Eure Meinung zum Butterflymesser-Urteil

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Pippen
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Eure Meinung zum Butterflymesser-Urteil

Beitrag von Pippen »

Hi!

Vor kurzem hatte ich in der NJW den interessanten Butterflymesserfall gelesen. Ich fand, dass das OLG Düsseldorf alles andere als redlich argumentierte. Einen entsprechenden Kommentar/Leserbrief wollte die NJW aber nicht abdrucken ;). Was meint ihr zu meiner folgenden Ansicht?

"In seinem Urteil vom 25.10.2005 (NJW 9/2006, 630 ff.) beschäftigte sich das OLG Düsseldorf mit einem strafrechtlichen Verstoß gegen das LuftVG. Einen Journalisten wurde vorgeworfen, durch das Einschleusen eines Butterflymessers in ein Flugzeug - freilich zum Zwecke des Aufzeigens von Sicherheitsmängeln samt anschließender TV-Ausstrahlung - gegen das strafbewehrte Verbot des Mitführens von Waffen in Luftfahrzeugen verstoßen zu haben.

Nachdem das Gericht die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens bejaht hat, ging es der Frage nach, ob die Handlung auch rechtwidrig war. Hier unterläuft dem Gericht ein erheblicher argumentativer Fehler.
Zu Recht erkennt es zunächst, dass die zweifelsohne durch das tatbestandsmäßige Handeln vorläufig indizierte Rechtswidrigkeit auch durch die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit aufgehoben werden kann, mithin diese Grundrechte einen Rechtfertigungsgrund darstellen können. Diese Grundrechte schützen nämlich die Berichterstattung von der Informationsbeschaffung bis zur -gewährung. Grundrechtsausübung darf aus Gründen der Einheit von Rechtsordnung und Grundrechtswertigkeit niemals strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, so dass im Umkehrschluss Grundrechte ein Rechtfertigungsgrund für tatbestandlich strafbares Verhalten darstellen können.

Ob dieses Potential sich auch realisieren kann, darüber kann nur eine umfassende Grundrechtsprüfung und -abwägung Auskunft geben.
Das OLG Düsseldorf macht es sich in seinem Urteil allerdings zu einfach.

Seine erste Prämisse lautet: Die rechtwidrige Beschaffung von Informationen ist weder durch Meinungs-, Presse- noch die Rundfunkfreiheit gedeckt. Die zweite Prämisse lautet: Das (wiederholte) Einschleusen des Butterflymessers war eine solche rechtswidrige Maßnahme, so dass (Schluss) eine Rechtmäßigkeit durch ordnungsgemäßen Grundrechtsgebrauch von vornherein ausscheide.
So richtig die erste Prämisse ist, so unplausibel ist die zweite Prämisse (und mit ihr damit der daraus folgende Schluss). Dort setzt das Gericht einfach etwas voraus, was es gerade näher zu prüfen hätte, nämlich ob und inwiefern das journalistische Verhalten wirklich rechtswidrig war oder ob es nicht wegen der Presse- und Rundfunkfreiheit gerechtfertigt und damit rechtmäßig ist. Eine (echte) Prüfung und Abwägung, ob und inwiefern die Grundrechte des Beklagten in dem konkreten Falle einen Rechtfertigungsgrund darstellen können, unterbleibt. Das Gericht argumentiert mit einem klassischen Zirkelschluss bzw. einer petitio principii ohne Argumentationsinhalt.

Dabei erscheint es nicht unplausibel, dass der betroffene Journalist im Rahmen der ihm zustehenden Grundrechte handelte, ging es ihm doch vor allem um die kritische Begutachtung und Berichterstattung ohne die geringste wirkliche Gefährdung der Fluggäste. Gerade derartige „walraffsche Methoden“ sorgen letztlich dafür, dass die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit ihren Zweck voll ausschöpfen: den gesellschaftspolitischen Diskurs anzukurbeln.
Das Vorgehen des OLG in diesem Punkt war m.E. willkürlich im klassischen Sinne und damit verfassungsrechtlich nicht haltbar. Das Gericht hat es dadurch auch versäumt, dem Beklagten (und den Medien überhaupt) die Grenzen des modernen investigativen Journalismus nachvollziehbar aufzuzeigen."
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Bin dagegen, dass Pressefreiheit allein absolute Narrenfreiheit begründet, zumal sie schliesslich auch nicht schrankenlos gewährleistet wird.
Frage : wem sollte denn hier eine derartige Reportage darüber, dass es ohne weiteres möglich ist, ein Butterfly-Messer in ein Flugzeug einzuschleusen, nützen, welches Informationsinteresse hat hier die Öffentlichkeit und der Einzelne daraus.
Wenn es wirklich um die Verhinderung solcher Zustände, und nicht um die Sensation, Skandalisierung und Aufstachelung ginge, dann könnte man das hier doch besser ohne weiteres auch anders diskret und nicht mittels Sensationsjournalismus erreichen.
Also, dass hier insoweit die Pressefreiheit überwiegt, sehe ich nicht klar. Meine Meinung.
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Wer allerdings glaubt, journalistsich gerade investigativ im Interesse der Luftsischerheit zu handeln, könnte subjektiv sich insoweit auch mutmaßliche Einwilligung vorgestellt haben und sich daher fahrlässig im Erlaubnistatbestandsirrtum befunden haben und daher straffrei bezüglich der Vorsatzdelikte nach dem LufVG sein.
Pippen
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Beitrag von Pippen »

Es ging hier um keine inhaltliche, sondern eine formale Frage. Darf man als Gericht sagen: Du hast rechtswidrig gehandelt, weil du rechtswidrig ins Flugzeug gestiegen bist. Da würde jeder normale Mensch fragen: Was soll das, schon mal was von Zirkeln gehört? Das OLG hat eben gar nicht erst die Grundrechte abgewogen idS ob sie in dem konkreten Fall die Tat nun rechtfertigen können o. nicht.

ME ist das eigentlich ein Fall für Schneider, Logik für Juristen als Fallbsp. für logische/argumentative Fehler.
Gelöschter Nutzer

Re: Eure Meinung zum Butterflymesser-Urteil

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Pippen hat geschrieben:
Grundrechtsausübung darf aus Gründen der Einheit von Rechtsordnung und Grundrechtswertigkeit niemals strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen,
Na toll, wenn ich einem in die Fresse haue und von meiner allgemeinen Handlungsfreiheit gebrauch mache, darf ich also nicht strafrechtlich belangt werden. Da unterliegst du mE einem Zirkelschluss, indem du verkennst, dass das Strafrecht Grundrechte einschränkt und die Zulässigkeit der Grundrechtsausübung selbst von den Schranken der Grundrechte, mithin vom einfachen Recht abhängt.
so dass im Umkehrschluss Grundrechte ein Rechtfertigungsgrund für tatbestandlich strafbares Verhalten darstellen können.
Das ist mir neu. Hast du dafür eine Fundstelle?
Im Übrigen ist das auch wenig sinnvoll. Denn ob die Grundrechtsausübung zulässig ist, hängt wie gesagt von den Schranken ab. Sofern die Schranke selbst verfassungsmäßig ist und diese korrekt angewendet wird, kann das Verhalten jedenfalls keine Rechtfertigung über Verfassungsrecht mehr erfahren, da anderenfalls die Rechtsordnung sich selbst widerspräche.

Ich kann doch nicht sagen:
Das Verhalten xy ist strafbar, es ist nicht von Grundrecht z gedeckt.
Dann sage ich, die Person a hat tatbestandlich xy gehandelt und somit nicht im Rahmen des Grundrechts. Und schließlich mache ich ne Abwägung, dass das Verhalten plötzlich doch vom Grundrecht gedeckt ist. Wie soll das gehen? Das geht mE nur, wenn die Norm selbst verfassungsrechtlich zu beanstanden ist oder nicht korrekt angewendet wurde.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

In diesem Fall würde ich ohnehin sagen, dass es ganz egal ist, aus welchem Grund die Waffe an Bord geschmuggelt worden ist. Immerhin hätte auch jemand mit weniger guten Absichten, die Waffe entwenden und in gefährlicher Art und Weise einsetzen können.

Man denke nur an die Fälle, wo jemand den Einbrecher erschiessen wollte und dann entweder vom Einbrecher die Waffe abgenommen bekommen hat und selbst erschossen wurde oder irgendwann durchdrehte und mit der Waffe die eigene Frau zersemmelte.
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