Verzehr von Lebensmitteln vor der Kasse - § 242 trotz Bezahlen?
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Also wir haben das unter der Kategorie "sonstige Rechtfertigungsgründe" geprüft und sind dann dazu gekommen, dass hier eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt.
"In erster Linie wird eine mutmaßliche Einwilligung dann in Frage kommen, wenn die Handlung objektiv gesehen im materiellen Interessen des Betroffenen (also im Interesse des jeweiligen Rechtsgutsträgers) liegt. Ausnahmsweise ist sie aber auch dann möglich, wenn sie zwar ausschließlich dem Täter nützt, die Handlung jedoch kein schutzwürdiges Interesse des Rechtsgutsträgers betrifft."
Dein Fall fällt dann unter der darunter folgenden Fallgruppe 2: Handlung, die kein schutzwürdiges Interesse des Rechtsgutsträgers berühren:
Im Rahmen dieser Fallgruppe liegt die Handlung zwar ausschließlich im Interesse des Täters, sie beeinträchtigt aber kein schutzwürdiges Interesse des Rechtsgutsträgers, weshalb auch hier eine Rechtfertigung anzunehmen ist. In diesen Fällen spielt es auch keine Rolle, wenn die Einwilligung zuvor einholbar wäre, der Täter diese Nachfrage jedoch unterlässt. Subjektiv muss der Täter Kenntnis davon haben, dass sein Handeln dem Interesse des Rechtsgutsträgers widerspricht.
Kannst dir dazu auch mal folgendes angucken: Heinrich, JURA 1997, 366 (369)
"In erster Linie wird eine mutmaßliche Einwilligung dann in Frage kommen, wenn die Handlung objektiv gesehen im materiellen Interessen des Betroffenen (also im Interesse des jeweiligen Rechtsgutsträgers) liegt. Ausnahmsweise ist sie aber auch dann möglich, wenn sie zwar ausschließlich dem Täter nützt, die Handlung jedoch kein schutzwürdiges Interesse des Rechtsgutsträgers betrifft."
Dein Fall fällt dann unter der darunter folgenden Fallgruppe 2: Handlung, die kein schutzwürdiges Interesse des Rechtsgutsträgers berühren:
Im Rahmen dieser Fallgruppe liegt die Handlung zwar ausschließlich im Interesse des Täters, sie beeinträchtigt aber kein schutzwürdiges Interesse des Rechtsgutsträgers, weshalb auch hier eine Rechtfertigung anzunehmen ist. In diesen Fällen spielt es auch keine Rolle, wenn die Einwilligung zuvor einholbar wäre, der Täter diese Nachfrage jedoch unterlässt. Subjektiv muss der Täter Kenntnis davon haben, dass sein Handeln dem Interesse des Rechtsgutsträgers widerspricht.
Kannst dir dazu auch mal folgendes angucken: Heinrich, JURA 1997, 366 (369)
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Spekulieren kann man da natürlich viel, möglich ist sowas immer, aber wenn sowas nicht explizit im Sachverhalt steht ist auch davon auszugehen dass er kein Hausverbot o.ä. hat. Und in solchen Fällen hätte er sich dann ja auch noch z.B. - je nach Umständen - wegen § 123 u.a. strafbar gemacht und das sähe dann sowieso alles etwas anders aus.Kassandra hat geschrieben:Vielleicht hat ja so ein Kunde Hausverbot oder es liegen andere Gründe vor, die den Kaufvertragsschluß scheitern lassen. Findest Du das noch in irgendwelchen Unterlagen?
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Ich finde es bedenklich, eine Rechtfertigung daraus herzuleiten, dass kein schutzwürdiges Interesse auf der Seite dessen vorhanden sei, dessen Sachen vernichtet werden. Ist es kein schutzwürdiges Interesse, zu wollen, dass die Leute die Sachen erst dem Bezahlen aufessen?
Mit fällt da eine Folge von Al Bundy ein, wo sich die Bundys im Supermarkt einrichten, dort längere Zeit wohnen und durchfressen. Will man solche Zustände als Ladeninhaber dulden?
Mit fällt da eine Folge von Al Bundy ein, wo sich die Bundys im Supermarkt einrichten, dort längere Zeit wohnen und durchfressen. Will man solche Zustände als Ladeninhaber dulden?
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
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Ich gebe nur wieder wie wir es gemacht haben und es auch in meinem Lehrbuch steht. Im Gegensatz zu Al Bundy hatte der Käufer hier ja die Absicht den Schokoriegel auch direkt zu bezahlen und da das hier gegeben ist steht dem schutzwürdigen Interesse des Ladeninhabers auch nichts entgegen. Anders wäre die Sache wenn er sich jetzt wie Al Bundy da einnisten würde, die Absicht hatte das gar nicht zu bezahlen...! Da wären dann ja aber auch andere Delikte zu prüfen. Für den Sachverhalt den Kassandra gefragt hat seh ich bezüglich des schutzwürdigen Interesses jedenfalls keine Probleme. Solche Zustände wie bei den Bundys will natürlich kein Ladeninhaber - wer will denn schon dass der Kunde im Laden wohnt und nichtmal vorhat was zu bezahlen und sich von dem Warensortiment - auch nach Schließung - zu versorgen und im Laden zu verbleiben ? Das ist meiner Meinung aber mit Kassandras Fall hier gar nicht zu vergleichen.Lacan hat geschrieben:Ich finde es bedenklich, eine Rechtfertigung daraus herzuleiten, dass kein schutzwürdiges Interesse auf der Seite dessen vorhanden sei, dessen Sachen vernichtet werden. Ist es kein schutzwürdiges Interesse, zu wollen, dass die Leute die Sachen erst dem Bezahlen aufessen?
Mit fällt da eine Folge von Al Bundy ein, wo sich die Bundys im Supermarkt einrichten, dort längere Zeit wohnen und durchfressen. Will man solche Zustände als Ladeninhaber dulden?
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Siehe auch
http://www.zis-online.com/dat/2006_1_6.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
Räuberischer Diebstahl; Verzehr von Antipasti ... In der Anmerkung zu dem Urteil heißt es zur Frage der mutmaßlichen Einwilligung mE recht überzeugend, wenn auch etwas spitzfindig:
"... Denn schon angesichts der Möglichkeit, dass der Kunde sich nach dem
Verzehr doch gegen das Bezahlen entscheiden könnte, wird
man – selbst bei zunächst bestehender Zahlungswilligkeit –
nicht behaupten können, der Geschäftsinhaber habe vermutlich
kein dem Verzehr entgegenstehendes Interesse. Dies gilt
umso mehr, als ein Geschäftsinhaber ferner Beweisinteressen
an der Mangelfreiheit seiner Produkte hat und es nach dem
Verzehr zu Abwicklungsschwierigkeiten kommt, wenn der
Kunde z.B. an der Kasse merkt, dass er kein bzw. nicht genug
Geld dabei hat. ..."
Zur Irrtumsproblematik ist damit natürlich nicht direkt etwas gesagt.
http://www.zis-online.com/dat/2006_1_6.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
Räuberischer Diebstahl; Verzehr von Antipasti ... In der Anmerkung zu dem Urteil heißt es zur Frage der mutmaßlichen Einwilligung mE recht überzeugend, wenn auch etwas spitzfindig:
"... Denn schon angesichts der Möglichkeit, dass der Kunde sich nach dem
Verzehr doch gegen das Bezahlen entscheiden könnte, wird
man – selbst bei zunächst bestehender Zahlungswilligkeit –
nicht behaupten können, der Geschäftsinhaber habe vermutlich
kein dem Verzehr entgegenstehendes Interesse. Dies gilt
umso mehr, als ein Geschäftsinhaber ferner Beweisinteressen
an der Mangelfreiheit seiner Produkte hat und es nach dem
Verzehr zu Abwicklungsschwierigkeiten kommt, wenn der
Kunde z.B. an der Kasse merkt, dass er kein bzw. nicht genug
Geld dabei hat. ..."
Zur Irrtumsproblematik ist damit natürlich nicht direkt etwas gesagt.
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... aber in der recht gelungenen Urteilsanmerkung von Marlie (siehe url), S. 43 Anm. 7:strafrechtler hat geschrieben:Siehe auch
http://www.zis-online.com/dat/2006_1_6.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
... Zur Irrtumsproblematik ist damit natürlich nicht direkt etwas gesagt.
Straflosigkeit könnte sich für den Kunden, der die verzehrte Ware bezahlen will, allenfalls aus einem Irrtum ergeben. Sollte die Vorstellung bestehen, der Rechtsgutsinhaber sei mit dem Verzehr einverstanden, läge ein Irrtum i.S.v. § 16 StGB vor. Denkbar wäre auch das Vorliegen eines Irrtums über rechtfertigende Umstände, wenn der Kunde sich Umstände vorgestellt haben sollte, nach denen ein mangelndes Interesse gegen den Eingriff gemutmaßt werden könnte.
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Rn 478: "Subjektiv muss der Täter Kenntnis davon haben, dass sein Handeln dem Interesse des Rechtsgutsträgers nicht widerspricht."Fluffy hat geschrieben:Bernd Heinrich - Strafrecht Allgemeiner Teil 1, S. 168Lacan hat geschrieben:Wo genau?Fluffy hat geschrieben:... in meinem Lehrbuch ...
Spricht das nicht gegen die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung in unserem Fall?
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
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Also eine Einwilligung ist es schon einmal nicht. Bei § 242 kann es sich höchstens, da die Wegnahme u.a. den Bruch fremden Gewahrsams voraussetzt, ein tatbestandsausschl. Einverständnis vorliegen, denn der Bruch liegt nicht vor, wenn es mit Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers geschehen ist. Einverständnis und Einwilligung schließen sich dabei aus.
Auch ich würde meinen, dass kein TBI i.S.v. § 16 I vorliegt, sondern allenfalls ein Subsumtionsirrtum i.S.v. § 17, der jedoch definitiv vermeidbar war. Auch die Absicht rw Zueignung ist zu bejahen, da A beim Verzehr des Schokoriegels keinen fälligen einredefreien Anspruch auf selbigen hatte (Koinzidenzprinzip, § 8 StGB!).
Da es sich hierbei jedoch um eine geringfügige Sache handelt, müsste gem. § 248a vom Berechtigten ein Strafantrag gestellt werden. Hier könnte durch Akzeptanz der Kaufpreiszahlung ein Verzicht auf Antragstellung zu sehen sein.
Auch ich würde meinen, dass kein TBI i.S.v. § 16 I vorliegt, sondern allenfalls ein Subsumtionsirrtum i.S.v. § 17, der jedoch definitiv vermeidbar war. Auch die Absicht rw Zueignung ist zu bejahen, da A beim Verzehr des Schokoriegels keinen fälligen einredefreien Anspruch auf selbigen hatte (Koinzidenzprinzip, § 8 StGB!).
Da es sich hierbei jedoch um eine geringfügige Sache handelt, müsste gem. § 248a vom Berechtigten ein Strafantrag gestellt werden. Hier könnte durch Akzeptanz der Kaufpreiszahlung ein Verzicht auf Antragstellung zu sehen sein.
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Die Ansicht, dass es sich um ein die Wegnahme ausschließendes Einverständnis statt lediglich um eine "Duldung" handelt, gilt auch nach Heinrich nicht für alle Fälle. Man kann eben nicht generell davon ausgehen (!), dass ein Ladeninhaber kein Interesse daran hat, dass Kunden vor dem Bezahlen keine Lebensmittel verzehren (so auch Heinrich aaO, S. 368, li. Sp.).Conway hat geschrieben:Schaut euch mal die Hausarbeit in der JURA 1997, 366 an.
Dass sich Heinrich mit dieser Auffassung auf dünnem Eis bewegt, erkennt er wohl selbst, wenn er das regelmäßige Interesse des Ladeninhabers nur dann verneint (aaO), wenn es sich
1.) um Lebensmittel, insbesondere
2.) Getränke und Süßigkeiten handelt, die
3.) in der Schlange an der Kasse verzehrt werden.
Diese dreifache Einschränkung sollte man bei Heinrich beachten, wenn man eine mutmaßliche Einwilligung des Ladeninhabers erwägt.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)