Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2278
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von Strich »

Kann ein Richter auf Probe im ersten Jahr Bewährungssachen übernehmen, die zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehörten (§ 29 Abs. 1 GVG)?
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
batman
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8287
Registriert: Donnerstag 29. April 2010, 12:06
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von batman »

Das Schöffengericht ist zwar gem. § 462a Abs. 2 StPO als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Es entscheidet gem. § 30 Abs. 2 GVG aber ohne die Schöffen. Insoweit führt niemand den Vorsitz. Der von § 29 I 2 GVG verfolgte Zweck, wonach ein Kollegialspruchkörper von einem Richter mit einem Mindestmaß an Erfahrung geleitet werden soll, ist hier also nicht einschlägig.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2278
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von Strich »

batman hat geschrieben: Montag 15. März 2021, 20:30 Das Schöffengericht ist zwar gem. § 462a Abs. 2 StPO als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Es entscheidet gem. § 30 Abs. 2 GVG aber ohne die Schöffen. Insoweit führt niemand den Vorsitz. Der von § 29 I 2 GVG verfolgte Zweck, wonach ein Kollegialspruchkörper von einem Richter mit einem Mindestmaß an Erfahrung geleitet werden soll, ist hier also nicht einschlägig.
Mit der Begründung, es führe niemand den Vorsitz, wenn keine Schöffen dabei seien, könnte demnach auch ein Proberichter außerhalb der Hauptverhandlung tätig werden. Man könnte dann vom ersten Tag an dem Proberichter Ls Sachen zuweisen. Er müsste sie halt alle für in ein Jahr terminieren.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
batman
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8287
Registriert: Donnerstag 29. April 2010, 12:06
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von batman »

Was spricht denn aus Deiner Sicht dagegen, ihm die Bewährungsüberwachung für Ls-Urteile zu übertragen? Ich meine normative Gründe, nicht "es fehlt die Erfahrung".
Ein Proberichter kann übrigens als Einzelrichter der StVK entscheiden (§ 78b I Nr. 2 GVG; vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1982, 301). M.W. gibt es keine Vorschrift, die ihm dies im ersten Jahr verbietet.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2278
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von Strich »

Es spricht dagegen, dass er den Vorsitz eines Schöffengerichts nicht führen darf, § 29 Abs. 1 S. 2 GVG, das aber außerhalb der Hauptverhandlung bei BwR-Ls Sachen täte.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von Blaumann »

Stimme Strich zu. Gemäß § 29 Abs. 1 GVG besteht das Schöffengericht aus dem Vorsitzenden und zwei Schöffen. Der Vorsitzende darf kein Ersti sein. Wie soll man systematisch dazu kommen, dass diese Besetzungsvorschriften für die Entscheidungen des Schöffengerichts gemäß § 30 Abs. 2 GVG keine Gültigkeit haben sollen?

Dass der Ersti an anderer Stelle in anderer Funktion weiterreichende Entscheidungskompetenzen haben kann, ist zwar in der Tat merkwürdig, aber eindeutig der Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Regelungen zu Entscheidungen durch den Proberichter geschuldet. Die Kommentierung (Beck-OK GVG, § 29 Rn. 4) beschreibt den kuriosen Sachverhalt, dass der Proberichter im ersten Jahr vertretungsweise den Vorsitz der Berufungskammer im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Schöffengerichts führen kann (OLG Rostock NStZ 2020, 242).

Unabhängig von der Verhinderung des Proberichters bei der konkreten Entscheidung hätte ich bereits Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des Geschäftsverteilungsplans. Gemäß § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO wird die Entscheidung dem Gericht des ersten Rechtszugs zugewiesen. Ein bloßer "Bewährungrichter", der nach dem GVP nicht an Erkenntnisverfahren mitwirkt, wäre aber gerade kein Gericht des ersten Rechtszugs.
Zuletzt geändert von Blaumann am Dienstag 16. März 2021, 20:53, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
batman
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8287
Registriert: Donnerstag 29. April 2010, 12:06
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von batman »

Dem "Bewährungsrichter" werden ja wohl Ds-Sachen zugewiesen sein, so dass er an Erkenntnisverfahren mitwirkt. § 462a II 1 StPO meint den Spruchkörper, der in erster Instanz entschieden hat, verlangt aber m.E. nicht, dass dieser Spruchkörper derzeit auch noch für andere neu eingehende Erkenntnisverfahren zuständig ist.
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Richter auf Probe im ersten Jahr - Schöffengericht

Beitrag von Blaumann »

batman hat geschrieben: Dienstag 16. März 2021, 18:06 Dem "Bewährungsrichter" werden ja wohl Ds-Sachen zugewiesen sein, so dass er an Erkenntnisverfahren mitwirkt. § 462a II 1 StPO meint den Spruchkörper, der in erster Instanz entschieden hat, verlangt aber m.E. nicht, dass dieser Spruchkörper derzeit auch noch für andere neu eingehende Erkenntnisverfahren zuständig ist.
Meines Erachtens verhält es sich genau umgekehrt. Der Spruchkörper, der in erster Instanz entschieden hat, könnte ja im Einzelfall aufgrund einer Änderung des GVP für die Vollstreckung nicht mehr zuständig sein. Das Gericht des ersten Rechtszuges meint daher das Gericht, das nach dem aktuellen GVP für die Durchführung des Erkenntnisverfahrens zuständig wäre. Und gerade das trifft auf den Strafrichter, dem nur die Bewährungsüberwachung übertragen wird, nicht zu.

Dass der Strafrichter in Nicht-Schöffensachen an Erkenntnisverfahren mitwirkt, ändert nichts daran, dass genau das in Schöffensachen nicht der Fall ist.

Ich lass mich da gern eines besseren belehren, aber auf mich wirkt die Konstruktion zweifelhaft.
Antworten