrunden (und auch nicht gerade üppigen Erhöhungen in den Vorjahren) kompensieren diese nicht einmal die Erhöhung einer Indexmiete, von Lebensmitteln und sonstige Lebenshaltungskosten und den abstrusen Teuerungen der Mietpreise in den Ballungsgebieten der letzten 5 Jahren abgesehen, sofern man nicht in das "Glück" einer vereinbarten Indexmiete gekommen ist.
Nochmal: Die 2,2% liegen auf dem Niveau (sogar leicht drüber) der Inflationsrate. Damit sind, definitionsgemäß, die Steigerungen der Lebenshaltungskosten ausgeglichen. Dass Mieten in den Großstädten schneller steigen als die Inflationsrate, ist natürlich richtig; die insoweit publizierten Zahlen gehen aber vor allem auf kräftige Mietaufschläge bei Neuvermietungen zurück. Der Bestandsmieter, der bereits in seiner Großstadtwohnung sitzt, hat es mit Mieterhöhungen zu tun, die weit unter dem liegen, was in den Medien marktschreierisch als "Im letzten Jahr sind die Mieten in deutschen Großstädten um x Prozent gestiegen!!" verbreitet wird.
Nun kann man sich natürlich hinstellen und sagen, ja liebe angehörige der Justiz und Verwaltung, beschwert euch nicht, ihr werdet alimentiert, wie ich Gesetzgeber das für richtig halte, ihr bekommt ja trotzdem eine höhere Alimentation durch den 2-jährlich erfolgenden Stufenanstieg, den Einsteigern, die sich erstmal eine bezahlbaren arbeitsplatznahe Wohnung suchen müssen, dürfte das aber nicht überzeugen.
Dieser Einsteiger hat sich bewusst für den Job in Justiz oder Verwaltung entschieden. Er wusste, was auf ihn zukommt, und hatte bei den gegenwärtigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt Alternativen, die er stattdessen hätte wählen können, die er aber abgelehnt hat. Wenn er das Gehaltsgefälle zwischen Justiz und GK für inakzeptabel hält, muss er halt zur GK gehen. Aber GK-Gehalt mit den nichtmonetären Vorteilen der Justiz kombinieren zu wollen, ist Rosinenpickerei.
Den Hinweis auf den Vergleich des BIPs hast du, denke ich, ebenfalls missverstanden. Mir geht es nicht darum, wie hoch die Bezüge von Staatsbediensteten anderer Länder nominell ausfallen, sondern um den Anteil der Justiz am Haushalt eines Staates und der damit einhergehenden Wertschätzung, was nicht als sentimentale Plakete, sondern im Sinne einer funktionsgerechten Ausstattung einer notwendigen Institution verstanden werden will.
Du willst also den Anteil am BIP, den die Staaten für die Justiz ausgeben, in Deutschland mit dem in anderen Staaten in Vergleich setzen. So weit, so gut. Und was folgt daraus dann für die Besoldung der Richter? Dass sie steigen muss?
Der Hinweis auf die Nachbarstaaten war im Übrigen ebenfalls nicht auf die nominelle Höhe der Bezüge, sondern eindeutig auf die Ausgestaltung des Besoldungssystem bezogen, mit dem ich mich im Zuge einer Abordnung im Ministerium mal beschäftigen durfte. Das deutsche System belohnt gute Arbeit derzeit überhaupt nicht, da der Stufenanstieg automatisch alle 2 Jahre stattfindet und entsprechend höhere Gehälter und Aufgaben nur durch ein undurchsichtiges Beförderungssystem zustande kommt; das deutsche System entfaltet also überhaupt keinen Anreiz auf die Qualität der Arbeit. Beschäftigt man sich mit dem Besoldungssystem Italiens oder auch der Schweiz, erkennt man die dort prinzipiell vorhandenen Vorzüge eines mehrschichtigen Evaluationssystem (teils von Anwälten, teils von der Gerichtsverwaltung in unterschiedlicher Ausprägung etc.), das partiellen Einfluss auf die Höhe der Besoldung entfaltet. Zudem hängt die Höhe der Besoldung nicht so stark und einseitig von der Position im Gerichtszweig ab, die Stelle am OLG-Äquivalent wird nicht zwangsläufig besser als die Stelle am LG besoldet, sodass das Konkurrenzdenken und die dadurch entstehende Neiddebatte viel weniger ausgeprägt ist und in der Tendenz nur diejenigen auf die Berufungs- und Revisioninstanzen schielen, die sich auch tatsächlich mit den dort anfallenden Aufgaben identifizieren können und wollen. Die in diesen (und anderen) Ländern bisher bestehenden Systeme sind sicher nicht perfekt austariert, aber es liefert ein denkbares Modell für eine deutsche Variante, die sich vom Nullanreizsystem entfernt und bei Justizangehörigen bei gleichzeitiger Stärkung der Autonomie der Justiz tendenziell zu einem höheren Verantwortungsgefühl und einer höheren Wertschätzung führt, was ich nach eingehender Beschäftigung mit der Materie durchaus präferieren würde.
Du willst also ein stärker leistungsorientiertes Besoldungssystem für Richter? Kann man drüber nachdenken, wäre ich aufgeschlossen für. Den Aufschrei aus der Richterschaft, so von wegen Eingriff in die Unabhängigkeit und so, kann man dann aber jetzt schon donnern hören.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375