Erzwungene Kündigung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
Gelöschter Nutzer

Erzwungene Kündigung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ein Fall

Vermieter V will Mieter M aus der Wohnung haben. Also nimmt er seinen laufenden Schrank S mit zu einem kleinen "Gespräch". Es gibt keine konkreten Drohungen, aber am Ende des "Gespräches" geht der S auf M los. Während des Gesprächs unterschreibt der M eine Kündigung.

Zwei Fragen:

1. Nehmen wir an, es handele sich um eine hinreichend konkrete Drohung. Ist das erzwingen einer Kündigungserklärung von einem Mieter, der die Miete einige Monate nicht zahlt, dann Erpressung? Speziell die Frage nach der Vermögensverfügung und dem Vermögensschaden.

2. Wenn die Drohung hauptsächlich von S ausgingen und dieser durch V dazu angestiftet wurde, ist dann dann gleichzeitig Erpressung in mittelbarer Täterschaft? Kann ich dem V das Verhalten des S zurechnen?
Benutzeravatar
Elandee
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 967
Registriert: Samstag 19. November 2005, 01:35
Ausbildungslevel: RRef

Beitrag von Elandee »

1.) Einen Vermögensschaden würde ich nur im Einzelfall annehmen, wenn mit der Wohnung irgendein besonderer Vermögensvorteil verbunden ist, der infolge der Kündigung von M auf V übergehen würde. Im Normalfall aber einfach 240 I.

2.) Wenn es denn keine Anstiftung ist, dann wäre ich eher für Mittäterschaft als mittelb Täterschaft. Schließlich hast du bei der mittelb Tät idR einen "Defekt" (zB Irrtum, unterlegenes Wissen) beim Vordermann, der liegt bei S nicht vor. Stattdessen nehmen S und T den Termin zusammen war und teilen sich die zu erledigende Aufgabe (Erzwingen einer Kündigung), ergo arbeitsteiliges Handeln/funktionale Tatherrschaft = 25 II.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Schon mal Danke für die Antwort.
So ganz klar ist mir das leider noch nicht.
Elandee hat geschrieben:1.) Einen Vermögensschaden würde ich nur im Einzelfall annehmen, wenn mit der Wohnung irgendein besonderer Vermögensvorteil verbunden ist, der infolge der Kündigung von M auf V übergehen würde. Im Normalfall aber einfach 240 I.
Als Vermögensvorteil hatte ich die Befreiung von den Vermieterpflichten (z.B. zur Verfügung stellen des Wohnraums) angedacht.
2.) Wenn es denn keine Anstiftung ist, dann wäre ich eher für Mittäterschaft als mittelb Täterschaft. Schließlich hast du bei der mittelb Tät idR einen "Defekt" (zB Irrtum, unterlegenes Wissen) beim Vordermann, der liegt bei S nicht vor. Stattdessen nehmen S und T den Termin zusammen war und teilen sich die zu erledigende Aufgabe (Erzwingen einer Kündigung), ergo arbeitsteiliges Handeln/funktionale Tatherrschaft = 25 II.
Anstiftung ist es wohl schon.
Allerdings möchte ich den V nicht nur wegen der Anstiftung zu Drohungen oder Körperverletzung dran kriegen. Es kann ja eigentlich nciht sein, dass man sich jemanden mitnimmt, der die 'Drecksarbeit' erledigt und deshalb um die Erpressung (im Zweifel sogar räuberische Erpressung) drum rum kommt.
Für eine Mittäterschaft ist der S wohl zu untergordnet. Er reagiert quasi nur auf Anweisung des V.
Wie ist es mit einem teilweise tatbestandslosen Werkzeug? Oder vorsatzlos? Ihm kommt es ja nicht auf die anschließende Verfügung an.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Kann ich solches Verhalten wirklich nicht zurechnen?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

2.) Wenn es denn keine Anstiftung ist, dann wäre ich eher für Mittäterschaft als mittelb Täterschaft. Schließlich hast du bei der mittelb Tät idR einen "Defekt" (zB Irrtum, unterlegenes Wissen) beim Vordermann, der liegt bei S nicht vor. Stattdessen nehmen S und T den Termin zusammen war und teilen sich die zu erledigende Aufgabe (Erzwingen einer Kündigung), ergo arbeitsteiliges Handeln/funktionale Tatherrschaft = 25 II.
Anstiftung ist es wohl schon.
Allerdings möchte ich den V nicht nur wegen der Anstiftung zu Drohungen oder Körperverletzung dran kriegen. Es kann ja eigentlich nciht sein, dass man sich jemanden mitnimmt, der die 'Drecksarbeit' erledigt und deshalb um die Erpressung (im Zweifel sogar räuberische Erpressung) drum rum kommt.
Für eine Mittäterschaft ist der S wohl zu untergordnet. Er reagiert quasi nur auf Anweisung des V.
Wie ist es mit einem teilweise tatbestandslosen Werkzeug? Oder vorsatzlos? Ihm kommt es ja nicht auf die anschließende Verfügung an.
Deine Argumentation ist mE insgesamt nicht schlüssig. Wenn du eine Anstiftung bejahst, dann bejahst du damit auch inzident eine Täterschaft des S. Andererseits sagst du, S habe nur eine untergeordnete Rolle gehabt und sei deshalb nicht Täter. Das passt nicht zusammen.

Im Übrigen meine ich auch, dass hier ziemlich eindeutig Mittäterschaft vorliegt. Sofern kein "Defekt" des S im SV genannt ist, halte ich es für nicht vertretbar, dessen Tatherrschaft und somit Tätereigenschaft zu verneinen. Er schlägt ja sogar eigenhändig zu! Allein, dass er dies nur auf Geheiß des V tut, lässt die eigene Tatherrschaft des S nicht entfallen.

Problematisieren könnte man wohl eher noch die Rolle das V - nämlich ob dieser nur Anstifter oder auch Mittäter des S ist - unter dem Aspekt, ob V selbst ausreichende Tatherrschaft besaß. Wird man im Ergebnis aber auch bejahen müssen.
Benutzeravatar
Elandee
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 967
Registriert: Samstag 19. November 2005, 01:35
Ausbildungslevel: RRef

Beitrag von Elandee »

zweiundvierzig,
einen Vermögensvorteil hast du immer dann, wenn sich unmittelbar infolge der Verfügung ein Vermögensabfluss, also eine negatives Ergebnis in der Vorher-/Nachher-Betrachtung ergibt. Mit dem Ende eines Mietverhältnisses enden aber nicht nur die Vermieterpflichten, sondern auch die Vermieterrechte, v.a. der Anspruch auf Zahlung der Miete. Also ist das Ende eines Mietverhältnisses in der Regel neutral für beide Seiten, es sei denn, es liegen in deinem Fall besondere Umstände vor.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@Ghostwriter bzgl. Täterschaft:
Ich würde eine Anstiftung bzgl. einer Körperverletzung bejahen. Und dort auch die Täterschaft des S.
Aber bei der Erpressung finde ich es schwieriger, weil der S ja wirklich nur einen klar umgrenzten Teil der Tathandlung vornimmt. Er reagiert dort ausschließlich auf Anweisung des V. Da fehlen mir die Argumente für den gemeinsamen Tatplan.
(Wichtig ist das, weil der S Springerstiefel trug und es dann in die räuberische Erpressung [ggf. sogar besonders schwere] ginge).

@ Elandee:
So weit, so gut. Klingt plausibel. Ich habe allerdings noch zwei Probleme:
1. Wie sieht es mit dem persönlichen Schadenseinschlag aus? Neue Wohnung suchen ist ja meist keine lustige Sache, man hängt an seiner Wohnung, nciht um sonst nur sehr eingeschränkte Kündigungsmöglichkeiten des Vermieter laut BGB usw.
Und wie sieht es mit den sicher anfallenden Umzugskosten aus? Die würden bei dieser Konstellation sicher nicht vom V übernommen werden.
2. Die Vorverlagerung. Noch sind sie nicht aus der Wohnung ausgezoge, sondern haben diese erst gekündigt. Und im Gegsatz zu den Betrugsfällen ist hier auch schon für den Laien offensichtlich, dass man gegen die Kündigung wird gegenan gehen können. Habe ich trotzdem eine Vermögensgefährdung? Oder weite ich damit den Tatbestand zu weit aus?


Fragen über Fragen - aber vielen Dank euch für das Mitdenken.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

zweiundvierzig hat geschrieben:Aber bei der Erpressung finde ich es schwieriger, weil der S ja wirklich nur einen klar umgrenzten Teil der Tathandlung vornimmt.
Welchen Teil der Tathandlung bzw. welche Tatbestandsmerkmale erfüllt der S in eigener Person deiner Meinung nach denn nicht?
Benutzeravatar
Elandee
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 967
Registriert: Samstag 19. November 2005, 01:35
Ausbildungslevel: RRef

Beitrag von Elandee »

zweiundvierzig,
ja, den persönlichen Schadenseinschlag hast du dann, wenn es für den Mieter in deinem Fall irgendwelche speziellen Nachteile gibt.
Die "Vorverlagerung" ändert dann nichts mehr. Eine 123 BGB-Anfechtugnsmöglichkeit bleibt bei der schadensgleichen Vermögensgefährdung idR außer Betracht, wie auch in den Kaufvertrags-/Provisions-Fällen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

ghostwriter hat geschrieben:
zweiundvierzig hat geschrieben:Aber bei der Erpressung finde ich es schwieriger, weil der S ja wirklich nur einen klar umgrenzten Teil der Tathandlung vornimmt.
Welchen Teil der Tathandlung bzw. welche Tatbestandsmerkmale erfüllt der S in eigener Person deiner Meinung nach denn nicht?
Bei S fehlt eigentlich die gesamte subjektive Komponente - ausgenommen des Vorsatzes bzgl. der Gewalt.

Mir ist auch klar, dass das nicht gerade super überzeugend klingt. Andererseits finde ich es auch wahnsinnig schwierig jemanden als Täter zu veruteilen, der mehr oder weniger offensichtlich die Tat wohl nicht als eigene will.
Schwierig zu sagen, ob er überhaupt wusste, dass es um das erzingen einer Kündigung ging. Und ob er daran dann auch noch ein Bereicherungsinteresse, und sei es zugunsten des V, hatte.... Hm.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Elandee hat geschrieben:zweiundvierzig,
ja, den persönlichen Schadenseinschlag hast du dann, wenn es für den Mieter in deinem Fall irgendwelche speziellen Nachteile gibt.
Die "Vorverlagerung" ändert dann nichts mehr. Eine 123 BGB-Anfechtugnsmöglichkeit bleibt bei der schadensgleichen Vermögensgefährdung idR außer Betracht, wie auch in den Kaufvertrags-/Provisions-Fällen.
Die Frage ist: sind (nur vermutete) Umzugskosten ein spezieller Nachteil?

Und die Sache mit § 123 BGB: ich kenne das so generell bisher nur für den Vermögensschaden beim Betrug. Die Überlegung, dasss sich das beim Vermögensnachteil beim Betrug eventuell anders darstellt (da die Anfechtbarkeit offensichtlich ist), finde ich schon interessant.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

zweiundvierzig hat geschrieben:
ghostwriter hat geschrieben:
zweiundvierzig hat geschrieben:Aber bei der Erpressung finde ich es schwieriger, weil der S ja wirklich nur einen klar umgrenzten Teil der Tathandlung vornimmt.
Welchen Teil der Tathandlung bzw. welche Tatbestandsmerkmale erfüllt der S in eigener Person deiner Meinung nach denn nicht?
Bei S fehlt eigentlich die gesamte subjektive Komponente - ausgenommen des Vorsatzes bzgl. der Gewalt.

Schwierig zu sagen, ob er überhaupt wusste, dass es um das erzingen einer Kündigung ging. Und ob er daran dann auch noch ein Bereicherungsinteresse, und sei es zugunsten des V, hatte.... Hm.
Ja gut, ob diese subjektiven Merkmale bei S wirklich vorlagen, ist letztlich Tatfrage. Aber nach dem von dir in aller Kürze geschilderten SV wäre ich jetzt ohne weiteres davon ausgegangen, dass ja.

S wird wohl schon gewusst haben, worum es geht. Schließlich war er ja auch bei dem "Vorgespräch" anwesend.

An die Drittbereicherungsabsicht werden im Übrigen in rechtlicher Hinsicht keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn es dem Täter nur als Neben- oder Zwischenziel auf den Vermögensvorteil beim anderen ankommt. Daher wäre z. B. auch dann, wenn S primär handelte, um eine versprochene Zahlung von V zu erhalten, eine Bereicherungsabsicht zugunsten des V nicht ausgeschlossen.

Von daher würde ich im Normalfall, wenn nichts Gegenteiliges aus dem SV hervorgeht, schon davon ausgehen, dass der subjektive Tb. von S erfüllt wurde. Aber wie gesagt, ist letztlich eine Tatsachen- und weniger eine Rechtsfrage, zu der der SV wie von dir geschildert letztlich vielleicht nicht genug hergibt.
zweiundvierzig hat geschrieben:Mir ist auch klar, dass das nicht gerade super überzeugend klingt. Andererseits finde ich es auch wahnsinnig schwierig jemanden als Täter zu veruteilen, der mehr oder weniger offensichtlich die Tat wohl nicht als eigene will.
Wenn S den obj. und subj. Tb. in eigener Person vollständig erfüllt hat (wovon ich ausgehe, s.o.), dann ist er auf jeden Fall Täter, auch wenn er die Tat nicht als eigene wollte. Eine an sich gegebene Täterschaft kann nicht durch das Vorliegen eines bloßen Gehilfenwillens ("wollte die Tat nur als fremde") zur Teilnahme herabgestuft werden. Die subjektive Theorie wurde in dieser Extremform zum Teil zwar in der früheren Rspr. vertreten (RG im "Badewannenfall" und BGH im "Staschynskij-Fall"), heute gibt es aber wohl niemanden mehr, der das für richtig hält.
Antworten