Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

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OJ1988
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von OJ1988 »

Aus Sicht des Arbeitsmarktes ist es Sinn und Zweck der Staatsexamina, Leistungs- und Befähigungsunterschiede zwischen den Prüflingen abzubilden. Wenn seit 2005 ein erheblicher Leistungssprung stattgefunden hat (was ich bezweifle), so dass der heute im relativen Vergleich eher schlechte Jurist damals zu den guten gezählt hätte, wäre es geradezu falsch, die gleichen Klausuren wie 2005 zu stellen (da dann die Prädikatsquote bei 80-90% läge).
Theopa
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Theopa »

Seeker hat geschrieben: Sonntag 10. Januar 2021, 13:21 Der Notenschnitt sagt nichts über die Qualität und Sinnhaftigkeit der Aufgabenstellung aus. Bei einer relativen Benotung wird immer ein ähnlicher Schnitt herauskommen. Auch bei einer schlecht gestellten Klausur mit unklarer Fragestellung oder 40 Seiten Sachverhalt wirst du bei relativer Benotung den selben Schnitt haben. Das heißt aber nicht, dass es eine sinnvolle Klausur ist. Ähnlich ist auch die Frage der Sinnhaftigkeit von Revisions- und Kautelarklausuren losgelöst von deren Benotung.
Eine Klausur muss aber auch nicht deshalb gut sein, da sie mit 6 Seiten Sachverhalt (oder noch weniger, hatte ich auch schon) auskommt. Das Problem ist, dass wir keinen neutralen Punkt haben von welchem aus man über "zu viel" oder "zu wenig" sprechen könnte. Vielleicht waren die Klausuren in den letzten 40 Jahren auch einfach viel zu kurz und die Klausurtypen zu einseitig und vorhersehbar?

Ist es nicht eher der absolute Normalfall als Jurist 40 Seiten zu lesen und dann drei zu schreiben? Wann bekommt man denn zehn Seiten Papier vorgesetzt und schreibt dann einen Schriftsatz über 35 Seiten? Wieso also nicht einmal eine Klausur, in welcher man erst 2-3 Stunden die Schriftsätze von drei Beklagten und einem Streitverkündeten (jeweils 10-15 Seiten) lesen und auswerten muss um dann eine kurze Replik auf 5-10 Seiten zu schreiben? Man braucht ja nicht unbedingt 25 Seiten Reinschrift um bei den Noten differenzieren zu können, wenn man viele Aspekte/Probleme einstreut auf die man kurz und knapp (wieder eine juristische "Tugend") reagieren kann und muss.
Seeker
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

OJ1988 hat geschrieben: Sonntag 10. Januar 2021, 14:36 Aus Sicht des Arbeitsmarktes ist es Sinn und Zweck der Staatsexamina, Leistungs- und Befähigungsunterschiede zwischen den Prüflingen abzubilden. Wenn seit 2005 ein erheblicher Leistungssprung stattgefunden hat (was ich bezweifle), so dass der heute im relativen Vergleich eher schlechte Jurist damals zu den guten gezählt hätte, wäre es geradezu falsch, die gleichen Klausuren wie 2005 zu stellen (da dann die Prädikatsquote bei 80-90% läge).
Wobei der Zweck der Examina doch primär vom Gesetz- oder Verordnungsgeber vorgegeben wird, nicht vom Arbeitsmarkt. Ich bestreite nicht, dass die juristische Notengebung in der Praxis ihre Vorteile hat (gewisse Aussagekraft der Noten, keine Noteninflation, geringere Bedeutung willkürliche weicher Kriterien usw), aber ihre rechtliche Grundlage ist doch eher dürftig. Nach den rechtlichen Vorgaben wird die Befähigung zum Richteramt geprüft, was eher einen absoluten Maßstab darstellt, keinen relativen. Auch die Noten orientieren sich nach ihrer Beschreibung nicht an den durchschnittlichen Fähigkeiten (relativ), sondern an den Anforderungen (absolut).

Abgesehen davon gibt es eben mehrere Möglichkeiten (soweit erforderlich), Klausuren anspruchsvoller zu machen, auch überwiegend innerhalb des bisherigen (sehr umfangreichen) Prüfungsstoffes. Es gibt ja auch jetzt viele gut gestellte Klausuren, welche ein reguläres Grundgerüst haben, im Detail aber sehr schwierig sind und so eine Notendifferenzierung erlauben.

Die Erweiterung um ganz neue Aufgabenstellungen, wie Revisionsklausuren (und mE auch Kautelarklausueren), hat dagegen viele negative Effekte:
- es werden noch mehr Details und Besonderheiten auswendig gelernt, die Grundlagen stattdessen eher vernachlässigt
- Zufallswissen wird noch wichtiger (mehr Kandidaten lernen wegen der Stoffmenge auf Lücke oder oberflächlicher)
- Prüferwillkür gewinnt an Bedeutung (wenn niemand den Aufgabentyp richtig beherrscht, beruht die Notenverteilung zT weniger auf den Fähigkeiten und mehr auf dem Glück, dass ein wohlwollender Korrektor die eigenen Fehler weniger stark gewichtet)
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von thh »


Seeker hat geschrieben: Die Erweiterung um ganz neue Aufgabenstellungen, wie Revisionsklausuren (und mE auch Kautelarklausueren), hat dagegen viele negative Effekte:
- es werden noch mehr Details und Besonderheiten auswendig gelernt, die Grundlagen stattdessen eher vernachlässigt
Ist das nicht vielmehr ein positiver Effekt, weil er diejenigen belohnt, die eben nicht alles auswendig zu lernen versuchen, und damit besser das prüft, was das Examen prüfen soll?
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

Nein, weil die neuen Aufgabentypen sich ja wiederholen (Kautelar seit einigen Jahren, Berufung seit wenigen Jahren, Revision seit 2020 2x) und derjenige, der zumindest die Formalien, den Obersatz und das Prüfprogramm kennt, einen riesigen Vorteil hat. Schon, weil die Aufgabenstellung ihn weniger schockt.

Sinnvoller wäre es, eine bekannte Aufgabenstellung (Urteil, ersinstanzlicher Schriftsatz) zu wählen, aber in deren Rahmen Bekanntes miteinander sowie Unbekanntem (materiell oder prozessuale Probleme) zu kombinieren und so eine Transferleistung zu verlangen. Wenn man das in immer neuen, abweichenenden Konstellationen macht, wird nicht das Auswendiglernen neuer Prüfungsschemata oder -maßstäbe (Revision, Kautelar) gefördert.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von OJ1988 »

Du kritisierst also ernsthaft, dass der, der mehr Zeit in die Vorbereitung steckt, auch besser abschneidet?
Seeker
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

Seeker hat geschrieben: Sonntag 10. Januar 2021, 15:18
Die Erweiterung um ganz neue Aufgabenstellungen, wie Revisionsklausuren (und mE auch Kautelarklausueren), hat dagegen viele negative Effekte:
- es werden noch mehr Details und Besonderheiten auswendig gelernt, die Grundlagen stattdessen eher vernachlässigt
- Zufallswissen wird noch wichtiger (mehr Kandidaten lernen wegen der Stoffmenge auf Lücke oder oberflächlicher)
- Prüferwillkür gewinnt an Bedeutung (wenn niemand den Aufgabentyp richtig beherrscht, beruht die Notenverteilung zT weniger auf den Fähigkeiten und mehr auf dem Glück, dass ein wohlwollender Korrektor die eigenen Fehler weniger stark gewichtet)
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