Abgebrochene Promotion und suboptimaler Lebenslauf

[Pivo]

Hallo liebes Forum,

ich stehe aktuell vor meiner mündlichen Prüfung im Assessorexamen und mache mir da langsam den einen oder anderen Gedanken, wo es dann in Zukunft hingehen soll. Ich tendiere Richtung GK, weil ich in der Gesamtschau einfach sagen muss, dass mir die GK-Arbeit (in der Anwaltsstation und insbesondere auch während meiner Zeit als WissMit) einfach am meisten Spaß bereitet hat.

Noten sollten es grundsätzlich bei einer vernünftigen Mündlichen auch ermöglichen. Im Ersten waren es 10,41 Punkte, wobei es im staatlichen Teil nur ein "Gnadenprädikat" mit 9,02 Punkten war. Nach den Schriftlichen stehe ich im Zweiten bei knapp über 7 Punkten. Mit einer vernünftigen Mündlichen (zählt hier 40%) könnte die Acht vor dem Komma drin sein und so ganz habe ich den Traum vom Prädikat noch nicht aufgegeben. Auslandserfahrung habe ich gerade (allerdings erstmals) in der Wahlstation gesammelt (Osteuropa).

Allerdings sehe ich noch ein dickes Hindernis: meinen Lebenslauf. Ich bin schon 30 Jahre alt. Zunächst habe ich eine Schulklasse wiederholt, ein FSJ absolviert und war auch insgesamt 12 Semester an der Uni. Darüber hinaus hatte ich eine Promotion angefangen, die sich aber mit der Zeit im Sande verlaufen hat (vor allem starke Kontroversen mit dem Doktorvater; Thema aufschwatzen lassen, was mir selbst überhaupt nicht zugesagt hat; viel zu viel Arbeit neben der Promotion etc.). Für die Promotion gingen in Summe noch einmal zwei Jahre flöten ohne Ergebnis.

Das ist natürlich insgesamt recht katastrophal, aber auf der "Haben-Seite" stehen auch insgesamt 20 Monate wissenschaftliche Mitarbeit in zwei GKen. Beides Londoner Häuser, die auch sehr zufrieden mit mir waren (soweit ich das beurteilen kann). Vor allem in einer Kanzlei durfte ich sehr tief eintauchen, ein langes gesellschaftsrechtliches Mandat begleiten und dort teilweise auch eigenständig an "Calls" teilnehmen oder bisweilen "unbeaufsichtigt" Mails an Externe schreiben (jeweils Englisch, falls relevant). Das war am Ende auch ein Teil des Problems, weil ich dort ohnehin schon vier Tage pro Woche gearbeitet habe und darüber hinaus irgendwann meine Smartphone-Mail-App bekommen habe, mit welcher ich dann auch in der Freizeit auf Kanzlei-Mails zugreifen konnte bzw. voll erreichbar war. Für mich war das damals nicht so tragisch, weil mir die Arbeit einfach extrem Spaß gemacht hat und ich die nervige Promotion so schön verdrängen konnte. Im Ref war ich auch in der Anwaltsstation in der Kanzlei und das Zeugnis ist auch gut (wobei es wohl auch die Regel ist dort ein "Gut zu bekommen", wenn man nicht ein kompletter Volldepp ist).

Ich habe das Gefühl, dass die abgebrochene Diss in Kombination mit dem sonstigen Lebenslauf (Alter, Klasse wiederholt, Studiendauer) eher das Bild eines Faulenzers und wenig zielstrebigen Mitarbeiters nahelegen.

Wie wichtig ist generell der Lebenslauf neben den Noten? Kann "Erfahrung" als WissMit/Referendar überhaupt nützlich sein oder gar was ausbügeln?
Würdet ihr bei einem potentiellen Gespräch eher mit offenen Karten bzgl. der Diss spielen oder lieber auf die Karte "ist noch in der Mache, hängt nur gerade" setzten, um es nicht zu schlimm aussehen zu lassen.

Ich würde mich über Tipps oder eine Einschätzung freuen!

Beste Grüße

[Mia]

Mit dem Lebenslauf sind noch einige was geworden, ich würde ihn auch kaum als katastrophal beschreiben. Stell dein Licht nicht so unter den Scheffel und sei etwas selbstbewusster. Ich kenne mehr als zwei Leute, die ihre Promotion abgebrochen haben. Lügen würde ich nicht. Du kannst mit offenen Karten spielen, eine abgebrochene Diss ist jetzt auch kein Schandmal, das du für immer und ewig tragen wirst. Auch 30 ist kein Alter. Etwas Haltung und das wird schon.

[McLawster]

Kann Mia nur beipflichten.
Im Rahmen meiner Bewerbungsverfahren habe ich auch von meinen Gesprächs- (und teilweise Kanzlei-) Partnern ohne Dr. mehr als einmal gehört, dass sie eine Promotion angefangen hätten. Wichtig ist halt, wie Du es verkaufst. Der Durchschnitt studiert (meine ich) etwa 11 Semester, also sind 12 völlig im Rahmen. Hast du ggf. was während des Studiums gemacht (gearbeitet, Fachschaft etc.)? Dann lässt sich das ja noch besser darstellen. "Gnadenprädikat" hab ich noch nie gehört (ist das echt "a thing"?). Entscheidend ist doch, dass man dich letztlich auf diese Note heben wollte. Man hätte es auch lassen können.
Zu den 2 Jahren als WissMit kann ich wenig sagen, ich habe jetzt 10 Monate hinter mir und da hat in keinem Gespräch jemand gestutzt.

Für die mündliche alles Gute!! Ich bin von ca. 7 im Schriftlichen am Ende bei 10 gelandet, also möglich ist alles (vieles).


Nur Mut und Selbstbewusstsein, es scheint so, als könntest Du es Dir erlauben

[Pivo]

Vielen Dank für eure Rückmeldungen! Ich werde jetzt tatsächlich erst einmal alles auf die Mündliche fokussieren und euren Rat beherzigen, das ganze recht offen anzugehen. Ich glaube diese ganze Examensphase mit dieser Notenfixierung macht einen einfach nur fertig

Wichtig ist halt, wie Du es verkaufst. Der Durchschnitt studiert (meine ich) etwa 11 Semester, also sind 12 völlig im Rahmen. Hast du ggf. was während des Studiums gemacht (gearbeitet, Fachschaft etc.)?

Ich habe freiwillig (da ein großes Interesse vorhanden war) viele Veranstaltungen aus dem Grundlagen-Schwerpunkt (vor allem Rechtsgeschichte/Rechtstheorie) besucht, kann das aber nicht wirklich nachweisen (da keine Leistungsnachweise). Würde es aber trotzdem ansprechen, wenn es zur Sprache kommt. Generell habe ich den Schwerpunkt nach dem staatlichen Teil absolviert und den staatlichen Teil im eigentlichen Rahmen nach 9 Semestern abgeschlossen.

[Achim]

Wie geht das denn?

[Pivo]

Wie geht das denn?

Ist in Niedersachsen möglich bzw. war es zumindest noch, als ich mein Examen dort abgelegt habe. Ist glaube ich auch noch in anderen Bundesländern vorgesehen, bin mir da aber nicht ganz sicher.

[McLawster]

Ja, in NRW machen das auch viele

[Fyrion]

Mit dem Lebenslauf sind noch einige was geworden, ich würde ihn auch kaum als katastrophal beschreiben. Stell dein Licht nicht so unter den Scheffel und sei etwas selbstbewusster. Ich kenne mehr als zwei Leute, die ihre Promotion abgebrochen haben. Lügen würde ich nicht. Du kannst mit offenen Karten spielen, eine abgebrochene Diss ist jetzt auch kein Schandmal, das du für immer und ewig tragen wirst. Auch 30 ist kein Alter. Etwas Haltung und das wird schon.

Eben, ich verstehe das Drama nicht. Bei uns laufen haufenweise Leute rum, die ihre Diss abgebrochen haben, teilweise auch erst nach ein paar Jahren. Bei uns am Lehrstuhl ist auch nur ca. 1/3 letztlich promoviert worden und die sind alle in GKs oder ins Richteramt abgezischt. Das einzige was interessiert, sind die beiden Noten und auch die nicht mehr so sehr wie noch vor 10 Jahren. Ich würde mal behaupten, du gehörst für die meisten GK mit 2 VB zu der absoluten Sahnespitze der Bewerber. Es ist für viele schon schwer genug Kandidaten mit 2 sauberen VB zu finden (und VB sollte dein Ziel für das zweite Examen sein, mit über 7 in der Schriftlichen ist das absolut drin!)

Also insg. #2 bitte mal nicht so viel Kopf machen, der Arbeitsmarkt, gerade für GKs, ist gerade ein Träumchen. Und selbst wenns "nur" 8 werden im zweiten Examen, garantiere ich dir, dass du in weniger als 4 Wochen in einer GK bist, wenn du örtlich flexibel bist, eher in 2.