§ 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Django
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§ 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Django »

Ich habe einen Straftatbestand konstruiert und würde gerne eure Gedanken dazu hören O:)

§ 187b Verbreiten von Falschinformationen

(1) Wer vorsätzlich, mit dem Ziel der Desinformation zu Lasten der öffentlichen Sicherheit, Falschinformationen aufstellt und sodann verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar
"... Ein übermüdeter Beamter, der während der Arbeitszeit einschläft, vom Stuhl fällt und sich dabei die Nase bricht, erleidet einen Arbeitsunfall.."

SG Dortmund, Urteil v. 23.09.1998, Az.: S 36 U 294/97
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Django
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Django »

Gesetzesbegründung: Zunehmend stellen in der Gesellschaft sogenannte "Fake News" ein Problem dar. Sie können größere Bevölkerungsteile verunsichern und sogar politische Wahlen negativ beeinflussen bzw. manipulieren. Fake News setzen die Axt an die Wurzeln der Demokratie an. Der wehrhaften Demokratie müssen Mittel bereitgestellt werden, mit der diese sich gegen die Manipulation des öffentlichen Diskurs zur Wehr setzen kann. Hierbei soll vermieden werden, dass Alltagshandlungen strafbar werden, weswegen der Tatbestand restriktiv zu handhaben ist. 

Prüfungsschemata
§ 187b
I.Tatbestand 
1.) Objektiver Tatbestand 
a) aufstellen und verbeiten von Falschinformationen 
b.) zur Desinformation 
c.) zu Lasten der Öff. Sicherheit 
2.) Subjektiver Tatbestand 
a.) Vorsatz (mind. dolus eventualis) 
II. RW 
III. Schuld 
IV. Ergebnis

Defintionen

aufstellen und verbreiten: jedes aktive und bewusste herstellen und vervielfätigen einer Falschinformation 

Falschinformation: jede Aussage oder Information, die nachweislich unwahr ist, keinerlei Wahrheitsgehalt aufweist und bei gewissenhafter Recherche auch als solche hätte erkannt werden können

zur Desinformation: Wenn der Täter versucht, durch das Verbreiten der Falschinformation einen unwahren Lebenssachverhalt zu erzeugen

öffentliche Sicherheit: Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung
"... Ein übermüdeter Beamter, der während der Arbeitszeit einschläft, vom Stuhl fällt und sich dabei die Nase bricht, erleidet einen Arbeitsunfall.."

SG Dortmund, Urteil v. 23.09.1998, Az.: S 36 U 294/97
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Django
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Django »

Beispiele: 

A behauptet in einer Telegram Gruppe mit 50.000 Followern, die deutsche Bundesregierung möchte die Bürger versklaven und zu Untertanen machen. Ohnehin sei die BRD nur eine GmbH. Polizisten hätten Urlaubssperren erhalten, das wisse A aus sicheren Quellen. Es stehe etwas bevor. Deswegen ruft er dazu auf, dass "alle kommen sollen, um sodann den Reichstag zu stürmen und sich die Macht zurückzuholen". Am nächsten Tag folgen dem Aufruf 4000 Menschen aus der Telegram Gruppe. Sie stürmen gewaltsam den Reichstag, um "Schaden vom deutschen Volk abzuwenden". 

Krankenschwester B versendet eine Whatsapp Sprachnachricht an mehrere Whatsapp Kontakte in der sie behauptet, im Krankenhaus hätten Oberärzte gesagt, sie wüssten, warum es in Italien soviele Todesfälle in der aktuellen Corona Krise gegeben gäbe. Die Patienten hätten nämlich Ibuprofen zu sich genommen. Tatsächlich haben sie dies nie geäußert. Die ersten Empfänger der Sprachnachricht kennen B gut und sind aufgrund des beruflichen Kontexts der B besonders besorgt. Die Sprachnachricht wird millionenfach geteilt. Weder das Krankenhaus, das Unternehmen (Ibuprofen), noch die Bundesregierung können das "Ibuprofen Gerücht" in der heiklen Pandemiesituation aus der Welt schaffen. 

C behauptet alarmistisch bei Facebook, in der Stadt S seien im dortigen Impfzentrum mehrere Menschen nach ihren Corona Schutzimpfungen kollabiert. Er selbst sei Mitarbeiter des Impfzentrums und habe den Misstand melden wollen, sei daraufhin jedoch gekündigt worden. Der Beitrag verbreitet sich aufgrund eines Fotos mit einer bewusstlosen Oma, derart rasant, dass sowohl die Polizei als auch das Impfzentrum sich vor Anfragen kaum noch retten können. Dies führt zu erheblichen Arbeitsbeeinträchtigungen. In der Folgewoche sagen 60% ihre Impftermine ab. Einen Mitarbeiter C hat es im Impfzentrum nie gegeben, ebenso auch keinerlei "Zwischenfälle". 
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Omnimodofacturus »

Jedenfalls in den Beispielsfällen 2 und 3 sehe ich allerdings überhaupt nicht, wie die objektive Rechtsordnung beeinträchtigt wird oder das nur beabsichtigt wäre.


Und in Fall 1 ist mir auch nicht klar, was die Norm ergänzend zu §§ 105 bis 106b StGB (ggf. in Verbindung mit § 111 StGB) an Mehrwert bringt.
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Strich
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Strich »

Django hat geschrieben: Samstag 1. Mai 2021, 20:02
aufstellen und verbreiten: jedes aktive und bewusste herstellen und vervielfätigen einer Falschinformation 

Falschinformation: jede Aussage oder Information, die nachweislich unwahr ist, keinerlei Wahrheitsgehalt aufweist und bei gewissenhafter Recherche auch als solche hätte erkannt werden können

zur Desinformation: Wenn der Täter versucht, durch das Verbreiten der Falschinformation einen unwahren Lebenssachverhalt zu erzeugen

öffentliche Sicherheit: Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung
Das meinst du nicht ernst oder ist das jetzt irgendwie ein Planspiel oder so?

Ein paar Anmerkungen:
- Aufstellen und verbreiten: was unterscheidet beide? Warum nicht nur Verbreiten? Kann ich, wenn ich nicht verbreite, Falschinformationen mit dem Ziel der Desinformation aufstellen, wo doch das TBM "zur Desinformation" ein Verbreiten voraussetzt? Ist "Herstellen" = "Aufstellen"? Wenn ich vebreite, ohne zu vervielfältigen, fällt das streng genommen nicht unter die Deifnition von verbreiten, da ich dann weder herstelle noch vervielfältige. Die Demo der Queerdenker ist also safe, was vor der Demonstrationsfreiheit auch geboten sein dürfte.
- jede Aussage oder Information: Was unterscheidet beide?
- "Nachweislich unwahr" ist stilistischer Müll in Gesetzen. Der schwarze Rappe mag in Gedichten ja noch durchgehen
- keinerlei Wahrheitsgehalt: wie steht es um folgende Aussage: "Wer sich gegen Corona impfen lässt, ist gegen die Krankheit geschützt und bekommt Superkräfte"
- bei gewissenhafter Recherche ... hätte erkannt werden können: Ist das jetzt ein Vorsatz- oder ein Fahrlässigkeitsdelikt? Wie habe ich Vorsatz auf hätte erkannt haben können? Ist die Wetterfee jetzt dran, wenn es nicht regnet, weil sie bei gewissenhafter Recherche hätte erkennen können, dass es nicht regnen wird?
- unwahre Lebenssachverhalte kann man nicht erzeugen, man kann nur den Glauben der Leute an eine falsche Darstellung erzeugen.

Insgesamt dürfte die Wettermoderation mit dieser Strafvorschrift tot sein. Auch die ganzen Börsennews dürften sich ebenso erledigen, wie auch der deutsche Idealismus ...

Mal abgesehen davon, dass das alles himmelschreiend verfassungswidrig ist. Es gibt kein Recht, nie belogen zu werden.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von OJ1988 »

Strich hat geschrieben: Montag 3. Mai 2021, 13:52 Mal abgesehen davon, dass das alles himmelschreiend verfassungswidrig ist. Es gibt kein Recht, nie belogen zu werden.
Das wäre allenfalls ein Argument gegen eine Pflicht des Gesetzgebers, eine solche Strafnorm zu schaffen. Verfassungswidrig wäre diese Strafnorm, wenn Sie unverhältnismäßig in Grundrechte eingreift (hier wohl nur betroffen: Art. 2 Abs. 1 GG, da falsche Tatsachenbehauptungen von Art. 5 Abs. 1 GG bekanntlich nicht geschützt sind) und/oder unbestimmt ist, Art. 103 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG.

Mit "aufstellen und verbreiten" ist wohl gewollt, dass nur der bestraft wird, der das falsche Gerücht auch in die Welt gesetzt hat (und nicht auch der, der es "nur" weiterverbreitet).

Ich sehe v.a. ein Vollzugsproblem, da sich vermutlich außerhalb der Lehrbuchrealität kaum jemals feststellen lassen wird, wann und wo die Falschbehauptung zum ersten Mal aufgetaucht ist. Und wenn die Spur ins Ausland folgt ("russian hackers"), kann man das Ganze gleich vergessen.
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Strich
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Strich »

OJ1988 hat geschrieben: Montag 3. Mai 2021, 14:54 ...

Mit "aufstellen und verbreiten" ist wohl gewollt, dass nur der bestraft wird, der das falsche Gerücht auch in die Welt gesetzt hat (und nicht auch der, der es "nur" weiterverbreitet).

...
a.A. die oben gegebene Definition.

Außerdem mag es zwar sein, dass falsche Tatsachenbehauptungen nicht von Art 5 GG umfasst sind, dass setzt aber voraus, dass sie im Zeitpunkt der äußerung bereits widerlegt, die Unwahrheit also erwiesen ist. Wer subjektiv überzeugt von der Wahrheit einer noch nicht nachweislich als falsch erwiesenen Behauptung ist, genießt den Schutz des Art 5 GG. Und das ist auch richtig so, sonst wären weite Teile der Tätigkeit von Parteien im politischen Meinungskampf schlicht nicht geschützt. "Die Renten sind sicher", "Wir schaffen das", "Die Justiz ist ausreichend ausgestattet" etc etc.
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Sektnase »

Sind das überhaupt Tatsachenbehauptungen?

Wobei bei der Justiz ja die Unwahrheit den Äußernden sicher bewusst ist :D
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Django »

@Strich

Sehe das hier eher als Planspiel. Erhebe nicht die Richtigkeit, dass meine Konstruktion hier abschließend ist. Inspiriert wurde ich vor allem durch diesen Beitrag

https://www.forschung-und-lehre.de/deut ... deln-2208/ (Verwaister Link https://www.forschung-und-lehre.de/deutsches-strafrecht-bei-fake-news-oft-unfaehig-zu-handeln-2208/ automatisch entfernt)

Also ihr sagt, alles totaler Käse?
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Sektnase »

Für den Bundestag würde es sicher reichen:D
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Urs Blank »

Vom Sinn und der Verfassungsmäßigkeit der vorgeschlagenen Norm einmal abgesehen:

Das Tatbestandsmerkmal "vorsätzlich" ist überflüssig, vgl. § 15 StGB.

Im Übrigen bietet es sich bei der Gesetzgebung an, neue Normen an bereits vorhandenen, thematisch verwandten zu orientieren, um nicht unnötig neue Rechtsbegriffe einzuführen und damit Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten zu provozieren. In deinem Fall sind es insbesondere zwei Vorschriften, die als Strickmuster in Betracht kommen, da sie das Verbreiten unwahrer Tatsachen unter Strafe stellen: § 187 StGB (Verleumdung) und der - freilich wenig praxisrelevante - § 109d StGB (Störpropaganda gegen die Bundeswehr).
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Django
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Django »

Dem bisherigen Verlauf des Thread entnehme ich, dass diese Strafnorm verfassungsrechtlich kritisch zu sehen ist und auch kein wirklicher Bedarf bzgl der Schaffung dieses neuen Tatbestands vorliegt =;
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Re: § 187b StGB Verbreiten von Falschinformationen

Beitrag von Sektnase »

Django hat geschrieben: Sonntag 9. Mai 2021, 22:58 Dem bisherigen Verlauf des Thread entnehme ich, dass diese Strafnorm verfassungsrechtlich kritisch zu sehen ist und auch kein wirklicher Bedarf bzgl der Schaffung dieses neuen Tatbestands vorliegt =;
Das trifft auf sehr viele tatsächlich geschaffene Normen zu :D Insbesondere nach Forenmeinung!;)
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