Es geht ja zunächst nicht darum, was "besser" ist, sondern was zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit und was nicht; und dann erst in zweiter Linie, was Inhalt dieser Äußerung ist. Da liegen die Unterschiede.Strich hat geschrieben: ↑Montag 30. November 2020, 11:39Habe jetzt beide Entscheidungen gelesen und gerade 3/20 sorgt bei mir für mehr Fragezeichen als das Antworten geliefert werden. Der Verweis auf die Pensenschlüssel und der diesem entgegengesetze Verweis auf exzessiv überhöhte Strafen scheinen mir beide im Kern unsachlich zu sein. In der Tat wird dem Kollegen am AG mit "esxzessiv überhöht" Rechtsbeugung vorgworfen und dem Kollegen am LG unter Verweis auf den Pensenschlüssel als Kriterium der Strafaussetzung völlig sachfremde Erwägungen. Warum das eine jetzt "besser" sein soll als das andere, weiß ich beim besten Willen nicht. Es ist m.E. beides beanstandungswürdig.
Eine Bewertung der erstinstanzlichen Strafzumessungsentscheidungen durch das Berufungs- oder Reviosionsgericht fällt in diesen Bereich, denn es ist Aufgabe dieser Gerichte, sich mit dem Urteil der ersten Instanz auseinanderzusetzen; zudem hat die Berufungskammer das Ergebnis der Strafzumessung gewürdigt und nicht darüber spekuliert, was das Amtsgericht zur Verhängung der Strafen bewogen hat.
Hingegen ist es weder Teil der Strafzumessung in einem amtsgerichtlichen Urteil, sich mit den Strafzumessungsentscheidungen der übergeordneten Berufungskammer auseinanderzusetzen (weshalb diese Äußerung nichts mit der eigentlichen Rechtsfindung zu tun hat und daher überhaupt erst dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen zugänglich ist), noch hält sich die Spekulation, eine zu milde Strafzumessungspraxis des Berufungsgerichts sei Ausfluss einer übermäßigen Belastung (oder des Wunsches, sich die Arbeit zu erleichtern), noch im Rahmen einer bloßen Bewertung als "unvertretbar hat" oder "unvertretbar milde".
Ähnlich sieht es bei der zweiten Entscheidung aus, bei der ja einiges dafür spricht, dass sie denselben Richter betrifft. Es ist eine Rechtsfrage, ob man sich auf den Standpunkt stellen möchte, dass bei einer Äußerung im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften und der Frage, wann "wir Deutschen" endlich aufwachen, zweifelhaft sein kann, was mit der Bemerkung "Ich spende das Benzin!"gemeint sein könnte, zumal die Angeklagte geschrieben haben soll, sie bringe den Brandbeschleuniger mit, oder dass in Zweifel steht, gegen wen sich diese Äußerungen richten. Die Beurteilung der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und die Eröterung der Frage, ob diese den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, hat aber in einem Strafurteil nichts mehr zu suchen, hat keinen Bezug zu der Rechtsfindung und ist völlig unangebracht.
Ein (Straf-)Urteil ist nicht der Ort, sich über seine allgemeinen persönlichen politischen oder weltanschaulichen Auffassungen zu verbreiten oder kundzutun, was man so von seinen Kollegen hält.