Argumente anordnen

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Justinian98
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Argumente anordnen

Beitrag von Justinian98 »

Hallo,

momentan schreibe ich eine Hausarbeit im Zivilrecht und ich stoße mal wieder auf das Problem des richtigen Aufbaus. Konkret komme ich zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, wenn ich die Argumente (wie überall empfohlen) nach folgendem Schema aufbaue:

Stellungnahme:
Ansicht 1
Argument 1
Argument 2
...
Ansicht 2
Argument 1
Argument 2
...

Das Problem ist, dass sich die Argumente der Ansichten jeweils aufeinander beziehen und nicht gänzlich abstrakt voneinander zu betrachten sind. Zu einem Großteil stützen die Argumente die Ansicht nicht direkt, sondern sind lediglich Gegenargumente. Das führt zwangsläufig dazu, dass ich zunächst ein reines Gegenargument nenne, weil dieses von Ansicht 1 vertreten wird, und erst im Anschluss bei den Argumenten zu Ansicht 2 das "Hauptargument" nenne, auf welches sich zuvor bezogen wurde.
Dementsprechend wäre folgender Aufbau doch logischer und einfacher zu lesen:

Argument 1 (Ansicht 1)
Gegenargument 1 (Ansicht 2)
Gegenargument 2 (Ansicht 2)

Argument 2 (Ansicht 1)
Gegenargument 1 (Ansicht 2)
...

Ich hoffe, ihr versteht, worauf ich hinaus möchte. Sollte es so einen Forumsbeitrag bereits geben, könnt ihr mich gerne weiterleiten. Ansonsten würde ich mich freuen, wenn mir jemand sagen kann, ob der zweite Aufbau auch in Ordnung ist. ::roll:

Liebe Grüße,
Jan
Sebast1an
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Sebast1an »

Der zweite Aufbau ist nicht nur in Ordnung, sondern vorzuziehen.
Ich bin auch nur ein Mensch. Genauso wie ein Weißer Hai auch nur ein Fisch ist. (Zlatan Ibrahimović)
Seeker
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Seeker »

Häufig bietet sich die folgende Vorgehensweise an:

"Problematisch erscheint allerdings, ... (z.B. wie Begriff X auszulegen ist). Während manche vorschlagen... (nur den Vorschlag, keine Einzelargumente, Fn.: Belege für tvA/MM), wollen andere... (wiederum nur die Gegenansicht, Fn.: Belege für AA/hM)."

Und dann sämtliche Argumente im Rahmen der gängigen Auslegungsmethoden einzubauen (Wortlaut-Systematik-Geschichte-Telos):

"Für die zunächst genannte Auffassung spricht auf den ersten Blick der Wortlaut der Norm. Denn... Andererseits... Gestützt wird die überwiegende Ansicht auch durch die Gesetzessystematik..."
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Tibor
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Tibor »

Seeker hat geschrieben:Häufig bietet sich die folgende Vorgehensweise an:

"Problematisch erscheint allerdings, ... (z.B. wie Begriff X auszulegen ist). Während manche vorschlagen... (nur den Vorschlag, keine Einzelargumente, Fn.: Belege für tvA/MM), wollen andere... (wiederum nur die Gegenansicht, Fn.: Belege für AA/hM)."

Und dann sämtliche Argumente im Rahmen der gängigen Auslegungsmethoden einzubauen (Wortlaut-Systematik-Geschichte-Telos):

"Für die zunächst genannte Auffassung spricht auf den ersten Blick der Wortlaut der Norm. Denn... Andererseits... Gestützt wird die überwiegende Ansicht auch durch die Gesetzessystematik..."
Genau so. Ggf die Einleitung auch noch konkret am zu prüfenden Tatbestandsmerkmal, um dessen Auslegung es einen „Streit“ gibt. Also Ggf so...

„Ob X eine Vormerkung gutgläubig... hängt davon ob, ob man mit der h.M. davon ausgehen kann, dass ... oder ob eher ...“

Dann wie eben dargestellt.
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von OJ1988 »

Argumente nach Meinungen zu ordnen wirkt hart auswendig gelernt.
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Tibor
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Tibor »

Das erkennt man ja an 90% aller Darstellungen zum ETBI. Da wird genau so runtergespult, oftmals ohne zu erkennen, dass alle halbwegs vertretbaren Auffassungen zum gleichen Ergebnis kommen.
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von OJ1988 »

Tibor hat geschrieben: Dienstag 16. Februar 2021, 08:42 Das erkennt man ja an 90% aller Darstellungen zum ETBI. Da wird genau so runtergespult, oftmals ohne zu erkennen, dass alle halbwegs vertretbaren Auffassungen zum gleichen Ergebnis kommen.
Wobei dieser "Streit" - ähnlich wie "Prüfungsrecht des Bundespräsidenten" oder andere juristische Folklore - selbst beim Prüfer als vorgefertigte Stanze im Kopf vorhanden ist. Den würde ich dann auch einfach so "abladen", ohne mich - am besten noch: erstmals in der Examensklausur - zu fragen, unter welchem Rubrum (Wortlaut, Systematik, Historie, Telos) denn nun die eingeschränkte rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie zu bringen ist. Insoweit muss ich meine Aussage von oben einschränken.
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Strich
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Strich »

Seeker hat geschrieben: Montag 15. Februar 2021, 18:28 Häufig bietet sich die folgende Vorgehensweise an:

"Problematisch erscheint allerdings, ... (z.B. wie Begriff X auszulegen ist). Während manche vorschlagen... (nur den Vorschlag, keine Einzelargumente, Fn.: Belege für tvA/MM), wollen andere... (wiederum nur die Gegenansicht, Fn.: Belege für AA/hM)."

Und dann sämtliche Argumente im Rahmen der gängigen Auslegungsmethoden einzubauen (Wortlaut-Systematik-Geschichte-Telos):

"Für die zunächst genannte Auffassung spricht auf den ersten Blick der Wortlaut der Norm. Denn... Andererseits... Gestützt wird die überwiegende Ansicht auch durch die Gesetzessystematik..."
(Fast) genau so!

Ein wichtiger Schritt wird immer übersehen (im Beispiel):
"Problematisch erscheint allerdings, ... (z.B. wie Begriff X auszulegen ist). Während manche vorschlagen... (nur den Vorschlag, keine Einzelargumente, Fn.: Belege für tvA/MM)..., A hat nach dieser Ansicht keinen besonders verwerflichen Vertrauensbruch begangen und damit nicht heimtückisch gehandelt. Andere verlangen demgegenüber (wiederum nur die Gegenansicht, Fn.: Belege für AA/hM). A hat hiernach in feindlicher Willensrichtung und damit heimtückisch gehandelt."

So spart man sich den hölzernen Satz: Ein Streitentscheid ist daher erforderlich.
Irgendwo muss aber unterkommen, dass der Streit auch Auswirkungen auf die weitere Prüfung hat, statt dahinstehen zu können.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von OJ1988 »

Hier würden jetzt “manche“ einwerfen, dass ein Verweis auf in realiter vertretene Meinungen gar nicht ginge, weil stets so zu tun sei, als habe der Bearbeiter die Rechtsfrage selbst entdeckt und gelöst.
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Seeker »

OJ1988 hat geschrieben: Dienstag 16. Februar 2021, 14:15 Hier würden jetzt “manche“ einwerfen, dass ein Verweis auf in realiter vertretene Meinungen gar nicht ginge, weil stets so zu tun sei, als habe der Bearbeiter die Rechtsfrage selbst entdeckt und gelöst.
Würde ich auch im Examen (anders vielleicht im Strafrecht) so sehen. Im Examen habe ich fast nie irgendwelche Meinungen erwähnt.

Mein obiger Vorschlag bezog sich auf Hausarbeiten, wo es manche wiederum gekünstelt fänden, die vorhandenen Ansichten im Text gänzlich zu verschweigen, obwohl man sie in den Fn. zitiert.

Aber das ist natürlich alles zum Teil sehr subjektiv.
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Strich »

So hatte ich dein Zitat auch verstanden. In der Klausur ist der Verweis auf "Meinungen" tatsächlich schwierig ^^

Der Bearbeiter soll auch nicht "so tun" als entwickle er die Ansicht gerade selbst, sondern soll juristisches Handwerkszeug anwenden.
Daher muss er die Meinungen eben aus dem Gesetz und nicht (wie in der Hausarbeit) aus dem Kommetar herleiten.
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Sektnase »

Strich hat geschrieben: Dienstag 16. Februar 2021, 14:28 So hatte ich dein Zitat auch verstanden. In der Klausur ist der Verweis auf "Meinungen" tatsächlich schwierig ^^

Der Bearbeiter soll auch nicht "so tun" als entwickle er die Ansicht gerade selbst, sondern soll juristisches Handwerkszeug anwenden.
Daher muss er die Meinungen eben aus dem Gesetz und nicht (wie in der Hausarbeit) aus dem Kommetar herleiten.
Und wenn er richtig gut ist, leitet er das schön her UND trifft dabei auch die Ansicht des BGH. Wohl also dem, der nur so tut, als leite er irgendwas aus dem Gesetz ab :D
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Argumente anordnen

Beitrag von Strich »

Da ich die Ansicht des BGH meist selbst nicht en detail kenne, juckt mich das eher weniger. Da die Ansicht des BGH aber meist gut begründet ist, überzeugt sie auch beim Lesen. Du hast aber natürlich völlig recht: Genau das ist das Problem der Klausuren. Geprüft wird damit im Ergebnis nur zu einem geringen Teil das juristische Handwerkszeug, weil derjenige, der stumpf den BGH auswendig lernt auch ohne juristisches Handwerkszeug gute Punkte erreichen kann. Man kann seine Klausur nämlich nur dann von den Leuten mit guten Handwerkszeug unterscheiden, wenn er Probleme erkennt, die in der Klausur nicht existieren. Und selbst dann schneidet er im Schnitt noch besser ab, als derjenige, der mit Handwerkszeug versucht, die Abgrenzung Raub/räuberische Erpressung herzuleiten.
Aber diese Kritik hatten wir hier im Forum schon mal.
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