Ant-Man hat geschrieben: ↑Freitag 28. Juni 2019, 20:57
Weder § 3 Abs. 1 noch Abs. 2 sprechen von
Arbeitstagen, sondern von
Werktagen. "Streng nach dem Gesetz" (so wie du das forderst) hätte ein Arbeitnehmer also bei einer 3-Tages-Woche 24 Werktrage Urlaub und müsste diese an Werktragen nehmen und damit auch an Tagen, an denen er gar nicht arbeiten muss.
Werktage ist vom Gesetz einfach eine Abkürzung für Montag-Samstag ohne Feiertage, d.h. die Arbeitstage sind eine Teilmenge von Werktagen. Wenn ein AN 24 Werktage Urlaub bekommt, dann können das Arbeitstage sein, müssen es aber nicht. Ein cleverer AN würde natürlich immer Arbeitstage Urlaub machen, aber nach dem Gesetz könnte er den Urlaub auch für arbeitsfreie Werktage nehmen, auch wenn's für ihn persönlich sinnlos schiene.
Swann hat geschrieben: ↑Freitag 28. Juni 2019, 21:32
Der Unsinn, den du schreibst, hat ja noch nichtmal den Charme, originell zu sein; es war ein prägendes Merkmal der naturrechtlichen Kodifikationen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, ein Interpretationsverbot vorzusehen und den Gerichten die Auslegung zu verbieten
Ich habe nie behauptet, irgendwas Originelles zu vertreten. Was ich vertrete ist die natürliche Rechtsstaatsidee, wo ein Staat seinen Bürgern verspricht, sich an seine eigenen Regeln zu halten und dieses Versprechen macht nur unter o.g. Methode Sinn. Dem entspricht die übliche Kommunikationsform des "Was ich sage, meine ich auch". Wer das relativiert oder ablehnt, der rüttelt an den Grundfesten menschlichen Miteinanders. Und so ist die Wertungsjurisinsania auch inhärent unrechtsstaatlich und das ist der erste Schritt in ein kriminelles System.
Hat es was genutzt? Natürlich nicht. Schon 1794 war das Leben zu komplex für das Binärjura, das dir vorschwebt. Heute gilt das umso mehr.
Erstens kann man natürlich auch heute mit dem "Binärjura" alle Probleme zufriedenstellend lösen, man könnte zB in eine Verfassungsnorm genau die juristische Methode reinschreiben, die ihr so toll findet - und alles wäre OK (macht natürlich keiner, weil dann jeder wissen würde, dass eure Methode eine etwas aufgepimpte (verschleierte) Willkür ist).
Das Problem der alten Begriffsjuristen war, dass sie nicht abstrahieren konnten oder wollten. An konkreten Lebenssachverhalten orientierte Normen mit einer Begriffsjurisprudenz als Erkenntnismethode bekommen natürlich in einer schnelllebigen Zeit rasch Probleme. Das kann man heute gut lösen: man abstrahiert einfach auf das Wesentliche. Damit würde das BGB ohne Informationsverlust sicherlich von seinen ca. 2300 §§ auf 1500 schrumpfen können. Vor allem aber wäre es immuner gegen schnelllebige Entwicklungen, man sieht ja, wie robust zB die abstrakte Vertragslehre gegen neuere Entwicklungen, wie das Internet, ist.
Der eigentliche Punkt gegen die Wertungsjurisinsania liegt jedoch darin, dass sie mit verdeckten Karten spielt, d.h. sie gibt uns Regeln vor, aber was am Ende als Regel wirklich rauskommt, hat mit diesen vorgegebenen Regeln oft gar nichts mehr zu tun und kann nichtmal mit mehreren Jahren Studium herausgefunden werden. Das ist inhärent irrational und wird natürlich dann auch benutzt, um Leute zu täuschen und betrügen. Hinzu kommt natürlich ihre Unwirtschaftlichkeit durch Unvorhersehbarkeit. Was müssen heute Unternehmen lobbyieren, bestechen oder rücklegen, weil niemand weiß, wie die Rechtslage ist? Begriffsjurispridenz wäre auch hier besser, aber eben nicht für Betrüger, die es von Anfang an darauf anlegen, ihre Opfer täuschen zu wollen, denn die lieben es verworren und unübersichtlich, gell?
Tibor hat geschrieben: ↑Freitag 28. Juni 2019, 21:31
Ich frag mich nur, wie man so als Anwalt arbeiten kann/mag?
So wie man Fremdgehen kann: man weiß, dass es falsch ist, aber pfeifft drauf und macht's trotzdem, weil's einem wichtiger als Integrität ist. Sehr viele Menschen tun Dinge, von denen sie wissen, dass schon in 100 Jahren ihre Nachfahren sie dafür verfluchen werden. Ich esse zB Rindfleisch, obwohl ich um den weltweiten Rinderholocaust weiß - Mrd. von Tieren werden und wurden systematisch geschlachtet, damit wir anschließend die überschüssige Energie auf Hometrainern loswerden
- obwohl ich auch darum weiß, dass Rinder die Bewußtseinsebene eines 1-2jährigen erreichen, also ganz "menschlich" Leid und Hoffnung empfinden können. Ist mir scheißegal - und darin liegt der Unterschied: ich gebe es zu und bin wenigstens ehrlich, ihr seid ... Juristen.