Kausalitätsprüfung bei Gremienentscheidungen (Lederspray Fall)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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madcats5
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Kausalitätsprüfung bei Gremienentscheidungen (Lederspray Fall)

Beitrag von madcats5 »

Hi

ich hab eine Frage zur Prüfung der Kausalität bei Gremienentscheidungen.
Im bekannten "Lederspray"-Fall war es ja u.a. so, dass 4 von 5 Vorstandsmitliedern für den Verkauf eines giftigen Ledersprays bestimt hatten. Hier stellte sich das Problem, dass ja jeder Vorstand sagen konnte, dass seine Stimmen icht kausal war. Der BGH hat dann bei der Fahrlässigkeit wegen Mittäterschaft bestraft (ob das geht ist bis heute wohl umstritten, da der fahrlässige Tatentschluss doch ziemlich konstruiert ist). Ich habe jetzt schon einiges gelesen wundere mich, wie man einen solchen Fall in der Klausur/HA aufbauen würde, da man ja nicht wie das Gericht nur zu den Problemen springen kann. Es geht um die Strafbarkeit des V.
Hier mal meine Idee:

I. Wir müssen ja erstmal feststellen, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt. Also zuerst §223 I.
Obj. TB normal bis Kausalität der Stimme des V.
a) alle Kausalitätstheorien (CSQN, modifizierte CSQN und Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung - mehr gibts nicht,oder?) durchspielen. Alle kommen aber zum Ergebnis, dass keine Kausalität vorliegt.
-> Prüfung beendet!
II. Jetzt die BGH Lösung: §223 I, 25 II (immer noch §223, weil wir die Fahrlässigkeit nicht festgestellt haben).
1. obj. TB normal, möglicherweise keine Kausalität erfoderlich, da gemeinsamer Tatentschluss -> hier muss also der Vorsatz geprüft und verneint werden
-> Prüfung beendet!
III. Und wieder BGH: §229, 25 II
1. obj. TB normal bis Kausalität, die möglicherweise nicht erorderlich ist, da Tatentschluss. Streit austragen und taktisch für Tatentschluss entscheiden.
2. jetzt normale Fahrlässigkeitsprüfung und am Ende bejahen.

Sehe ich das richtig, dass man das sooo ewig durchmachen müsste? Also wenn das echt so ist wirds dringend Zeit Richter zu werden ;)

Bin auf eure Meinungen gespannt!

Viele Grüße

Madcat
Lacan
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Beitrag von Lacan »

Hilgendorf NStZ 1994, 561 f.:

"Um das Kausalitätsproblem in den Griff zu bekommen, unterscheidet der BGH 3 Prüfungsstufen: 1., ob bei pflichtgemäßem Handeln der Geschäftsführer die Rückrufaktion überhaupt zustande gekommen wäre; 2., ob sie die jeweiligen Händler rechtzeitig erreicht hätte, und 3., ob die Händler den Rückruf beachtet hätten."

"Für die Kausalitätsprüfung sei also entscheidend, ob die Erfüllung der jeweiligen Handlungspflicht einen Beschluß über den Rückruf der gefährlichen Sprays herbeigeführt hätte."

Allerdings scheitert die conditio-sine-qua-non-Formel der hM, "weil nicht auszuschließen ist, daß jeder Geschäftsführer mit dem Versuch, die erforderliche Entscheidung herbeizuführen, am Widerstand der übrigen, den Rückruf ablehnenden Geschäftsführer gescheitert wäre."

Deshalb der BGH: "Hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung sei Mittäterschaft sämtlicher Geschäftsführer gegeben. Deren Voraussetzungen lägen beim unechten Unterlassungsdelikt vor, wenn mehrere Garanten, die eine ihnen gemeinsam obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen können, gemeinschaftlich den Entschluß fassen, dies nicht zu tun."

Dagegen Samson StV 1991, 182, 184:

"Im Hinblick auf die gefährliche Körperverletzung durch Unterlassen einer Rückrufaktion verneint Samson das Vorliegen von Mittäterschaft. Mittäter müßten über das „Ob und Wie“ der Tat entscheiden können; dies sei aber im Lederspray-Fall gerade nicht möglich gewesen: „Entschließt sich einer von mehreren Mitgeschäftsführern für die Durchführung der Rückrufaktion, also gegen das Unterlassen der gebotenen Handlung, dann folgt daraus solange gar nichts, wie sich nicht die Mehrheit aller Geschäftsführer in gleicher Weise entscheidet. Von ihm hängt also das „Ob und Wie“ der Tat gerade nicht ab."
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
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madcats5
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Beitrag von madcats5 »

Danke für den Aufsatz!

Aber wie würde ich das in einer Prüfung aufbauen?

Die Frage aufwerfen ob das Stimmverhalten kausal war und dann den Meinungsstreit darlegen:

1. CSQN
2. alle modofizierten Formen der CSQN
3. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung
4. BGH

Da die Lösungen alle zu einem anderen Ergebnis kommen müsste ja ein Streitentscheid her. Problem ist, dass die Theorie 1-3 ja eigentlich keine Argumente haben, da sie versuchen die Kausalität darzustellen. Außerdem gäbe das ja einen riesen Streitentscheid. Kann man das nicht kürzer machen?

Im Ergebnis wird man dann wohl dem BGH folgen und dann erstmal die Prüfung abbrechen und ne Mittäterschaftsprüfung starten. (da kann man ja größtenteils nach oben verweisen).
Lacan
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Beitrag von Lacan »

Da überfragst du mich etwas. Das kriege ich heute Abend nicht mehr hin.
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madcats5
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Beitrag von madcats5 »

Lacan hat geschrieben:Da überfragst du mich etwas. Das kriege ich heute Abend nicht mehr hin.
ach wenigstens bin ich dann nicht allein...Mein Hirn dreht auch bald ab... #-o

Um das Ganze nochmal etwas schlimmer zu machen meine neuste Idee:

A. P §223 I, 13
I. Erfolgseintritt feststellen
II. Kausalität
Unterlassen + Germienentscheid generell +
Fraglich ob Stimmverhalten des P kausal.
1. Äquivalenztheorie
a) CSQN -
b) kummulative Kausalität -
c) alternative Kausaltät -
d) Bedingungstheorie +
2. Lehre der gesetzmäßigen Bedigung +
3. Risikoerhöhungslehre +

-> Streitentscheid: Allerdings finde ich das immer noch schwierig, da man Kausalität ablehnen müsste, um zu der Mittäterschaftslösung des BGH zu kommen. Die umgehen nämlich im Ledersprayfall die Frage der Kausalität und sagen einfach, dass es den Abstimmenden zurechenbar ist. Deshalb darf man das glaub auch in der Kausalitätsprüfung nicht mit aufführen. Problem: wo soll man bitte Argumente FÜR die - - Theorien und wo welche gegen die + Theorien finden??
Mal(ganz utopisch) das ist geschafft und der Streit zugunsten "keine Kausalität" entschieden:
II. Vorsatz verneinen
-> Prüfung beendet

C. §229, 25 II
I. Erfolgseintritt
II. Fraglich ob fahrlässige Mittäterschaft in Betracht kommt.
1. Überhaupt möglich?
a) M1
b) M2
c) Entscheidung, dass möglich
2. muss der Beitrag kausal sein oder ist er so zurechenbar?
a) M1
b) M2
c) nein er muss nicht, kausal sein, da obj. Beitrag genügt -> somit zurechenbar
III. subj Tb (Verweis nach oben)
IV. RW+Schuld klar.
-> strafbar wegen Mittäterschaft!
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