Kanzleien mit schlechtem Ruf?

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Ara
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Ara »

Tibor hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 22:11 Und in allen GK in HH machen alle in Waffenexport? Da glaubst du doch selbst nicht dran. Das ist genauso absurd wie die Annahme, dass jeder M&A GK-Anwalt nur Heuschreckenfonds aus Amiland als Mandant hat und ständig Mittelständler kaputt macht.
Ich sagte, alle GKs in Hamburg machen das. Nicht jeder einzelne Anwalt. Es ist aber kein Geheimnis, dass in Hamburg Airbus SE einer der größten Auftraggeber für die GKs ist. Dazu kommen die ganzen Zulieferer der Rüstungsindustrie die sich hier angesiedelt haben.

Von daher verstehe ich deine große Verwunderung nicht? Hier wirst du als GK-Anwalt früher oder später mit Airbus SE, HPA und HSH zu tun haben, einfach weil es riesige Auftragsvolumina sind.

Verstehe aber auch nicht ganz, was das mit dem Thema zu tun hat... Die Waffenindustrie war nur ein Beispiel für eine Branche die "problematisch" ist und regelmäßig von Großkanzleien bearbeitet wird. Habe noch nie jemanden gehört, der es Freshfields, CMS oder Hengeler ankreidet, dass sie in der Rüstungsindustrie regelmäßig die M&As machen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
arlovski
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von arlovski »

Tibor hat geschrieben:Und in allen GK in HH machen alle in Waffenexport? Da glaubst du doch selbst nicht dran. Das ist genauso absurd wie die Annahme, dass jeder M&A GK-Anwalt nur Heuschreckenfonds aus Amiland als Mandant hat und ständig Mittelständler kaputt macht.
relevanz? ich glaube man findet dutzende beispiele, die fuer grosse kanzleien alltag sind, auf die man als betreuender anwalt aber alles andere als stolz ist (sofern man das ueberhaupt reflektiert). aktuelles, viel weniger krasses beispiel aus dem nahbereich: konzern mit 50+ milliarden umsatz und tausenden mitarbeitern wehrt sich mit us-kanzlei und horrenden stundensaetzen gegen 60 jaehrigen schichtarbeiter (seit 25 jahren im unternehmen), der mit dem TzBfG seine woechentliche arbeitszeit um 12h reduzieren moechte und kuendigt sofort an, im falle einer niederlage sowieso den instanzenzug voll auszuschoepfen, ist doch klar. applaus applaus, tolle sache. ist jetzt natuerlich nichts GK-spezifisches, wobei dort naturgemaess regelmaessig die arbeitgeberseite bei unschoenen massnahmen vertreten wird.

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Urs Blank
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Urs Blank »

Ara hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 21:41 Warum sollte der Strafverteidiger in deinem Beispiel für den Nervenzusammenbruch oder die Vergewaltigung mehr Verantwortung tragen als der Richter oder Staatsanwalt? Alle drei sind an das Recht gebunden.

Das behaupte ich gar nicht. Richter und Staatsanwalt hast du jetzt ins Spiel gebracht. Ich habe verschiedene Arten der Rechtsanwaltstätigkeit verglichen und keinen kategorischen Unterschied gefunden.

Ursächlich für die weitere Straftat ist der Umstand, dass die Regeln der Gesellschaft nicht dazu geführt haben, ihn wegzusperren. Verhindern können das die drei nur, wenn sie gegen den Rechtsstaat verstoßen. Wenn alle drei ihren Job richtig machen, steht am Ende immer ein rechtsstaatlich richtiges Urteil. Dafür sollten alle drei einstehen.

Da stimme ich dir zu. Ich sehe nur den Unterschied zu dem Waffenhersteller-Anwalt nicht. Denn mit gleicher Berechtigung kann man doch formulieren: Ursächlich für den Missbrauch der exportierten Waffen in irgendeinen Schurkenstaat ist der Umstand, dass die Regeln der Gesellschaft dazu geführt haben, dass diese Waffen exportiert werden dürfen.

Die Frage "ist Waffenexport nach Saudi Arabien in Ordnung" ist aber deutlich umstrittener und schwieriger, als "sollte ein formal Unschuldiger freigesprochen werden". Ersteres kann man moralisch unterschiedlich beurteilen. Letzteres sollte jeder mit "nein" beantworten, der moralisch integer ist.

Das sehe ich anders. Ich würde - falls ich Verteidiger wäre - niemanden auf Freispruch verteidigen, dessen Täterschaft ich positiv kenne.
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Ara
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Ara »

Urs Blank hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 23:15
Ursächlich für die weitere Straftat ist der Umstand, dass die Regeln der Gesellschaft nicht dazu geführt haben, ihn wegzusperren. Verhindern können das die drei nur, wenn sie gegen den Rechtsstaat verstoßen. Wenn alle drei ihren Job richtig machen, steht am Ende immer ein rechtsstaatlich richtiges Urteil. Dafür sollten alle drei einstehen.

Da stimme ich dir zu. Ich sehe nur den Unterschied zu dem Waffenhersteller-Anwalt nicht. Denn mit gleicher Berechtigung kann man doch formulieren: Ursächlich für den Missbrauch der exportierten Waffen in irgendeinen Schurkenstaat ist der Umstand, dass die Regeln der Gesellschaft dazu geführt haben, dass diese Waffen exportiert werden dürfen.
Der entscheidende Unterschied hier ist aber, dass die Gesellschaft im Strafprozess eine Bestrafung verbietet und der Strafverteidiger nur dafür sorgt, dass die selbst gesetzten Regeln nicht gebrochen werden. Es gibt dagegenüber aber keine Pflicht zum Waffenexport, sondern nur das Recht.

Im letzteren Fall kann man aber natürlich gut vertreten, dass alles was nicht verboten ist, auch jeder tun können soll. Das ist ja auch wieder Kerngedanke des materiellen Strafrechts dann. Das ist dann aber eine moralische Wertungsfrage.
Urs Blank hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 23:15
Die Frage "ist Waffenexport nach Saudi Arabien in Ordnung" ist aber deutlich umstrittener und schwieriger, als "sollte ein formal Unschuldiger freigesprochen werden". Ersteres kann man moralisch unterschiedlich beurteilen. Letzteres sollte jeder mit "nein" beantworten, der moralisch integer ist.
Das sehe ich anders. Ich würde - falls ich Verteidiger wäre - niemanden auf Freispruch verteidigen, dessen Täterschaft ich positiv kenne.
Man muss halt vom Rechtsstaat überzeugt sein als Verteidiger und zwar bedingungslos als oberster Grundsatz eines fairen Verfahrens. Damit haben aber viele Verfahrensbeteiligte im Strafrecht häufig Probleme. Liegt meines Erachtens aber daran, weil man den Blick zu sehr auf die Einzelfallgerechtigkeit verengt. Wenn man aber die strengen Formalia über Board wirft, öffnet man Willkür Tür und Tor.

Die Freispruchverteidigung eines Schuldigen ist nichts anderes als das Einfordern der Einhaltung der Formalia. Spätestens wenn du (unschuldig) Beschuldigter eines Strafverfahrens bist, wirst du es zu schätzen wissen, dass die Formalia beim letzten (schuldigen) Beschuldigten nicht ignoriert wurden, denn sonst könnte man nämlich auch in deinem Verfahren dazu neigen die Formalia nicht so ernst zu nehmen.

Das gute als Strafverteidiger ist, dass es nicht deine Aufgabe ist zu richten. Du bist nur da, um dafür zu sorgen, dass die anderen sich an ihre selbstgesetzten Regeln halten. Ist recht bequem... Man muss nur immer aufzeigen, was die anderen falsch machen. Man muss es selbst nicht mal besser machen!
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von EinHeinz »

arlovski hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 22:51
Tibor hat geschrieben:Und in allen GK in HH machen alle in Waffenexport? Da glaubst du doch selbst nicht dran. Das ist genauso absurd wie die Annahme, dass jeder M&A GK-Anwalt nur Heuschreckenfonds aus Amiland als Mandant hat und ständig Mittelständler kaputt macht.
relevanz? ich glaube man findet dutzende beispiele, die fuer grosse kanzleien alltag sind, auf die man als betreuender anwalt aber alles andere als stolz ist (sofern man das ueberhaupt reflektiert). aktuelles, viel weniger krasses beispiel aus dem nahbereich: konzern mit 50+ milliarden umsatz und tausenden mitarbeitern wehrt sich mit us-kanzlei und horrenden stundensaetzen gegen 60 jaehrigen schichtarbeiter (seit 25 jahren im unternehmen), der mit dem TzBfG seine woechentliche arbeitszeit um 12h reduzieren moechte und kuendigt sofort an, im falle einer niederlage sowieso den instanzenzug voll auszuschoepfen, ist doch klar. applaus applaus, tolle sache. ist jetzt natuerlich nichts GK-spezifisches, wobei dort naturgemaess regelmaessig die arbeitgeberseite bei unschoenen massnahmen vertreten wird.

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Das ist das ärgerliche in solchen Einheiten, dass die wenigstens das Standing haben dürften, solchen Unsinn dem Mandanten auszureden. Cash is king.
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Fyrion
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Fyrion »

arlovski hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 22:51
Tibor hat geschrieben:Und in allen GK in HH machen alle in Waffenexport? Da glaubst du doch selbst nicht dran. Das ist genauso absurd wie die Annahme, dass jeder M&A GK-Anwalt nur Heuschreckenfonds aus Amiland als Mandant hat und ständig Mittelständler kaputt macht.
relevanz? ich glaube man findet dutzende beispiele, die fuer grosse kanzleien alltag sind, auf die man als betreuender anwalt aber alles andere als stolz ist (sofern man das ueberhaupt reflektiert). aktuelles, viel weniger krasses beispiel aus dem nahbereich: konzern mit 50+ milliarden umsatz und tausenden mitarbeitern wehrt sich mit us-kanzlei und horrenden stundensaetzen gegen 60 jaehrigen schichtarbeiter (seit 25 jahren im unternehmen), der mit dem TzBfG seine woechentliche arbeitszeit um 12h reduzieren moechte und kuendigt sofort an, im falle einer niederlage sowieso den instanzenzug voll auszuschoepfen, ist doch klar. applaus applaus, tolle sache. ist jetzt natuerlich nichts GK-spezifisches, wobei dort naturgemaess regelmaessig die arbeitgeberseite bei unschoenen massnahmen vertreten wird.

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Naja, wenn man Arbeitnehmervertretern zuhört, dann ist eigentlich jede Handlung eines Arbeitgebers "unschön" und eigentlich wäre es nur gerecht, wenn er allen den dreifachen Lohn für die halbe Arbeit auszahlen würde.
Ich sehe jetzt auch nichts dramatisches an deinem Beispiel. Vielleicht hat er eben keinen Anspruch auf Reduktion seiner Arbeitszeit. Wenn doch, wird ihm das Gericht Recht geben. Der AG hat natürlich schiss, dass ihm alle in Teilzeit davonrennen. Und in die Köpfe der AN und ihrer Vertreter muss mal rein, dass der AG nicht der Feind, sondern ein Verbündeter ist. Niemand hat was von schwachen oder wirtschaftlichen instabilen Unternehmen. Wir wollen alle starke, effiziente, solvente Unternehmen in Deutschland haben. Sonst können die AN Vertreter mittelfristig auch auf Sozialrecht umlernen ;)

@ Ara

Nach deiner Argumentation hat aber nicht der GK-Anwalt die Verantwortung dafür, dass die Rakete bei SA ankommt, sondern die Politik. Sie entscheidet in letzter Konsequenz über Waffenexporte. Der GK-Anwalt berät die Mandanten in dem rechtlichen Rahmen, den die Politik vorgibt. Würde die Politik endlich mal (und ich würde das sehr unterstützen) eindeutig sagen: GAR KEINE Waffenexporte mehr in Faschistische Staaten, dann könnte auch der GK Anwalt nichts weiter tun.
Die Freispruchverteidigung eines Schuldigen ist nichts anderes als das Einfordern der Einhaltung der Formalia. Spätestens wenn du (unschuldig) Beschuldigter eines Strafverfahrens bist, wirst du es zu schätzen wissen, dass die Formalia beim letzten (schuldigen) Beschuldigten nicht ignoriert wurden, denn sonst könnte man nämlich auch in deinem Verfahren dazu neigen die Formalia nicht so ernst zu nehmen.
Das ist der bequeme Elfenbeinturm, in den sich Strafverteidiger gerne zurückziehen. Fakt ist aber, wenn du trotz positiver Kenntnis dafür sorgst, dass der Vergewaltiger oder Mörder unbestraft bleibt, dann bist du direkt kausal dafür (mit)verantwortlich, dass er frei rumläuft. Und wenn er das nächste Kind tötet oder die nächste Frau vergewaltigt, dann hast du deinen Anteil daran. Ob du an irgendwas glaubst oder nicht und wie auch immer das System sein mag. Es ist die physische Kausalitätskette und die ist absolut eindeutig. Ich verstehe ja, dass man sich das so zurechtbiegen muss im Kopf, dass man keinerlei Verantwortung trägt. Sonst könnte man den Job wahrscheinlich nicht machen. Aber wahr wird dadurch halt trotzdem nicht.
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Trente Steele82
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Trente Steele82 »

Kulika hat geschrieben: Montag 17. Juni 2019, 10:32 Hi,

dankeschön für eure Beiträge.
ch würde zB von Waldorf Frommer und Co. keinen anstellen, außer ich brauch jemand der es mit dem Gewissen nicht so hat.

Primär aber schon aus dem Grund, weil ich mich frage, warum er nicht woanders untergekommen ist.
Gut, Waldorf Frommer ist natürlich ein Extrembeispiel. Aber viele sind ja in Kanzleien tätig, in denen sie - neben anderen Aufgaben - auch Dieselsachen bearbeiten müssen (keine Projektjuristen). Oder man vertritt Versicherungen und weist Forderungen zurück, berät Großunternehmen, wie sie durch Steueroasen ihre Steuern drücken können oder berät Immobilienhaie beim Erwerb von Wohnungsportfolios. Oder Insolvenzverwalterkanzleien, die dafür bekannt sind, Unternehmen zu "schlachten", anstatt sie unter Erhalt von Arbeitsplätzen fortzuführen. Alles nicht illegal aber doch irgendwie moralisch anrüchig.

Und ich denke, dass viele solche Kanzleien einem ermöglichen können, Jura auf hohem Niveau zu machen und auch gut zu zahlen.
Hier gibt es eine Kanzlei, die den Ruf hat, im Umfeld der Rauschgift-"Mafia" tätig zu sein (und deren gerichtliche Siege gemeinsam mit den Mandanten mit Champagner zu begießen).

Ob das stimmt - keine Ahnung. Trotzdem würde ich in jedem Fall von so etwas die Finger lassen :D
Klar, wer bei solchen Kanzleien einsteigt ist selbst Schuld. Wenn man die Hintergründe denn vor der Einstellung kennt.
DIe Kollegen von Wittig Ünalp wären mir auch suspekt, allein schon, wenn man sich diese unsägliche Internetpräsenz mal anschaut....gruselig :crazy:
Sehe nicht im Ansatz, warum das eine Kanzlei mit schlechtem Ruf sein soll? So schlecht ist der Internetauftritt auch gar nicht, finde ich.

EDIT: Ok, die Darstellung auf der Seite "Karriere" (https://www.ra-wittig.de/kanzlei/karriere/anwaelte/ (Verwaister Link automatisch entfernt)) ist schon sehr überheblich, verstehe also, was du meinst.
Es gibt sicherlich Kanzleien mit einem schlechten Ruf, weil die dort arbeitenden Personen bereit sind jede Grenze überschreiten. Ich mag Waldorff Frommer nicht, aber die würde ich noch nicht einmal dazu zählen.

Was du aber beschreibst ist im Wesentlichen das normale anwaltliche Geschäft. Wer Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherer macht, wird nicht darum herum kommen, auch geltend gemachte Forderungen zurückzuweisen. Wer als Arbeitsrechtler Unternehmen berät, kommt auch mit Entlassungen von Mitarbeitern in Berührung und und und. Das witzige ist, man kann im gleichen Rechtsgebiet die "Fronten" wechseln und erlebt auch dort womöglich unmoralisches Verhalten (zB wie kann ich von meiner Versicherung so viel heraus holen, wie geht oder Unterstützung von AGG-Hoppern etc).

Die wirklich schwarzen Schafe, mit denen man sich seinen eigenen Namen versaut, erkennt man aber relativ schnell, wenn man sich in seinem Rechtsgebiet die ein oder andere Kanzlei während Studium und Ref angesehen hat und dort mit den Kollegen redet.
"Ich bin ein Freund der privaten Passivitäten, bin also ein fauler Mensch, der versucht seine Intelligenz einzusetzen, um weiterhin faul zu bleiben zu können." (Benno Heussen)
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von EinHeinz »

Buchalik im Insolvenzrecht bspw, um ein wenig name dropping zu veranstalten. Alle über einen Kamm zu scheren ist unfair, der Vita wird aber eine Anstellung dort nicht nützlich sein.
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Ara
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Ara »

Fyrion hat geschrieben: Mittwoch 19. Juni 2019, 11:21 Das ist der bequeme Elfenbeinturm, in den sich Strafverteidiger gerne zurückziehen. Fakt ist aber, wenn du trotz positiver Kenntnis dafür sorgst, dass der Vergewaltiger oder Mörder unbestraft bleibt, dann bist du direkt kausal dafür (mit)verantwortlich, dass er frei rumläuft. Und wenn er das nächste Kind tötet oder die nächste Frau vergewaltigt, dann hast du deinen Anteil daran. Ob du an irgendwas glaubst oder nicht und wie auch immer das System sein mag. Es ist die physische Kausalitätskette und die ist absolut eindeutig. Ich verstehe ja, dass man sich das so zurechtbiegen muss im Kopf, dass man keinerlei Verantwortung trägt. Sonst könnte man den Job wahrscheinlich nicht machen. Aber wahr wird dadurch halt trotzdem nicht.
Es geht ja nicht um Kausalität im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel. Danach wäre quasi jeder und alles kausal.

Es muss doch das Alternativverhalten betrachtet werden: Das Alternativverhalten wäre, entgegen des Rechtsstaates, dafür zu sorgen, dass ein formal Unschuldiger bestraft wird. Grundsatz des modernen Rechtsstaates ist aber gerade, dass wir lieber einen Schuldigen zuviel laufen lassen, als einen Unschuldigen einzusperren. Diese Rolle wird unter anderem dadurch gesichert, dass die Formalien des Strafprozesses eingehalten werden müssen. Was wiederum dadurch abgesichert wird, dass dem Beschuldigten ein einseitiger Interessensvertreter in Form des unabhängigen Organs der Rechtspflege zur Seite gestellt wird. Viele Möglichkeiten und Informationen hat der Strafverteidiger ja gerade nur durch seine Stellung als jenes Organ.

Der Strafverteidiger existiert aus einem einzigen Grund im reformierten Strafprozess: Weil die Reformer (wohl auch im Hinblick auf den Inquisitionsprozess) den Richtern und der Staatsanwaltschaft misstraut haben und ein Gleichgewicht nur dadurch herstellen vermochten, dass dem Beschuldigten ein Interessensvertreter an die Seite gestellt wird.

Jeder der sich übrigens anschaut, wie so mancher Unverteidiger vor dem Amtsgericht strafprozessual durch die Manege geführt wird, mag dieses Misstrauen teilen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Fyrion »

Der Strafverteidiger existiert aus einem einzigen Grund im reformierten Strafprozess: Weil die Reformer (wohl auch im Hinblick auf den Inquisitionsprozess) den Richtern und der Staatsanwaltschaft misstraut haben und ein Gleichgewicht nur dadurch herstellen vermochten, dass dem Beschuldigten ein Interessensvertreter an die Seite gestellt wird.
Ist das denn auch in Deutschland so? Ich war bisher immer der Annahme, dass in Deutschland - im Gegensatz zu etwa den USA - alle drei Parteien "in einem Team" spielen. Alle sind Organe der Rechtspflege und der Wahrheitsfindung verpflichtet, was sich schon darin zeigt, dass die StA eben auch Entlastendes ermitteln und beibringen muss. Zugegeben, ich habe mich mit dem Berufsbild des Strafverteidigers noch nie vertieft beschäftigt.

Ich nahm aber jedenfalls an, dass das das deutsche Strafprozessrecht gerade vom Amerikanischen unterscheidet, wo ein StA nur anklagt, ein Verteidiger nur verteidigt und beide gegeneinander arbeiten.
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von Ara »

Fyrion hat geschrieben: Mittwoch 19. Juni 2019, 18:10
Der Strafverteidiger existiert aus einem einzigen Grund im reformierten Strafprozess: Weil die Reformer (wohl auch im Hinblick auf den Inquisitionsprozess) den Richtern und der Staatsanwaltschaft misstraut haben und ein Gleichgewicht nur dadurch herstellen vermochten, dass dem Beschuldigten ein Interessensvertreter an die Seite gestellt wird.
Ist das denn auch in Deutschland so? Ich war bisher immer der Annahme, dass in Deutschland - im Gegensatz zu etwa den USA - alle drei Parteien "in einem Team" spielen. Alle sind Organe der Rechtspflege und der Wahrheitsfindung verpflichtet, was sich schon darin zeigt, dass die StA eben auch Entlastendes ermitteln und beibringen muss. Zugegeben, ich habe mich mit dem Berufsbild des Strafverteidigers noch nie vertieft beschäftigt.

Ich nahm aber jedenfalls an, dass das das deutsche Strafprozessrecht gerade vom Amerikanischen unterscheidet, wo ein StA nur anklagt, ein Verteidiger nur verteidigt und beide gegeneinander arbeiten.
Ja die USA hat natürlich da ein ganz anderes Rollenbild. Der US-Strafprozess möchte nicht die Wahrheit aufdecken, sondern entspricht eher unserem Zivilverfahren, mit reiner formalen prozessualen Wahrheit. Da hat der Strafverteidiger auch einen ganz anderen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens. Da kann dich, auch wenn Ankläger und Gericht alles richtig machen, ein guter Strafverteidiger vor der Strafe retten (was auch dem Jury-System natürlich geschuldet ist). Diese Möglichkeiten sind im deutschen reformierten Strafprozess faktisch nicht gegeben. Wenn Gericht und Staatsanwaltschaft alles richtig machen, dann spielt der Strafverteidiger keine Rolle. Sind alle relevanten Beweismittel herbeigeschafft, alle Fragen gestellt worden, die Beweismittel richtig gewürdigt und die Verfahrensvorschriften eingehalten, muss der Strafverteidiger im Prozess nichts machen.

Aber deine "Idealvorstellung" von "einem Team" entspricht eher nicht der tatsächlichen Rolle der Verfahrensbeteiligten. Der Strafverteidiger ist eigentlich ein Fremdkörper im reformierten Strafprozess und es wurde auch diskutiert ihn wegzulassen. Der deutsche Strafprozess ist ja auch heute noch inquisitorisch organisiert. Der Vorsitzende ist der neutral und allumfassende untersuchende Richter, der bei der Wahrheitssuche keinen Widerstand, sondern lediglich Hilfe und Unterstützung benötigt. Gleichzeitig hat man aber früh erkannt, dass auch die Richterrobe nicht vor Vorurteile und Prägungen schützt und nur der Widerstand der Verteidigung den Richter immer wieder zur Selbstreflektion zwingt.

Im Endeffekt ist der Verteidiger heute wohl Element der Kontrolle und Skepsis. Der Gesetzgeber hat sich entschieden Verfahrensgerechtigkeit durch die strengen Formen des Strafprozesses herbeizuführen. Daher ist eine Aufgabe die Kontrolle des Gerichts auf Einhaltung des Verfahrensrechts. Auf der anderen Seite soll er aber die Skepsis in das Verfahren bringen und fragwürdige Schlussfolgerungen und alternative Handlungsabläufe aufzeigen. Dies ist nur dadurch möglich, dass man ihn als konträres Element im Verhältnis zu den anderen Verfahrensbeteiligten sieht.

Meines Erachtens agiert der Strafverteidiger daher als Kontrollinstanz in der Form des "Organs der Rechtspflege" und als Instanz der Skepsis als einseitiger "Interessensvertreter". Der Gesetzgeber hat diesen Konflikt der beiden Extreme dadurch gelöst, dass er das Organ der Rechtspflege unabhängig ausgestaltet hat. Die genaue Einordnung des Strafverteidigers zwischen diesen beiden Polen wird aber ja sehr unterschiedlich gesehen.
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Re: Kanzleien mit schlechtem Ruf?

Beitrag von stilzchenrumpel »

Ich finde, dass hast du treffend dargestellt. So habe ich es auch immer gesehen.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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