Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Gast078
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Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Gast078 »

Hallo,

gibt es in der Rechtsprechung einen bekannten Fall einer Tilgung aus dem BZR nach § 49 BZRG, der sich nicht auf ausländische Verurteilungen bezieht?

oder ist jemand schon mal mit einer erfolgreichen Tilgung befasst gewesen, die Anträge werden ja auch der StA und dem Gericht vorgelegt.

LG
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Ara
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Ara »

Ich vermute sowas existiert nicht.

Der Anwendungsbereich ist ja so eng, dass es in der Regel unstreitig ist, in welchen absolute Ausnahmefällen zu löschen ist. Darum gehen die Sachen nicht vor Gericht.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Gast078 »

Ja gut, aber wie bitte kann es im öffentlichen Interesse sein, wenn sich aus dwm BZRG solche Konstellationen ergeben:

1 Jahr und 3 Monate Jugendstrafe wegen Vergewaltigung = 21 Jahre und 3 Monate Tilgungsfrist

10 Jahre Jugendstrafe wegen Mord mit 2/3 Erlass = Tilgungsfrist von 15 Jahren

Das ist doch fernab von Verhältnismäßigkeit
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thh
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von thh »

Gast078 hat geschrieben: Freitag 21. Juli 2023, 04:34 Ja gut, aber wie bitte kann es im öffentlichen Interesse sein, wenn sich aus dwm BZRG solche Konstellationen ergeben:

1 Jahr und 3 Monate Jugendstrafe wegen Vergewaltigung = 21 Jahre und 3 Monate Tilgungsfrist

10 Jahre Jugendstrafe wegen Mord mit 2/3 Erlass = Tilgungsfrist von 15 Jahren

Das ist doch fernab von Verhältnismäßigkeit
Die besonders langen Verjährungsfristen und besonders langen Tilgungsfristen für Sexualdelikte sind eine bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers.

Ist ja auch klar; man möchte doch auch nach 20 Jahren sein Kind nicht unbemerkt einem Vergewaltiger anvertrauen; bei einem Mörder ist das egal. (Durchs Raster fällt dann eigentlich nur der Sexualmörder, der sich nekrophilisch erst nach der Tötung an der Leiche vergeht, weil dann kein tateinheitliches Sexualdelikt ausgeurteilt wird, aber Gesetzgebung kann eben nicht jeden Einzelfall erfassen.)
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Gast078 »

Naja, also die Kenntnisnahme einer Vorstrafe durch die Allgemeinheit ist ja schon deutlich früher eingeschränkt, wenn jetzt der Vergewaltiger im o.g. Beispiel 20 Jahre nach der Verurteilung in der Kinderbetreuung tätig ist, steht dem durch seine eintragsfreien Führungszeugnisse nichts entgegen.

Wenn er aber vor dem Strafgericht steht wegen Beleidigung oder Fahren ohne Erlaubnis etc. dann ist er durch die Kenntnisnahme seiner Vorstrafe ja erheblich schlechter gestellt, als zbs. der Mörder mit getilgter Vorstrafe. Ist für mich nicht so klar. Zumal das dann zu einer 10 jährigen Verlängerung der Tilgungsfrist führt (+ FZ Wiederaufnahme).
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Ara
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Ara »

Ja aber warum soll sowas in der Hand der Exekutive/Judikative liegen? Das ist ja alles Kritik, die man dem Gesetzgeber machen kann.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Gast078 »

Hatte der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 49 BZRG, denn schon so eine enorm hohe Anwendungshürde vorgesehen?

Wenn jetzt jemand bspw. 20 Jahre nach einer schweren Straftat, wegen einer Bagatellstraftat verurteilt wird und dadurch Jobverlust droht zbs. warum ist dann ein Antrag auf Tilgung trotzdem völlig aussichtslos.

Das ist doch die Auslegung des BfJ und der Rechtsprechung
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Gast078 »

Also wenn man die Tilgung von Vorstrafen rein und ausschließlich an der Schuld festmacht, würde die Rechtsprechung dazu ja Sinn ergeben, aber so irgendwie nicht
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Ara
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Re: Tilgung von Verurteilungen aus dem BZR

Beitrag von Ara »

Gast078 hat geschrieben: Freitag 21. Juli 2023, 20:02 Hatte der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 49 BZRG, denn schon so eine enorm hohe Anwendungshürde vorgesehen?

Wenn jetzt jemand bspw. 20 Jahre nach einer schweren Straftat, wegen einer Bagatellstraftat verurteilt wird und dadurch Jobverlust droht zbs. warum ist dann ein Antrag auf Tilgung trotzdem völlig aussichtslos.

Das ist doch die Auslegung des BfJ und der Rechtsprechung
Warum genau droht der "Jobverlust"? Es ist doch gerade Sinn und Zweck des BZR/Führungszeugnisses, dass die Gesellschaft darüber informiert wird, was die Person in der Vergangenheit getrieben hat. Ob ein Jobverlust droht oder jemand keinen Job bekommt, liegt ja (meist) am Arbeitgeber. Wenn es für die Arbeitgeber die Einträge ein Ausschlussgrund sind, dann kann man ja auch kaum davon sprechen, dass das "öffentliche Interesse" der Löschung nicht entgegensteht.

Über was man nachdenken könnte wäre, ob die Regelung in § 47 III 1 BZRG, dass eine Tilgung nur erfolgt, wenn alle Eintragungen tilgungsreif sind, tatsächlich so sein muss. Möglicherweise wäre es sinnvoller, dass man die Sachen einzeln ablaufen lässt. Das hat man ja auch im Fahreignungsregister kürzlich dahingehend geändert. Aber auch das ist eine gesetzgeberische Entscheidung und sollte nicht in der Hand eines Beamten beim Justizministerium liegen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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