Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

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surcam
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von surcam »

Omnimodofacturus hat geschrieben: Donnerstag 16. April 2020, 19:49 Die Aussage, dass die Regulierungsdichte über die Jahre stetig abgenommen habe, würde ich aber doch skeptisch sehen. Verrgaberecht nur als Beispielist ein hochreguliertes Rechtsgebiet, das es für 40 Jahren im Prinzip überhaupt nicht gab.
Atropos meint wohl eher die Regulierungsdichte für die private Wirtschaft. Das Vergaberecht ist ja eher das Recht des Staates, wie er seine Vertragspartner zu finden hat. Das gibt es übrigens schon seit fast 100 Jahren (1923: § 46 RHO; 1926: VOB; 1936: VOL). Und die dort niedergeschriebenen Prinzipien findet man noch immer vor.
Brainiac
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Brainiac »

Naja. Gerade die Regulierungsdichte in der Privatwirtschaft ist ja stetig steil gestiegen, ein Beispiel sind nur Dokumentations- und Informationspflichten, die so vor 40 Jahren absolut undenkbar (mangels Digitalisierung auch absolut praxisfern, da nicht machbar) waren.
Einen besonderen Anstieg hat aber jedenfalls die Regulierungskomplexität, zum Einen durch das Zusammenspiel von nationalem und europäischem Recht (teils absurde Verweisungsketten von einer nationalen Norm schrittweise auf zwei weitere, von dort dann auf eine EU-VO, von dort auf eine Deleg. VO) sowie entsprechenden nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden und zum Anderen durch globale Tätigkeit erfahren.

Ich würde darauf tippen, dass v. a. letzterer Umstand zum Niedergang der Juristen an den Konzernspitzen geführt hat. Bei einem Unternehmen mit Tätigkeit in 100 Jurisdiktionen ist es einfach weniger sinnvoll, jemanden an die Spitze zu setzen, der weiß, wie das Recht in einer davon aussieht, als jemanden zu nehmen, der weiß, wie Wirtschaft (BWLer) oder das Kerngeschäft (Techniker) - da im Grunde universell - in allen funktionieren.
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Atropos
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Atropos »

Mit ,,Regulierungsdichte" habe ich etwas verkürzt ein Schlagwort in den Raum geworfen - ich erinnere mich aber auch nicht mehr im Detail an den Aufsatz :) Aber ich glaube, das ging eher in die Richtung ,,Big Bang im Londoner Finanzmarkt --> Gesteigerte Bedeutung der Kapitalmärkte --> Geringere Bedeutung von Darlehen durch staatliche Banken" und eben die ganze Privatisierungswelle von Staatsunternehmen. Letzteres ist natürlich kein Regulierungspunkt, aber viele heutige Privatunternehmen (Lufthansa, Frankfurter Flughafen, E.On, Post, Telekom etc...) waren früher schlicht Staatsbetriebe, da ist natürlich der staatliche Einfluss zurückgegangen.

Klar zu beobachtende Verschärfungen in Bereichen wie Vergaberecht oder europäischem Beihilfenrecht führen ja eher dazu, dass der Einfluss der staatlichen Stakeholder abnimmt? Zum Beispiel über Indien habe ich gelesen (James Crabtree: The billionaire raj, sehr spannendes Buch!), dass es viele ,,Unternehmer" gibt, deren größte Fähigkeit darin besteht, staatliche Kredite und Konzessionen zu bekommen. Klar hat der Staat auch in Europa noch riesigen Einfluss, aber z.B. wertvolle Mobilfunklizenzen etc. werden doch regelmäßig versteigert und nicht bilateral außerhalb eines Ausschreibungsverfahrens vergeben. Und die Bedeutung der Landesbanken ist definitiv zurückgegangen, seit es keinen rechtlich verbindliche staatliche Ausfallhaftung (Anstaltslast und Gewährträgerhaftung) mehr gibt. Klar wurden die in der Finanzkrise dann faktisch trotzdem alle mit staatlichen Geldern gerettet, aber das musste dann durch die EU-Beihilfekontrolle und z.B. die NRW Landesbank wurde am Ende sogar abgewickelt.

Wenn wegen Vergaberecht keine staatlichen Aufträge mehr unter der Hand zum Freundschaftspreis, sondern über europaweite Ausschreibungen vergeben werden müssen oder dank Beihilferecht der Staat nicht mehr beliebig subventionieren darf (Konkretes Beispiel: Regionalflughäfen, lange nicht im Anwendungsbereich Beihilferecht --> EuGH-Urteil --> Heute ständiges Beihilfe-Thema), führt die zunehmende Regulierung ja eher dazu, dass die Bedeutung der (national) staatlichen Stellen abnimmt?

@ Brainiac: Ja, die Globalisierung ist auch ein guter Punkt. Aber ich erhoffe mir ja gerade, dass der staatliche Einfluss dazu führt, dass die Dinge zugunsten der Juristen weniger ,,sinnvoll" werden ;)
Brainiac
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Brainiac »

Weitere Vermutung: Juristen dürften auch davon überproportional profitiert haben, wenn und weil inhaber(familien)geführte Unternehmen, was ja auch die ganz großen waren, in Fremdgeschäftsführung übergeben wurden. Sie waren einfach zuvor schon häufiger als "rechte Hand" tätig, die sodann als generalistischer Sachwalter installiert werden konnte.
Mit zunehmender Spezialisierung der Unternehmen wird es aben auch zunehmend wichtiger, dass der Chef das Kernbusiness versteht. Daher überrascht es wenig, dass wir zur Zeit den "Niedergang" der Ökonomen und den Aufstieg der Techniker erleben.

Dahr würde ich nicht zu sehr auf eine Verstaatlichungswelle und damit verbundene Renaissance von Juristen-CEOs hoffen, deren Ticket dann ohnehin weniger im Examenszeugnis als im Parteibuch liegen dürfte.
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Fyrion
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Fyrion »

Die Diskussion ist eh höchst theoretisch, da niemand plant Unternehmen dauerhaft zu verstaatlichen. Es soll so schnell wie möglich nach der Krise umfassend reprivatisiert werden. Profitieren können davon im ersten Schritt vor allem die Beihilfe- und Vergaberechtler (und der übrige Privatisierungsbereich um Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Arbeitsrecht usw.)
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Backstubentaler »

Aus Sicht des Unternehmens ist der Jurist in der Regel ein teurer Spezialist. Bis jemand aus anderen Bereichen soviel verdient wie der einfache Unternehmensjurist, muss er häufig schon nennenswerte Personalverantwortung haben.
Atropos
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Atropos »

Fyrion hat geschrieben: Sonntag 19. April 2020, 22:24 Die Diskussion ist eh höchst theoretisch, da niemand plant Unternehmen dauerhaft zu verstaatlichen. Es soll so schnell wie möglich nach der Krise umfassend reprivatisiert werden. Profitieren können davon im ersten Schritt vor allem die Beihilfe- und Vergaberechtler (und der übrige Privatisierungsbereich um Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Arbeitsrecht usw.)
Hoffen wir mal, dass es so kommt (schnelle Reprivatisierung), staatliche Beteiligungen sind schon ein kritischer Eingriff. Das Beispiel Commerzbank zeigt aber, dass es gar nicht so leicht ist, aus so einer Beteiligung wieder rauszukommen, der Staat ist ja heute noch größter Aktionär.
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