Hypothetische Kausalität?
Moderator: Verwaltung
Hypothetische Kausalität?
Klassischer Beispielsfall:
A beschädigt das Auto des X. Drei Tage später fackelt B die Garage von X ab, in der das Auto normalerweise immer steht.
Var. A:
Die Garage war leer, weil sich das Auto bereits in der Werkstatt befand (noch nicht repariert). Es wäre bei dem Brand in der Garage, hätte es sich darin befunden, völlig zerstört worden.
Var. B:
Das beschädigte Auto stand beim Brand in der Garage und wurde durch diesen völlig zerstört.
Problem ist jeweils die haftungsausfüllende Kausalität.
Var. A wird dabei allgemein unter dem Stichwort hypothetische (auch: überholende) Kausalität diskutiert.
Aber was ist mit Var. B? Im einem AS-Skript wird auch dieser Fall ohne weiteres darunter gefasst. Die Kommentierung im Palandt könnte man allerdings so verstehen, dass die sog. hypothetische Kausalität nur dann vorliegt, wenn sich die "Reserveursache" (hier: die Zerstörung des Autos infolge der Brandstiftung durch B) tatsächlich nicht realisiert hat. Ich fände eine solche Betrachtung auch richtig, denn hier kann ja eigentlich nicht davon gesprochen werden, dass die Zerstörung infolge Brand nur eine hypothetische (also hinzuzudenkende) Ursache für den jetzigen Schaden war, das Auto wurde ja tatsächlich zerstört. Von daher würde ich in Var. B eher von einer sog. Doppelkausalität (sprich: letztlich waren beide Rechtsgutverletzungen für den Schaden ursächlich) sprechen.
Auf das Ergebnis kommt es mir nicht an, mir geht es eigentlich nur um die Begrifflichkeiten.
A beschädigt das Auto des X. Drei Tage später fackelt B die Garage von X ab, in der das Auto normalerweise immer steht.
Var. A:
Die Garage war leer, weil sich das Auto bereits in der Werkstatt befand (noch nicht repariert). Es wäre bei dem Brand in der Garage, hätte es sich darin befunden, völlig zerstört worden.
Var. B:
Das beschädigte Auto stand beim Brand in der Garage und wurde durch diesen völlig zerstört.
Problem ist jeweils die haftungsausfüllende Kausalität.
Var. A wird dabei allgemein unter dem Stichwort hypothetische (auch: überholende) Kausalität diskutiert.
Aber was ist mit Var. B? Im einem AS-Skript wird auch dieser Fall ohne weiteres darunter gefasst. Die Kommentierung im Palandt könnte man allerdings so verstehen, dass die sog. hypothetische Kausalität nur dann vorliegt, wenn sich die "Reserveursache" (hier: die Zerstörung des Autos infolge der Brandstiftung durch B) tatsächlich nicht realisiert hat. Ich fände eine solche Betrachtung auch richtig, denn hier kann ja eigentlich nicht davon gesprochen werden, dass die Zerstörung infolge Brand nur eine hypothetische (also hinzuzudenkende) Ursache für den jetzigen Schaden war, das Auto wurde ja tatsächlich zerstört. Von daher würde ich in Var. B eher von einer sog. Doppelkausalität (sprich: letztlich waren beide Rechtsgutverletzungen für den Schaden ursächlich) sprechen.
Auf das Ergebnis kommt es mir nicht an, mir geht es eigentlich nur um die Begrifflichkeiten.
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Var. B ist ein Fall des fehlenden Zurechnungszusammenhangs (Schutzzweckzusammenhangs): die Pflicht, das Auto nicht zu beschädigen, schützt nicht zugleich vor einer Zerstörung durch einen Brand. Vielmehr liegt ein eigenverantwortliches Dazwischentreten des B vor. A wird deswegen nach einer geringeren Quote als B haften müssen. Ganz wird der A der Haftung also nicht entgehen können.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Danke für die Antworten. Aber auf das Ergebnis, also wie der Fall zu lösen ist, kommt es mir wie gesagt nicht an. Mein Problem ist nur, ob auch Var. B unter das fällt, was man im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität unter dem Stichwort "hypothetische Kausalität" diskutiert.
Ich präzisiere mal das Bsp. von oben:
- von A verursachter Schaden: 5.000,-
- Schaden nach Zerstörung: 8.000,-
So, wenn ich nun einen Anspr. X gg. A aus 823 I BGB durchprüfe, sieht das verkürzt so aus:
1. Tb. (+) (Handlung - Kausalität - Rechtsgutverletzung)
2. Rechtswidrigkeit (+)
3. Verschulden (+)
4. Schaden?
-> haftungsausfüllende Kausalität
-> zunächst muss die Rechtsgutverletzung (= Beschädigung des Autos) kausal iSd Äquivalenztheorie zu einem Schaden geführt haben; P: aus jetziger Sicht kann die Beschädigung durch A hinweggedacht werden, ohne dass sich am jetzigen Schaden (8.000,-) etwas ändern würde.
In Var. A muss man, um letztere Aussage treffen zu können, allerdings hypothetisch hinzudenken, dass das Auto normalerweise in der Garage gestanden wäre und deshalb durch B zerstört worden wäre. Daher der Begriff "hypothetische Kausalität".
Nun spricht AS auch in Var. B von "hypothetischer Kausalität". Hier muss man aber die zweite Schadensursache, also die Rechtsgutverletzung durch B, gar nicht hypothetisch hinzudenken, denn B hat das Auto ja tatsächlich zerstört. Es ist mE daher nicht korrekt, auch hier den Begriff "hypothetische Kausalität" zu verwenden und so verstehe ich auch die Kommentierung im Palandt.
Der Begriff ist letztlich mein einziges Problem. Sprich, fällt auch Var. B unter die Fallgruppe "hypothetische Kausalität", ja oder nein?
Ich präzisiere mal das Bsp. von oben:
- von A verursachter Schaden: 5.000,-
- Schaden nach Zerstörung: 8.000,-
So, wenn ich nun einen Anspr. X gg. A aus 823 I BGB durchprüfe, sieht das verkürzt so aus:
1. Tb. (+) (Handlung - Kausalität - Rechtsgutverletzung)
2. Rechtswidrigkeit (+)
3. Verschulden (+)
4. Schaden?
-> haftungsausfüllende Kausalität
-> zunächst muss die Rechtsgutverletzung (= Beschädigung des Autos) kausal iSd Äquivalenztheorie zu einem Schaden geführt haben; P: aus jetziger Sicht kann die Beschädigung durch A hinweggedacht werden, ohne dass sich am jetzigen Schaden (8.000,-) etwas ändern würde.
In Var. A muss man, um letztere Aussage treffen zu können, allerdings hypothetisch hinzudenken, dass das Auto normalerweise in der Garage gestanden wäre und deshalb durch B zerstört worden wäre. Daher der Begriff "hypothetische Kausalität".
Nun spricht AS auch in Var. B von "hypothetischer Kausalität". Hier muss man aber die zweite Schadensursache, also die Rechtsgutverletzung durch B, gar nicht hypothetisch hinzudenken, denn B hat das Auto ja tatsächlich zerstört. Es ist mE daher nicht korrekt, auch hier den Begriff "hypothetische Kausalität" zu verwenden und so verstehe ich auch die Kommentierung im Palandt.
Der Begriff ist letztlich mein einziges Problem. Sprich, fällt auch Var. B unter die Fallgruppe "hypothetische Kausalität", ja oder nein?
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Genau das dachte ich, beantwortet zu haben: Nein, nein, nein! Warum hypothetisch? Die durch B gesetzte Ursache ist real-kausal geworden und nicht bloß hypothetisch-kausal!ghostwriter hat geschrieben:Mein Problem ist nur, ob auch Var. B unter das fällt, was man im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität unter dem Stichwort "hypothetische Kausalität" diskutiert.
Wenn aber der Brandschaden maßgeblich dem Letztschädiger zuzurechnen ist (darüber dürfte kein Zweifel bestehen), ist weiter zu fragen, ob der Schaden nicht wenigstens auch vom Erstschädiger (mit-)verursacht worden ist, ob es also zwischen dem ersten schädigenden Ereignis und dem letztlichen Schaden einen Zusammenhang (Zurechnungszusammenhang) gibt. Siehe Grünstreifen-Fall!
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
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Das sehe ich auch so.ghostwriter hat geschrieben:Es ist mE daher nicht korrekt, auch hier den Begriff "hypothetische Kausalität" zu verwenden und so verstehe ich auch die Kommentierung im Palandt.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Lacan hat geschrieben:Genau das dachte ich, beantwortet zu haben: Nein, nein, nein! Warum hypothetisch? Die durch B gesetzte Ursache ist real-kausal geworden und nicht bloß hypothetisch-kausal!ghostwriter hat geschrieben:Mein Problem ist nur, ob auch Var. B unter das fällt, was man im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität unter dem Stichwort "hypothetische Kausalität" diskutiert.
Genau das wollte ich hören! Ich war nur irgendwie verwirrt, weil das in dem AS-Skript offensichtlich anders gesehen wird. Besten Dank!Lacan hat geschrieben:Das sehe ich auch so.ghostwriter hat geschrieben:Es ist mE daher nicht korrekt, auch hier den Begriff "hypothetische Kausalität" zu verwenden und so verstehe ich auch die Kommentierung im Palandt.
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Bei uns in der Bib war auch nur die 12. Aufl. zu haben. Da sind immer die alten Urteile drin, die aber meines Erachtens beide nicht für deinen Fall eines tatsächlich verantwortlichen Dritten taugen:
I) BGHZ 29, 207, 215 (siehe auch Werner NJW 1959, 1823) betrifft folgenden Fall:
Die beklagte Stadt hatte eingewandt, „eine Haftung entfalle auch deshalb, weil die Gebäude im Kriege durch die zahlreichen auf das Land gefallenen Bomben doch zerstört worden wären“.
Werner (aaO) schreibt: Der III. ZS hat diesen Einwand abgelehnt und es als feststehende Rechtsprechung bezeichnet, daß, abgesehen von den sog. Anlagefällen, „spätere Ereignisse und ihre hypothetische Einwirkung auf den Ablauf der Dinge nur bei der Berechnung entgangenen Gewinns, bei der Ermittlung des Schadens aus fortwirkenden Erwerbsminderungen oder aus dem Ausfall ähnlicher langdauernder Vorteile von Bedeutung“ seien; „insoweit schreibt teilweise das Gesetz ausdrücklich die Berücksichtigung der mutmaßlichen späteren Entwicklung vor (vgl. §§ 249, 252, 844 BGB)“.
II.) BGH NJW 1958, 705: Eine hypothetische Schadensursache kann nicht zugunsten des Schädigers berücksichtigt werden, wenn sie in der schädigenden Handlung eines Dritten besteht und der Geschädigte bei Wirksamwerden dieser Ursache von dem Dritten Schadensersatz beanspruchen könnte. Dieses Urteil betrifft aber nur den Fall, dass der Schädiger behauptet, ein anderes, in Wirklichkeit gar nicht eingetretenes Ereignis hätte den Schaden ebenso verursacht.
I) BGHZ 29, 207, 215 (siehe auch Werner NJW 1959, 1823) betrifft folgenden Fall:
Die beklagte Stadt hatte eingewandt, „eine Haftung entfalle auch deshalb, weil die Gebäude im Kriege durch die zahlreichen auf das Land gefallenen Bomben doch zerstört worden wären“.
Werner (aaO) schreibt: Der III. ZS hat diesen Einwand abgelehnt und es als feststehende Rechtsprechung bezeichnet, daß, abgesehen von den sog. Anlagefällen, „spätere Ereignisse und ihre hypothetische Einwirkung auf den Ablauf der Dinge nur bei der Berechnung entgangenen Gewinns, bei der Ermittlung des Schadens aus fortwirkenden Erwerbsminderungen oder aus dem Ausfall ähnlicher langdauernder Vorteile von Bedeutung“ seien; „insoweit schreibt teilweise das Gesetz ausdrücklich die Berücksichtigung der mutmaßlichen späteren Entwicklung vor (vgl. §§ 249, 252, 844 BGB)“.
II.) BGH NJW 1958, 705: Eine hypothetische Schadensursache kann nicht zugunsten des Schädigers berücksichtigt werden, wenn sie in der schädigenden Handlung eines Dritten besteht und der Geschädigte bei Wirksamwerden dieser Ursache von dem Dritten Schadensersatz beanspruchen könnte. Dieses Urteil betrifft aber nur den Fall, dass der Schädiger behauptet, ein anderes, in Wirklichkeit gar nicht eingetretenes Ereignis hätte den Schaden ebenso verursacht.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Erst mal vielen Dank, dass du da extra noch nachgeschlagen hast! Genau um das von mir fett gemachte ging es mir. Das zitierte Urteil beträfe wohl mein Bsp. in der Var. A, in Var. B hat sich das zweite Schadensereignis aber ja gerade realisiert, daher nicht "hypothetisch". Denke auch, dass die beiden SVe in der rechtlichen Beurteilung nicht völlig gleich liegen, wobei ich in beiden Var. zu dem gleichen Ergebnis kommen würde, nämlich eben, dass der Erstschädiger haftet.Lacan hat geschrieben:II.) BGH NJW 1958, 705: Eine hypothetische Schadensursache kann nicht zugunsten des Schädigers berücksichtigt werden, wenn sie in der schädigenden Handlung eines Dritten besteht und der Geschädigte bei Wirksamwerden dieser Ursache von dem Dritten Schadensersatz beanspruchen könnte. Dieses Urteil betrifft aber nur den Fall, dass der Schädiger behauptet, ein anderes, in Wirklichkeit gar nicht eingetretenes Ereignis hätte den Schaden ebenso verursacht.
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Hast du das auch mal im Lange nachgelesen? Auch ganz nett ist der Aufsatz von Müller-Laube JZ 1991, 162-169. Es geht um Fälle, in denen die geschädigte Sache für den Geschädigten gewinnbringend oder zumindest kostenneutral veräußert werden konnte. kann sich der Schädiger darauf berufen?
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)