[InsO] Werklohnforderung des Schuldners nach Insolvenz

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pHr3d
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[InsO] Werklohnforderung des Schuldners nach Insolvenz

Beitrag von pHr3d »

Der Schuldner hat eine Werkleistung erbracht, die aber Mängel aufweist. Über sein Vermögen wird die Insolvenz eröffnet. Der Insolvenzverwalter lehnt die Erfüllung des Vertrags ab nach § 103 InsO und verlangt hinsichtlich der erbrachten Leistung den Werklohn vom Auftraggeber. Der Auftraggeber verweigert die Zahlung, da noch keine Abnahme stattgefunden hat und das Werk auf Grund der Mängel auch nicht abnahmefähig sei. Der Insolvenzverwalter erklärt dazu, dass sich der Vertrag durch die Erklärung der Nichterfüllung in ein Abrechnungsverhältnis verwandelt habe und eine Abnahme nicht mehr erforderlich sei.

Das Problem erscheint mir einigermaßen alltäglich, ich finde aber nicht viel dazu. Ausdrücklich befasst sich nur diese Fundstelle mit dem Problem:

Erhebliche Bedeutung hat die Abrechnung vom Schuldner erbrachter Teilleistungen in der Insolvenz des Bauunternehmens (dazu bereits oben Rz. 94 ff, 230 ff). Grundsätzlich setzt die Abrechnung eines vorzeitig beendeten Bauvertrages nach neuerer geänderter Rechtsprechung die Abnahme voraus. Ob das aber tatsächlich auf die Abrechnung des Insolvenzverwalters übertragen werden kann, begegnet Bedenken, weil das den Verwalter sonst entgegen der von § 103 bezweckten Entscheidungsfreiheit zwingt, das Werk in einen abnahmefähigen Zustand zu versetzen (Tintelnot in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 79. Lieferung 03.2019, § 103 InsO, Rn. 311).


Mir leuchtet nicht recht ein, weshalb der Insolvenzverwalter hier in diesem Maße privilegiert werden sollte (und der Auftragnehmer benachteiligt). Denn dem Grunde nach gilt ja, dass auch im Abrechnungsverhältnis eine Abnahme der erbrachten Teilleistungen erforderlich ist (so BGH, NJW 2006, 2475).

Sieht das jemand ähnlich wie ich/ganz anders?
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arlovski
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Re: [InsO] Werklohnforderung des Schuldners nach Insolvenz

Beitrag von arlovski »

ich bin noch etwas verschlafen, aber vielleicht sieht Matthies das teilweise so wie du:

"bb) Der Werklohnanspruch der Masse. Für die mangelhafte Teilleistung kann der Insolvenzverwalter, wenn der Auftraggeber keinen Schadensersatzanspruch geltend macht, keine Vergütung beanspruchen. Der Vergütungsanspruch wird trotz Insolvenzverfahrenseröffnung erst mit der Abnahme der Leistung fällig. Ist das Werk nicht abnahmereif, weil nicht fertiggestellt oder weil wesentliche Mängel vorliegen, steht der Masse ebenfalls kein Vergütungsanspruch zu. Die Situation ändert sich erst dann, wenn der Auftraggeber Schadensersatz geltend macht. Insofern ist anerkannt, dass die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung entfallen lässt (Abrechnungsverhältnis) (BGH NZBau 2005, 852; BGH NJW 2017, 1604). Es kommt zu einer unmittelbaren Saldierung der ausgetauschten Leistungen. Sofern der Vergütungsanteil den Nichterfüllungsschaden übersteigt, mithin ein positiver Saldo für die Insolvenzmasse verbleibt, kann der Insolvenzverwalter die Vergütung insoweit für die Masse geltend machen. Übersteigt aber der Nichterfüllungsschaden den Vergütungsanteil, steht dem Auftraggeber in Höhe dieser Differenz ein Nichterfüllungsschaden als Insolvenzforderung zu. Diese Differenz kann er dann zur Insolvenztabelle anmelden."

(BeckOK InsO, Bau- und Architektenrecht in der Insolvenz Rn. 337)
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pHr3d
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Re: [InsO] Werklohnforderung des Schuldners nach Insolvenz

Beitrag von pHr3d »

Ah, vielen Dank. Dann kann meine Auffassung ja zumindest nicht ganz abwegig sein.
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Torquemada
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Re: [InsO] Werklohnforderung des Schuldners nach Insolvenz

Beitrag von Torquemada »

Bei beiderseits noch nicht voll erfüllten gegenseitigen Verträgen i.S.v. § 103 InsO besteht die vom Gesetz bezweckte Privilegierung der Insolvenzmasse darin, dass der Insolvenzverwalter die Insolvenzforderung des anderen Teils durch "Erfüllungswahl" rechtsgestaltend zur Masseforderung aufwerten kann; dann darf er sie erfüllen und kann deshalb auch den in die Masse gefallenen Erfüllungsanspruch der Masse, der bis dahin undurchsetzbar war (§ 320 BGB), wieder durchsetzen. Wählt der Insolvenzverwalter nicht Erfüllung, bleibt es einfach bei der Rechtslage, die bestehen würde, wenn man sich § 103 InsO wegdenkt. Das bedeutet in diesem Fall eben, dass nach allgemeinen Grundsätzen kein Abrechnungsverhältnis entsteht (dass die Insolvenzeröffnung allein hierfür nicht ausreicht, hat der BGH jüngst in NJW 2018, 697 noch einmal klargestellt).

Man muss allerdings auch sehen, dass diese an sich klare Rechtslage zu Problemen führt, wenn der Insolvenzverwalter weitere Erfüllungshandlungen vornehmen müsste, um das Werk abnahmereif zu machen und so wenigstens einen Teilvergütungsanspruch der Masse entstehen zu lassen: Darf der Insolvenzverwalter das überhaupt? Immerhin ist der Erfüllungsanspruch des Vertragspartners im Moment bloße Insolvenzforderung; die darf der Verwalter nicht erfüllen (bzw. nur quotal und nur nach Maßgabe der §§ 174 ff., 187 ff. InsO), und wenn er es tut, ist das an sich "insolvenzzweckwidrig" und deshalb nichtig bzw. haftungsbegründend. Und falls es trotzdem tut, ist das vielleicht zwingend eine konkludente Erfüllungswahl für den Gesamtvertrag? Grundlos ist es also nicht, wenn manche Autoren über Konstruktionen nachdenken, die ein anderes Ergebnis ermöglichen.
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pHr3d
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Re: [InsO] Werklohnforderung des Schuldners nach Insolvenz

Beitrag von pHr3d »

Eben, wie man es macht, ist es problematisch. Denn, dass der Auftraggeber nun nur deshalb (teilweise) zahlen muss, weil er das Pech hat, dass sein Bauunternehmer in Insolvenz gefallen ist, drängt sich ja auch nicht gerade auf.

In meinem Fall stimmt jedenfalls das von mir "gewünschte" Ergebnis mit dem BGH überein, entsprechend wird da nicht weiter rumgedeutelt.
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