[share-deal] Rechts- oder Sachmangel?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

alex011 hat geschrieben:Man nimmt eine wertende Betrachtung vor. Wenn jemand fast alle Anteile kauft, ist das zwar formal gesehen ein Rechtskauf an den Anteilen. Aber eigentlich hat er doch das Unternehmen gekauft. Deshalb lässt man Gewährleistungsansprüche durchgehen, wenn das Unternehmen einen Mangel hat, obwohl die Anteile für sich betrachtet eigentlich mangelfrei wären.
Ahso. Ich dachte, § 453 III wäre eine Sondervorschrift zu I. So verstanden wäre beim share deal kein Sachmangelrecht anwendbar, da nur solche Sachen erfasst sind, die der Käufer besitzen darf - bei der KG wäre das (ebensowenig wie bei der GmbH) aber nicht der Fall, da nur die Gesellschaft den Besitz an Gesellschaftsgegenständen ausübt.

Wenn man das Unternehmen - egal ob share oder asset deal - immer als "sonstigen Gegenstand" iSv § 453 I versteht, kommt man natürlich völlig unproblematisch zum § 434...

Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? #-o
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Manosfighter hat geschrieben:Ich werfe mal noch kurz den NJW 02, 1042 Artikel in die Runde...
Zweifelst du daran, dass es sich um einen Unternehmenskauf handelte?
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Werfe mal Grunewald NZG 2003, 372 (Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf von Unternehmensanteilen) ein.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Benutzeravatar
Manosfighter
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1899
Registriert: Montag 17. Oktober 2005, 00:43
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Beitrag von Manosfighter »

Lacan hat geschrieben:
Manosfighter hat geschrieben:Ich werfe mal noch kurz den NJW 02, 1042 Artikel in die Runde...
Zweifelst du daran, dass es sich um einen Unternehmenskauf handelte?
Naja zumindestens wurde das hier auch nicht so schlicht hingenommen... s.o.
"Die „Seehunde in der Nordsee“ sind im Verwaltungsstreitverfahren nicht beteiligungsfähig."
VG Hamburg, Beschluß vom 22.09.1988 - 7 VG 2499/88
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Wenn mind. 80% Anteile verkauft wurden, liegt ein Unternehmenskauf vor. (Oben war ja nur vom "größten Teil" die Rede - das können aber auch bloß 51% sein.)

Ansonsten Rechtskauf.
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

alex011 hat geschrieben:Ein Rechtsmangel an den Anteilen läge vor, wenn sie mit einem Pfandrecht oder sowas belastet wären.
Schlosser (JZ 1969, 337, 338) in der Anmerkung zu BGH NJW 1969, 184 (=JZ 1969, 336), wo sämtliche Warenautomaten des Unternehmens zur Sicherheit übereignet waren:

"Die Belastung des Kaufgegenstandes mit Schuldverpflichtungen stellt keinen Rechtsmangel des GmbH-Geschäftsanteiles selbst dar. Der Anteil erschöpft sich ausschließlich in der Vermittlung des auf der Stammeinlage basierenden Mitgliedschaftsrechts und steht zu etwaigen Mängeln am konkreten Bestand des Gesellschaftsvermögens in keiner unmittelbaren rechtlichen Beziehung [mit Verweis auf Larenz und Fikentscher]."
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hast du eigentlich einen juris-Zugang oder woher nimmst du die Nachweise?
Benutzeravatar
Manosfighter
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1899
Registriert: Montag 17. Oktober 2005, 00:43
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Beitrag von Manosfighter »

Lacan hat geschrieben:
alex011 hat geschrieben:Ein Rechtsmangel an den Anteilen läge vor, wenn sie mit einem Pfandrecht oder sowas belastet wären.
Schlosser (JZ 1969, 337, 338) in der Anmerkung zu BGH NJW 1969, 184 (=JZ 1969, 336), wo sämtliche Warenautomaten des Unternehmens zur Sicherheit übereignet waren:

"Die Belastung des Kaufgegenstandes mit Schuldverpflichtungen stellt keinen Rechtsmangel des GmbH-Geschäftsanteiles selbst dar. Der Anteil erschöpft sich ausschließlich in der Vermittlung des auf der Stammeinlage basierenden Mitgliedschaftsrechts und steht zu etwaigen Mängeln am konkreten Bestand des Gesellschaftsvermögens in keiner unmittelbaren rechtlichen Beziehung [mit Verweis auf Larenz und Fikentscher]."
Ja und wann läge denn dann ein Rechtsmangel überhaupt vor?!

@ mano... unser Lacan hat das alles im Kopf... Das wird mehr als VB :D
"Die „Seehunde in der Nordsee“ sind im Verwaltungsstreitverfahren nicht beteiligungsfähig."
VG Hamburg, Beschluß vom 22.09.1988 - 7 VG 2499/88
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hey, Manos, kauf dir doch mal'n Kommentar! Ich empfehle den Handkomm. aus dem Nomos-Verlag. Der ist wirklich gut (hab ich jetzt auch nochmal angeschafft, da lesbarer als der Palandt und nicht so überfrachtet).
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Manosfighter hat geschrieben:Ja und wann läge denn dann ein Rechtsmangel überhaupt vor?!
Gute Frage. Ob wegen § 453 I überhaupt noch ein Unterschied zwischen Rechts- und Sachmangel gezogen werden kann, ist die entscheidende Frage, die man mittels eines weiten oder engen Beschaffenheitsbegriffs zu beantworten sucht. Sehr deutlich wird das bei Barnert (WM 2003, 416 ff.), der diese Unterscheidung für den Unternehmenskauf durchexerziert.

@ Manolaw: Auf diesen Aufsatz bin ich bei Jung, HandelsR, S. 113 gestoßen.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Benutzeravatar
Manosfighter
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1899
Registriert: Montag 17. Oktober 2005, 00:43
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Beitrag von Manosfighter »

okay werde ich mir diesen mal vornehmen...
Und in Kommentare kann cih auch reinschauen, nur war diese Frage eher rethorischen Ursprungs, da es nach diesem Beispiel kaum noch Platz für Rechtsmängel wäre...
"Die „Seehunde in der Nordsee“ sind im Verwaltungsstreitverfahren nicht beteiligungsfähig."
VG Hamburg, Beschluß vom 22.09.1988 - 7 VG 2499/88
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Barnert WM 2003, 416-425

Beitrag von Lacan »

Zusammenfassung zur Informationshaftung beim Unternehmenskauf in Form des Anteilskaufs (Barnert WM 2003, 416-425):

1. Freie Konkurrenz: Die cic sollte beim Unternehmenskauf grds neben dem Sachgewährrecht gelten (425).

2. Grund: Der cic kommt eine vom späteren Zustandekommen des Vertrages und seiner Wirksamkeit unabhängige Rechtsnatur (425).

3. Abgrenzung: Ansprüche aus cic sollten immer dann ausgeschlossen sein, wenn sich die vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung auf Merkmale des Kaufgegenstands bezieht, die zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung hätten gemacht werden können (425).

4. Maßstab: Welche Fehler die Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I 1 erfasst, hängt vom Beschaffenheitsbegriff ab:

Problem: Ein Unternehmen wird nicht dadurch schlechter bzw. mangelhaft, dass bestimmte Informationen vorenthaften wurden. Dennoch kann es zum Äquivalenz- bzw. Zweckstörungen kommen, die sich aber regelmäßig nur auf den berechneten Kaufpreis beziehen können, nicht auf das Unternehmen. Das wird noch deutlicher, wenn es sich lediglich um einen Anteilskauf, also einen Rechtskauf handelt. Grundsätzlich soll der Verkäufer nur für den Bestand des Rechts haften, dessen Verität. Erst wenn der Verkäufer den "beherrschenden Anteil" am Unternehmen erwirbt, soll auch auf die Bonität des Rechts gehaftet werden. Dann aber setzt sich der Streit um die Reichweite des Beschaffenheitsbegriffs fort.

a. restriktiver Beschaffenheitsbegriff: Die Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtskauf ist durch § 453 I nicht beseitigt. Für Beschaffenheitsmängel haftet der Anteilsverkäufer deswegen nur in dem Sonderfall, dass das verkaufte Recht zum Besitz einer Sache berechtigt und diese sache Mängel hat, § 453 III. Darüber hinaus kommen allein Rechtsmängel in Betracht (419). Außnahme von dieser Regel ist der Fall, dass der Käufer nahezu alle Beteiligungsrechte erworben hat (420). Das entspricht der alten Rechtslage.

b. extensiver Beschaffenheitsbegriff: § 453 I beseitigt die Unterscheidung von Sach- und Rechtskauf. Deswegen hat der Anteilsverkäufer auch dann Gewähr zu leisten, wenn es sich nicht um einen Rechtsmangel handelt. Entscheidend ist allein die dokumentierte oder mündlich in Bezug genommene Beschreibung des verkauften Gesellschaftsanteils sowie ihre ausdrückliche oder konkludente Einbeziehung in den Vertragsschluss. Das gilt unabhängig von der Höhe des erworbenen Anteils. (420).

Barnert folgt dem weiten Beschaffenheitsbegriff, dieses aber nur eingeschränkt, indem er diesen begrenzt, um noch Raum für die cic-Informationshaftung zu lassen, die er offensichtlich für sachgerechter hält (vgl. 421, 423).

aa. Notwendigkeit der Begrenzung: Die Rechtsfolgen des kaufrechtlichen Gewährleistungssystems, insb. die Nacherfüllung lassen sich nicht bruchlos auf den Kaufgegenstand Unternehmen übertragen (421). Problem ist einerseits die Unsicherheit bei der Bewertung der Werthaftigkeit eines Unternehmens. Hier kommt es regelmäßig zu unerwarteten Belastungen oder Zuwächsen (vgl. 422). Aber selbst wenn ein Informationsmangel zu einem Mangel in Bezug auf das Gesamtunternehmen führte, so entziehen sich abgeschlossene wirtschaftliche Bewertungsperioden einer Nachbesserung in die Vergangenheit hinein (422). In allen Fällen, in denen die Rspr unter dem Gesichtspunkt der cic entschieden hatte, ging es entweder um die Aufhebung des Kaufvertrages oder um die Anpassung des Kaufpreises. Die cic war der richtige Standort für den Ausgleich von Informationsdefiziten.

bb. Begrenzung durch Auslegung: Um nicht das in § 434 I vorausgesetzte Vertragsprinzip leerlaufen zu lassen, darf sich die Einstandspflicht des Verkäufers nicht auf alle seine Angaben unabhängig von einem vertraglichen Bindungswillen erstrecken (vgl. 423). Der Verkäufer sollte danach nur für die Angaben haften, die er vorlegt und von denen der Käufer erwarten kann, dass der Verkäufer sie seinem Einstandswillen zugrunde legt. Der Empfängerhorizont des Käufers bildet somit die Schnittstelle für die Abgrenzung der kaufrechtlichen Gewährhaftung von der vorvertraglichen Informationshaftung (423).

* * *

Barnert legt seinen Überlegungen das Due Diligence-Verfahren zugrunde (vgl. 423). Deswegen bleibt doch die Frage, was mit Informationen ist, die der Verkäufer (vielleicht fahrlässigerweise) dem Käufer nicht vorlegt. Soweit ich das sehe, bearbeitet der Aufsatz diese Frage nicht.

Man müsste mangels vereinbarter Beschaffenheit gem. § 434 I 2 auf die Sollbeschaffenheit ausweichen. Das dürfte bei einem Unternehmen gänzlich ausgeschlossen sein, da nachvollziehbare Maßstäbe zu finden. Man müsste deshalb entweder auf cic, Fortfall der Geschäftsgrundlage oder auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zurückgreifen.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Interessant. Poste das doch nochmal in das Rechtsnews-Forum. Dann bleibt es länger nachlesbar.
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Ist das so usus?

btw: der von Barnert zitierte Aufsatz von Huber (AcP 202, 179 ff.) ist ebenfalls sehr aufschlussreich.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Manolaw hat geschrieben:Poste das doch nochmal in das Rechtsnews-Forum.
Wenn ich die "besonderen Foren-Regeln" lese, habe ich schon kein Bock mehr.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Antworten