Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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lawyer_to_be
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Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von lawyer_to_be »

Hi,
ich brüte momentan über einer Akte und komme einfach nicht weiter ::roll: :
Der Kläger hat am 10.03.2020 fälschlicherweise nach Verkehrsunfall nicht gegen den gegnerischen Fahrer und die dazugehörige Haftpflichtversicherung Klage erhoben (VersicherungsAG), sondern stattdessen versehentlich einen Versicherungsvermittler (VersicherungsGmbH) verklagt. Die Klage konnte nicht zugestellt werden. Am 30.07.2020 zahlte die richtige VersicherungsAG dem Kläger einen Teil des (gegen die falsche VersicherungsGmbH) eingeklagten Betrages. Der Kläger nahm die Klage insoweit zurück und regte eine Parteiänderung an. Das Gericht hat daraufhin am 27.11.2020 der neuen, richtigen Beklagten (VersicherungsAG) die Klage zugestellt. Bevor es zu einer mündlichen Verhandlung kam hat der Kläger die Klage komplett zurückgenommen.
Nun möchte der Kläger bzgl. der vor der Parteiänderung erklärten Teilrücknahme eine Kostenentscheidung nach § 269 III 3 ZPO. Die neue Beklagte wendet dagegen ein, dass die Klage für eine Entscheidung nach § 269 III 3 ZPO ursprünglich zulässig und begründet gewesen sein muss. Dies sei nicht der Fall, da ja ursprünglich die falsche Versicherung verklagt wurde.
Nun frage ich mich, ob der Beklagtenwechsel quasi "zurückwirkt", sodass die Klage als ursprünglich begründet angesehen werden kann? :-s
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thh
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von thh »

lawyer_to_be hat geschrieben: Donnerstag 3. Juni 2021, 19:48Nun frage ich mich, ob der Beklagtenwechsel quasi "zurückwirkt", sodass die Klage als ursprünglich begründet angesehen werden kann? :-s
Nehmen wir an, es wäre so.

A hat einen Anspruch gegen C.

A verklagt B.

C zahlt an A.

A nimmt einen Beklagtenwechsel auf C vor. C erfährt nun von der Klage.

Warum genau sollte C in dieser Konstellation Kosten tragen?
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von lawyer_to_be »

Außergerichtlich hatte A gegenüber C seinen Anspruch geltend gemacht. C hat sich aber nicht gerührt.

Letztendlich hat C doch also zur Klage Anlass gegeben?
C hat erst gezahlt, als die Klage gegen B bereits erhoben war und bevor C selbst Partei geworden ist.

Andererseits könnte man natürlich sagen: selbst Schuld wenn A den falschen verklagt? Dann war die ursprüngliche Klage einfach nicht begründet als der Anlass nach § 296 III 3 ZPO wegfiel?
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von TedRemptation »

lawyer_to_be hat geschrieben: Freitag 4. Juni 2021, 07:47 Außergerichtlich hatte A gegenüber C seinen Anspruch geltend gemacht. C hat sich aber nicht gerührt.

Letztendlich hat C doch also zur Klage Anlass gegeben?
C hat erst gezahlt, als die Klage gegen B bereits erhoben war und bevor C selbst Partei geworden ist.

Andererseits könnte man natürlich sagen: selbst Schuld wenn A den falschen verklagt? Dann war die ursprüngliche Klage einfach nicht begründet als der Anlass nach § 296 III 3 ZPO wegfiel?
Die Klage A gegen B hat C nicht zu interessieren. Die Frage ist also lediglich: Gab es zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegen C (also: dem Zeitpunkt des Parteiwechsels) noch Anlass hierfür. Wenn C zuvor gezahlt hatte, lautet die Antwort ganz eindeutig: Nein.
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von lawyer_to_be »

Stimmt. Da hatte ich wohl einen Knoten im Kopf.

Also würdet ihr im vorliegenden Fall nicht nach billigem Ermessen nach § 269 III 3 entscheiden?
Die Voraussetzungen sind ja :

1. Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen
- das wäre hier ja gegeben, weil C gezahlt hat bevor es zum Parteiwechsel und mithin zur Rechtshängigkeit gegenüber C kam

2. Klage war ursprünglich zulässig und begründet (hM)
- und hier stellt man dann auf die Begründetheit vor Wegfall des Klageanlasses ab? Vor dem Wegfall (Zahlung durch C) war die Klage ja noch gegen
B gerichtet und mithin unbegründet. Folglich also Voraussetzungen von § 269 III 3 ZPO nicht erfüllt.

Es kommt mir irgendwie komisch vor. Schließlich hatte der Kläger ja von Anfang an einen Anspruch gegen C, diesen außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert und schließlich hat C dann ja auch gezahlt. Gegen C wäre die Klage begründet gewesen. Der Kläger hat halt B mit C verwechselt und "blöderweise" hat C dann gezahlt, bevor das Gericht den Beklagtenwechsel umgesetzt hat. Aber das ist dann wohl persönliches Pech für den Kläger? :-s
Liz
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von Liz »

lawyer_to_be hat geschrieben:Außergerichtlich hatte A gegenüber C seinen Anspruch geltend gemacht. C hat sich aber nicht gerührt.

Letztendlich hat C doch also zur Klage Anlass gegeben?
C hat erst gezahlt, als die Klage gegen B bereits erhoben war und bevor C selbst Partei geworden ist.

Andererseits könnte man natürlich sagen: selbst Schuld wenn A den falschen verklagt? Dann war die ursprüngliche Klage einfach nicht begründet als der Anlass nach § 296 III 3 ZPO wegfiel?
Wäre natürlich für den Anwalt von A schön, wenn das so ginge.

Wie schon geschrieben sind beide Prozessverhältnisse (A -> B und A -> C) getrennt zu betrachten. Bei A -> C ist maßgeblich, ob C im Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage gegen ihn (hier: Zeitpunkt des Parteiwechsels) Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Wenn C zwischenzeitlich noch gezahlt hat, hat er im Ergebnis keinen Anlass zur Klage gegeben. Dafür, dass A zunächst den Falschen verklagt hat, kann C nichts.
Liz
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Beitrag von Liz »

lawyer_to_be hat geschrieben:Stimmt. Da hatte ich wohl einen Knoten im Kopf.

Also würdet ihr im vorliegenden Fall nicht nach billigem Ermessen nach § 269 III 3 entscheiden?
Die Voraussetzungen sind ja :

1. Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen
- das wäre hier ja gegeben, weil C gezahlt hat bevor es zum Parteiwechsel und mithin zur Rechtshängigkeit gegenüber C kam

2. Klage war ursprünglich zulässig und begründet (hM)
- und hier stellt man dann auf die Begründetheit vor Wegfall des Klageanlasses ab? Vor dem Wegfall (Zahlung durch C) war die Klage ja noch gegen
B gerichtet und mithin unbegründet. Folglich also Voraussetzungen von § 269 III 3 ZPO nicht erfüllt.

Es kommt mir irgendwie komisch vor. Schließlich hatte der Kläger ja von Anfang an einen Anspruch gegen C, diesen außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert und schließlich hat C dann ja auch gezahlt. Gegen C wäre die Klage begründet gewesen. Der Kläger hat halt B mit C verwechselt und "blöderweise" hat C dann gezahlt, bevor das Gericht den Beklagtenwechsel umgesetzt hat. Aber das ist dann wohl persönliches Pech für den Kläger? :-s
Nochmals: getrennte Betrachtung: A -> B: A zahlt, weil wer den Falschen verklagt, ist selber schuld, dh insoweit trägt A die Kosten auf jeden Fall.
A -> C: maßgeblich ist der Zeitpunkt der Anhängigkeit und nicht, ob sich C vorher irgendwann in Verzug befand. Die Kosten, die durch den Parteiwechsel ausgelöst worden sind, sind C nicht mehr anzulasten. Bevor ich die Klage einreiche, muss ich eben nochmals kontrollieren, ob ggf zwischenzeitlich doch (tlw) gezahlt worden ist.
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von lawyer_to_be »

Danke euch für die Antworten!

Ich glaube was mich verwirrt ist, dass durch den Parteiwechsel ja eigentlich nur die Beklagten (nun C statt B) ausgewechselt wurden und die Klage ansonsten ja beim Gericht anhängig bleibt? Deswegen hatte ich mich gefragt, ob man bei der Prüfung innerhalb des § 269 III 3 ZPO im Verhältnis zu C dann auf die ursprüngliche Begründetheit der Klage bei Einreichung abstellen kann. Also quasi nach dem Parteiwechsel so tut, als hätte sich die eingereichte Klage von Anfang an gegen C gerichtet. Denn dann wäre sie ja vor Zahlung und mithin vor Wegfall des Klageanlasses begründet gewesen.

Aber diese Wirkung hat der Parteiwechsel nicht, oder? #-o
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von thh »

lawyer_to_be hat geschrieben: Freitag 4. Juni 2021, 11:13Ich glaube was mich verwirrt ist, dass durch den Parteiwechsel ja eigentlich nur die Beklagten (nun C statt B) ausgewechselt wurden und die Klage ansonsten ja beim Gericht anhängig bleibt?
Die Frage ist aber doch, gegen wen die Klage anhängig ist.
lawyer_to_be hat geschrieben: Freitag 4. Juni 2021, 11:13Aber diese Wirkung hat der Parteiwechsel nicht, oder? #-o
Nein.
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Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von Liz »

Nein. C geht die ursprüngliche Klage gegen B „nichts“ an. Ein Parteiwechsel auf Beklagtenseite ist schlichtweg eine Klagerücknahme gegenüber dem alten Beklagten mit gleichzeitiger Anhängigmachung einer neuen Klage gegen den neuen Beklagten. Relevant wird das zB auch bei der Verjährung: Wenn A Ende Dezember kurz vor der Verjährung fälschlicherweise B verklagt und dann erst Wochen / Monate später nach entsprechenden Hinweisen die Klage nunmehr gegen C richtet, dann ist die Verjährung im Verhältnis zu C frühestens (über § 167 ZPO) mit dem Parteiwechsel und damit „zu spät“ gehemmt worden.

Es ist schlichtweg Sache des Klägers sicherzustellen, dass er a) den Richtigen verklagt und b) der Klageanlass nicht bereits zwischenzeitlich entfallen ist. Im Zweifelsfall kann sich A das Geld dann von seinem Anwalt holen.
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Re: Kostentragung nach § 269 III 3 ZPO bei Beklagtenwechsel?

Beitrag von lawyer_to_be »

Das leuchtet ein. Dankeschön!!
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