Urlaub im ersten Arbeitsjahr

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Einwendungsduschgriff
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Re: Urlaub im ersten Arbeitsjahr

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Kasimir hat geschrieben: D.h. Urlaub nimmt man nicht in einer Zeit, in der viel Arbeit anfällt und zudem sollte man eine gewisse Verfügbarkeit im Urlaub gewährleisten. Das kann z.B. so aussehen, dass man morgens und abends E-Mails liest und sonst per Telefon erreichbar ist, wenn etwas dringendes anliegt.
Das mag der Praxis in Wirtschaftskanzleien mit entsprechender Vergütung des angestellten Anwalts entsprechen, aber das ist in der Breite des anwaltlichen Berufsspektrums jedenfalls nicht der Realität entsprechend, auch bei Partnern nicht. Ich war zwar jeweils nicht Mandant, sondern in anderer Position den Rechtsanwalt sprechen musste und da brannte nun wirklich die Hütte. Klare Aussage der Assistentin - Setting: renommierte, regionale Wirtschaftskanzle mit etwa zwanzig Berufsträgern -, dass Frau Dr. X. im Urlaub sei und ich gerne den Vertreter sprechen kann. Der hat das hervorragend gemacht. Auf meine Frage, ob er das weitere Vorgehen nun noch mit ihr absprechen wolle: "Herr Duschgriff, sie würde mit Ihnen sprechen, wenn zu erreichen wäre, aber sie ist im Urlaub. Ich erreiche sie auch nicht."
So sehr beeinträchtigt das einen ja nun wirklich nicht.
Doch, Frau Duschgriff würde mir den Kopf abreißen. Ich würde gerne noch weiterleben.

(NB: Ich sehe auch nicht ein, meine Urlaubsorte und meine Urlaubsgestaltung an den Beruf anzupassen. Wenn ich zwei Wochen lang durch das Fjell laufen möchte ohne jegliche Empfangsmöglichkeit, dann mache ich das. Andere können ja in irgendeinem Luxushotel in einem beliebigem Südseestaat absteigen wollen und sich dort neben dem Cocktail auch Kommunikationsinfrastruktur an das kleine Get-Away-Häuschen am Strand liefern lassen. Langweilig.)
Die Arbeit mit "Vertretern" ist meines Erachtens weltfremd.
Meine Erfahrungen: nein.
Der Mandant will "seinen" Anwalt sprechen und zudem sicherstellen, dass er nicht doppelt bezahlt, wenn sich ein neuer Kollege in die Sache einarbeiten muss.
Das letzte Argument dürfte angesichts fehlender Honorarvereinbarungen in der Kanzlei der TE deutlich in die Leere laufen. Mein Partner in der Frankfurter GK hat auch aus dem Urlaub nur im allerhöchsten Notfall mit dem Mandanten tiefgreifend kommuniziert. Wie will man das auch seriös machen ohne Zugriff auf die Infrastruktur vor Ort? Ihm liegt keine Akte vor, er hat nur bedingt Zugriff auf die internen Systeme. Wenn es nur darum geht, dass man aus dem Urlaub heraus den Grüßonkel macht: Sinn und Zweck der Aktion? Da hätte ich als Mandant lieber den Vertreter vor Ort, der auf das Mandat gebrieft ist - das sollte man machen, klar - und der den notwendigen Vor-Ort-Support hat. Alles andere degradiert den Rechtsanwalt zum rechtskenntnishaften Conferencier.

So. Und ich überlege mir, diesen Beruf zu ergreifen :-({|=
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Kasimir
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Re: Urlaub im ersten Arbeitsjahr

Beitrag von Kasimir »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
Kasimir hat geschrieben: D.h. Urlaub nimmt man nicht in einer Zeit, in der viel Arbeit anfällt und zudem sollte man eine gewisse Verfügbarkeit im Urlaub gewährleisten. Das kann z.B. so aussehen, dass man morgens und abends E-Mails liest und sonst per Telefon erreichbar ist, wenn etwas dringendes anliegt.
Das mag der Praxis in Wirtschaftskanzleien mit entsprechender Vergütung des angestellten Anwalts entsprechen, aber das ist in der Breite des anwaltlichen Berufsspektrums jedenfalls nicht der Realität entsprechend, auch bei Partnern nicht. Ich war zwar jeweils nicht Mandant, sondern in anderer Position den Rechtsanwalt sprechen musste und da brannte nun wirklich die Hütte. Klare Aussage der Assistentin - Setting: renommierte, regionale Wirtschaftskanzle mit etwa zwanzig Berufsträgern -, dass Frau Dr. X. im Urlaub sei und ich gerne den Vertreter sprechen kann. Der hat das hervorragend gemacht. Auf meine Frage, ob er das weitere Vorgehen nun noch mit ihr absprechen wolle: "Herr Duschgriff, sie würde mit Ihnen sprechen, wenn zu erreichen wäre, aber sie ist im Urlaub. Ich erreiche sie auch nicht."
So sehr beeinträchtigt das einen ja nun wirklich nicht.
Doch, Frau Duschgriff würde mir den Kopf abreißen. Ich würde gerne noch weiterleben.

(NB: Ich sehe auch nicht ein, meine Urlaubsorte und meine Urlaubsgestaltung an den Beruf anzupassen. Wenn ich zwei Wochen lang durch das Fjell laufen möchte ohne jegliche Empfangsmöglichkeit, dann mache ich das. Andere können ja in irgendeinem Luxushotel in einem beliebigem Südseestaat absteigen wollen und sich dort neben dem Cocktail auch Kommunikationsinfrastruktur an das kleine Get-Away-Häuschen am Strand liefern lassen. Langweilig.)
Natürlich muss man seine Urlaubsorte nicht nach dem Beruf anpassen. Ich war auch schon in Gegenden ohne Mobilfunkempfang und wenn man dies rechtzeitig mit seinen Kollegen abstimmt, ist das auch OK. Das ist letztlich ein Geben und Nehmen.

Und letztlich ist es auch Angebot und Nachfrage. Es gibt schlicht Mandanten, die dich nicht beauftragen, wenn du für sie eine Woche am Stück nicht erreichbar bist. Das mag man bedauern, ist aber ökonomische Realität. Man muss es sich insoweit eben auch leisten können, erreichbar zu sein.

Ja, und auch meine Frau ist durchaus manchmal genervt, wenn ich E-Mails checke. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen erfordert eben Kompromisse. Man kann ja auch E-Mails checken, wenn die Frau morgens noch schläft bzw. abends, wenn sie schon schläft. Oder man macht es dann, wenn man getrennte Aktivitäten macht. Auch als Paar hängt man ja im Urlaub nicht 24 Stunden zusammen. Ich arbeite z.B. manchmal auf Langstreckenflügen und meine Frau liest oder sieht einen Film. Das ist keine Beeinträchtigung für sie oder mich.
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Einwendungsduschgriff
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Re: Urlaub im ersten Arbeitsjahr

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Kasimir hat geschrieben:Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen erfordert eben Kompromisse.
Mal auf mich bezogen: Das ist richtig, aber ich frage mich dann, wo der Kompromiss ist. Sie würde sowieso schon längere Arbeitzeiten und eventuell längere Abwesenheiten - vielleicht sogar eine Zweitwohnung meinerseits - akzeptieren (müssen). Ganz zu schweigen davon, wenn wir unseren Wohnort anpassen sollten- eigentlich wollen wir nämlich aus privaten Gründen genau in die entgegengesetzte Richtung die Rheinebene verlassen. Also alles Dinge, die meine Berufswahl auslöst beziehungsweise auslösen könnte. Ich sehe da wenig Kontext für ein weiteres Entgegenkommen ihrerseits. Zudem: sie füllt wenigstens einen Beruf mit gesamtgesellschaftlicher Relevanz aus und ist an einer Staatsaufgabe beteiligt, zumal mit dem Blick auf ihre aktuellen Karrierechancen - damit: sehr wichtiger Beruf mit hoher Verantwortung der Allgemeinheit gegenüber -, wir sind nur Dienstleister.
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Re: Urlaub im ersten Arbeitsjahr

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Du wirst ja nicht ewig Angestellte sein wollen. Dies würde weder für dich noch für die Kanzlei Sinn ergeben.
Wieso?
halb eins
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Re: Urlaub im ersten Arbeitsjahr

Beitrag von halb eins »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Zudem: sie füllt wenigstens einen Beruf mit gesamtgesellschaftlicher Relevanz aus und ist an einer Staatsaufgabe beteiligt, zumal mit dem Blick auf ihre aktuellen Karrierechancen - damit: sehr wichtiger Beruf mit hoher Verantwortung der Allgemeinheit gegenüber -, wir sind nur Dienstleister.
Naja, man muss sich ja als Anwalt auch nicht unbedingt kleiner machen als man ist ...
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Tibor
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Re: Urlaub im ersten Arbeitsjahr

Beitrag von Tibor »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Zudem: sie füllt wenigstens einen Beruf mit gesamtgesellschaftlicher Relevanz aus und ist an einer Staatsaufgabe beteiligt,...
Die gesamtgesellschaftliche Relevanz eines Richters in der Ordentlichen ist auch sehr begrenzt, wenn man an Nachbarschaftsstreitigkeiten, Autounfälle oder Mietschulden denkt. Da mag es Anwälte mit deutlich mehr Verantwortung geben, freilich auch Justizbedienstete.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Einwendungsduschgriff
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Re: Urlaub im ersten Arbeitsjahr

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

So bierernst war es nun auch nicht gemeint...
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