Unterhaltspflichten: Erkundigungspflicht des Arbeitgebers

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Ant-Man
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Unterhaltspflichten: Erkundigungspflicht des Arbeitgebers

Beitrag von Ant-Man »

Es ist streitig, ob der Arbeitgeber auf die aus der Lohnsteuerkarte ersichtlichen Angaben, aus denen sich gesetzliche Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers ableiten lassen, vertrauen und danach die Sozialauswahl treffen darf (vgl. BAG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 6 AZR 682/10). Quecke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, § 1 KSchG Rn. 377 spricht vomn einer Erkundigungspflicht des Arbeitgebers. Wie kann aber der Arbeitgeber zuverlässig herausfinden, ob den Arbeitnehmer gesetzliche Unterhaltspflichten treffen, um die Sozialauswahl durchzuführen?

Der Arbeitgeber könnte den Arbeitnehmer fragen, ob und in welchem Umfang ihn gesetzliche Unterhaltspflichten treffen. Aber gibt es weitere Möglichkeiten?
Tobias__21
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Re: Unterhaltspflichten: Erkundigungspflicht des Arbeitgeber

Beitrag von Tobias__21 »

Mehr als bei den in Betracht kommenden Arbeitnehmern nachzufragen (bei dritten Stellen dürfte überall der Datenschutz entgegenstehen und es wird dem AG auch nicht zumutbar sein) kann der Arbeitgeber nicht und soweit mir ersichtlich wird auch von Seiten der Rechtsprechung nicht mehr von ihm verlangt, als eine Arbeitnehmerbefragung. Wenn ihm der Arbeitnehmer nicht wahrheitsgemäß antwortet, kann er sich auch in einem späteren Prozess nicht darauf berufen, dass die Kündigung wegen einem Gesichtspunkt, der nicht wahrheitsgemäß auf Nachfrage mitgeteilt wurde sozialwidrig sei. Das ist übrigens auch bei der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft so. Auf zulässige Fragen muss der AN immer wahrheitsgemäß antworten. Wenn die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarten unvollständig sind, bzw. der AG Zweifel hat, genügt er mit der Nachfrage beim AN seinen Erkundigungspflichten, da er davon ausgehen darf, dass dieser wahrheitsgemäß antwortet. Lügt ihn der AN an, hat er (der AN) eben Pech gehabt (Widersprüchliches Verhalten, sollte er das im Prozess ins Feld führen)
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Ant-Man
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Re: Unterhaltspflichten: Erkundigungspflicht des Arbeitgeber

Beitrag von Ant-Man »

Danke. So sehe ich das auch. Außer beim Arbeitnehmer nachzufragen und zu hoffen, dass er wahrheitsgemäß antwortet, sehe ich keine Möglichkeit, wie er die Unterhaltspflichten herausfinden könnte.
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Ruben
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Re: Unterhaltspflichten: Erkundigungspflicht des Arbeitgebers

Beitrag von Ruben »

Interessante Frage. Wenn z.B. bei den Lohnsteuerabzugsmerkmalen steht "Steuerklasse I", darf der Arbeitgeber dann bei der Sozialauswahl unterstellen, der Arbeitnehmer sei ledig und habe keine Unterhaltspflichten? Mein Rechtsgefühl sagt mir nein. Denn der Arbeitnehmer kann ja auch in Steuerklasse I massive Unterhaltspflichten haben: nicht-eheliche Kinder, Kindesunterhalt nach der Scheidung, Unterhalt unter Unverheirateten, Unterhalt unter Geschiedenen... Geschieden ist auch ein anderer Familienstand als ledig, beides ist aber grds. Steuerklasse I.

Das alles kann der Arbeitgeber doch nur durch Nachfrage herausfinden. Wenn er gar nicht nachfragt, was ist die Rechtsfolge (insb. bei Kündigungen)?
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