Verlobung und Zeugnisverweigerungsrecht, muss Gericht nachfragen?
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Verlobung und Zeugnisverweigerungsrecht, muss Gericht nachfragen?
Hallo Forum,
inwieweit muss das Gericht eine Zeugin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinweisen, welches sie als Verlobte des Angeklagten hat, obwohl das Gericht nichts von einer Verlobung weiss?
Muss also das Gericht konkret nachfragen ob eine Verlobung vorliegt und dann belehren, oder hat die Belehrung nur dann zu erfolgen, wenn die Zeugin auf ihre Verlobung hinweist?
Zusatzfrage: Durch die Feststellung, dass die Zeugin mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert ist, wird ja nichts über eine Verlobung gesagt oder?
Vielen Dank im Voraus für Eure Tipps.
Dunja
inwieweit muss das Gericht eine Zeugin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinweisen, welches sie als Verlobte des Angeklagten hat, obwohl das Gericht nichts von einer Verlobung weiss?
Muss also das Gericht konkret nachfragen ob eine Verlobung vorliegt und dann belehren, oder hat die Belehrung nur dann zu erfolgen, wenn die Zeugin auf ihre Verlobung hinweist?
Zusatzfrage: Durch die Feststellung, dass die Zeugin mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert ist, wird ja nichts über eine Verlobung gesagt oder?
Vielen Dank im Voraus für Eure Tipps.
Dunja
- bilguer
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Doch im Rahmen der Frage nach Verwandschaft oder Verschwägerung müsste dieses Problem aufgeklärt werden.Zusatzfrage: Durch die Feststellung, dass die Zeugin mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert ist, wird ja nichts über eine Verlobung gesagt oder?
Regelmäßig wird schon irgendeiner eine Verlobung ansprechen.
Gruß
bilguer
hmm...es ist schon spät, aber es gab da mal ne Entscheidung vom BGH, die sich mit diesem/ einem ähnlichen Problem beschäftigt hat (BGH, Urteil v. 28.05.2003; StV 2003, 605). Die Besprechung dazu findest Du in der Life&Law 2/2004, S. 119ff. Ich habe es gerade überflogen: am Ende steht auch etwas zu Deiner Frage...sorry, bin zu müde, um das jetzt wieder zu geben
- bilguer
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Das steht in besagtem Urteil:
3. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob und bejahendenfalls inwieweit das Revisionsgericht an die tatrichterlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Verlöbnisses zwischen einem Zeugen und dem Angeklagten gebunden ist (vgl. u.a. RG JW 1928, 414; 1929, 861; OGHSt 2, 173; Meyer-Goßner aaO Rdn. 17; Kuckein in KK 4. Aufl. Rdn. 3; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Rdn. 89-91 jeweils zu § 337) und ob - unabhängig von dem Verhalten des Zeugen in der Hauptverhandlung - für eine Belehrungspflicht auch von Bedeutung ist, daß der Ermittlungsrichter die Zeugin ausdrücklich danach gefragt hat, ob sie mit dem Angeklagten verlobt sei und sie dies wahrheitswidrig verneint hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zwar für die Wirksamkeit eines auf Verwandtschaft und Schwägerschaft beruhenden Zeugnisverweigerungsrechts ohne rechtliche Bedeutung, wenn ein Zeuge sich selbst als "mit dem Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert" bezeichnet, weil es auf die Kenntnis des Gerichts von dem bestehenden Angehörigenverhältnis nicht ankommt (vgl. BGH StV 1988, 89, 90; 1992, 308; 2002, 3 = NStZ-RR 2001, 259; für § 60 StPO: BGHSt 20, 98 ff.; 22, 266 ff.; vgl. aber auch BGHSt 32, 25, 30, 31). Ob an dieser Rechtsprechung auch bei dem auf einem Verlöbnis beruhenden Zeugnisverweigerungsrecht festgehalten werden soll, läßt der Senat offen. Dagegen könnte sprechen, daß das Verlöbnis ein vom Willen der Betroffenen abhängiges, an keine Form gebundenes Rechtsverhältnis ist (vgl. dazu Palandt/Brudermüller, BGB 62. Aufl. Einf. vor § 1297 Rdn. 1 und 2), das auch form- und fristlos von einem der Beteiligten aufgelöst werden kann (vgl. § 1298; Palandt/Brudermüller aaO § 1298 Rdn. 1). Die Auflösung eines bestehenden Verlöbnisses kommt sogar dann in Betracht, wenn einer der Beteiligten einseitig den Heiratswillen aufgibt, ohne daß der andere Teil davon Kenntnis hat (BGHSt 3, 215, 216: Senge aaO Rdn. 12; Dahs in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Rdn. 7 jeweils zu § 52 m.w.N.). Angesichts dieser tatsächlichen Unsicherheiten über das Entstehen und die Dauer des das Zeugnisverweigerungsrecht auslösende Rechtsverhältnisses "Verlöbnis" erscheint vor allem in Fällen der Täuschung über ein Verlöbnis eine Anwendung der genannten Rechtsprechung, die in Fällen eines kraft Gesetzes bestehendes Rechtsverhältnisses (Verwandtschaft, Schwägerschaft) eine sachliche Berechtigung haben kann, fraglich.
3. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob und bejahendenfalls inwieweit das Revisionsgericht an die tatrichterlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Verlöbnisses zwischen einem Zeugen und dem Angeklagten gebunden ist (vgl. u.a. RG JW 1928, 414; 1929, 861; OGHSt 2, 173; Meyer-Goßner aaO Rdn. 17; Kuckein in KK 4. Aufl. Rdn. 3; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Rdn. 89-91 jeweils zu § 337) und ob - unabhängig von dem Verhalten des Zeugen in der Hauptverhandlung - für eine Belehrungspflicht auch von Bedeutung ist, daß der Ermittlungsrichter die Zeugin ausdrücklich danach gefragt hat, ob sie mit dem Angeklagten verlobt sei und sie dies wahrheitswidrig verneint hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zwar für die Wirksamkeit eines auf Verwandtschaft und Schwägerschaft beruhenden Zeugnisverweigerungsrechts ohne rechtliche Bedeutung, wenn ein Zeuge sich selbst als "mit dem Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert" bezeichnet, weil es auf die Kenntnis des Gerichts von dem bestehenden Angehörigenverhältnis nicht ankommt (vgl. BGH StV 1988, 89, 90; 1992, 308; 2002, 3 = NStZ-RR 2001, 259; für § 60 StPO: BGHSt 20, 98 ff.; 22, 266 ff.; vgl. aber auch BGHSt 32, 25, 30, 31). Ob an dieser Rechtsprechung auch bei dem auf einem Verlöbnis beruhenden Zeugnisverweigerungsrecht festgehalten werden soll, läßt der Senat offen. Dagegen könnte sprechen, daß das Verlöbnis ein vom Willen der Betroffenen abhängiges, an keine Form gebundenes Rechtsverhältnis ist (vgl. dazu Palandt/Brudermüller, BGB 62. Aufl. Einf. vor § 1297 Rdn. 1 und 2), das auch form- und fristlos von einem der Beteiligten aufgelöst werden kann (vgl. § 1298; Palandt/Brudermüller aaO § 1298 Rdn. 1). Die Auflösung eines bestehenden Verlöbnisses kommt sogar dann in Betracht, wenn einer der Beteiligten einseitig den Heiratswillen aufgibt, ohne daß der andere Teil davon Kenntnis hat (BGHSt 3, 215, 216: Senge aaO Rdn. 12; Dahs in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Rdn. 7 jeweils zu § 52 m.w.N.). Angesichts dieser tatsächlichen Unsicherheiten über das Entstehen und die Dauer des das Zeugnisverweigerungsrecht auslösende Rechtsverhältnisses "Verlöbnis" erscheint vor allem in Fällen der Täuschung über ein Verlöbnis eine Anwendung der genannten Rechtsprechung, die in Fällen eines kraft Gesetzes bestehendes Rechtsverhältnisses (Verwandtschaft, Schwägerschaft) eine sachliche Berechtigung haben kann, fraglich.
Ich habe auch letztens etwas darüber gelesen im Beck-Newsticker, aber war es nicht ein Vorschlag des Bundesrates? Ich kann mich nicht genau erinnern.Schönfelderin hat geschrieben:Ist es nicht grad eh schon durch den Bundestag, dass das Zeugnisverweigerungsrecht für Verlobte abgeschafft werden soll?
@raskolnikov: Danke!
Zur Abschaffung des ZeugnisverweigerungsR bei Verlobten habe ich das hier bei beck.de gefunden:
"Bundesrat will Zeugnisverweigerungsrecht für Verlobte abschaffen
Der Bundesrat will das Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht für Verlobte abschaffen. Die Länderkammer hat dazu einen Gesetzentwurf (BT-Dr 16/516 ) vorgelegt.
Die missbräuchliche Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts für Verlobte habe sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einem Hindernis für eine effektive Strafverfolgung und für die Wahrheitsfindung in gerichtlichen Verfahren entwickelt, heißt es zur Begründung. Das Bestehen eines Verlöbnisses könne von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten „kaum überprüft werden“. Deshalb werde ein Verlöbnis vielfach zu Unrecht behauptet, um missliebige Aussagen zu vermeiden. Folge sei, dass Täter nicht belangt werden könnten, weil sich Hauptbelastungszeugen auf ein Verlöbnis mit dem Beschuldigten berufen.
In ihrer Stellungnahme erklärt die Bundesregierung, für die Zunahme des Missbrauchs von Verlöbnissen lägen ihr „keine rechtstatsächlichen Erkenntnisse“ vor. Die Initiative der Länderkammer beschränke sich insoweit auf eine Behauptung; „belastbare Tatsachen“ dafür fehlten. Die Regierung erklärt weiter: „Sollte ein wirkliches Bedürfnis belegt werden können, müsste sorgfältig überlegt werden, auf welche Weise eine sachgerecht Neugestaltung im Kontext der Zeugnisverweigerungsrechte aus persönlichen Gründen erfolgen kann“.
heute im bundestag Nr. 43 v. 14. 2. 2006"
Zur Abschaffung des ZeugnisverweigerungsR bei Verlobten habe ich das hier bei beck.de gefunden:
"Bundesrat will Zeugnisverweigerungsrecht für Verlobte abschaffen
Der Bundesrat will das Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht für Verlobte abschaffen. Die Länderkammer hat dazu einen Gesetzentwurf (BT-Dr 16/516 ) vorgelegt.
Die missbräuchliche Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts für Verlobte habe sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einem Hindernis für eine effektive Strafverfolgung und für die Wahrheitsfindung in gerichtlichen Verfahren entwickelt, heißt es zur Begründung. Das Bestehen eines Verlöbnisses könne von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten „kaum überprüft werden“. Deshalb werde ein Verlöbnis vielfach zu Unrecht behauptet, um missliebige Aussagen zu vermeiden. Folge sei, dass Täter nicht belangt werden könnten, weil sich Hauptbelastungszeugen auf ein Verlöbnis mit dem Beschuldigten berufen.
In ihrer Stellungnahme erklärt die Bundesregierung, für die Zunahme des Missbrauchs von Verlöbnissen lägen ihr „keine rechtstatsächlichen Erkenntnisse“ vor. Die Initiative der Länderkammer beschränke sich insoweit auf eine Behauptung; „belastbare Tatsachen“ dafür fehlten. Die Regierung erklärt weiter: „Sollte ein wirkliches Bedürfnis belegt werden können, müsste sorgfältig überlegt werden, auf welche Weise eine sachgerecht Neugestaltung im Kontext der Zeugnisverweigerungsrechte aus persönlichen Gründen erfolgen kann“.
heute im bundestag Nr. 43 v. 14. 2. 2006"
- bilguer
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Dazu fällt mir ein: in einer Hauptverhandlung, bei der ich während des Praktikums beim Jugendstrafrichter zugehört habe, hat eine sehr junge sehr blonde Dame behauptet, mit dem Angeklagten verlobt zu sein. Die daraufhin folgende Frage, ob sie ihn denn auch heiraten wolle, hat sie dann ganz spontan ganz empört verneint... Problem gelöst
Nur noch Schnösel und Spießer.
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Vielen Dank für die bisherigen Antworten.
Das benannte Urteil hilft mir bei meiner Fragestellung aber nicht so richtig weiter, denn es behandelt eher die Frage, was passiert, wenn die Frage nach Verlobung wahrheitswidrig verneint wird.
Was ist nun aber, wenn die Zeugin nie nach Verlobung gefragt wurde?
Wenn im Protokoll der Hauptverhandlung drin steht, dass die Zeugin mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert ist so ist damit von einer möglichen Verlobung doch noch nichts gesagt.
Ich präzisier nochmals meine Frage: Muss das Gericht immer konkret nachfragen ob eine Verlobung zwischen Zeugin und Angeklagten besteht?
Was passiert wenn das Gericht nicht nachfragt, deswegen eine Verlobung nicht "aufgedeckt" wird und daher die Zeugin auch nicht belehrt wird? Normalerweise ist die Aussage dann ja nicht verwertbar. Kann man dann evtl. sagen, die Zeugin hätte auf die Verlobung hinweisen müssen?
Das benannte Urteil hilft mir bei meiner Fragestellung aber nicht so richtig weiter, denn es behandelt eher die Frage, was passiert, wenn die Frage nach Verlobung wahrheitswidrig verneint wird.
Was ist nun aber, wenn die Zeugin nie nach Verlobung gefragt wurde?
Wenn im Protokoll der Hauptverhandlung drin steht, dass die Zeugin mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert ist so ist damit von einer möglichen Verlobung doch noch nichts gesagt.
Ich präzisier nochmals meine Frage: Muss das Gericht immer konkret nachfragen ob eine Verlobung zwischen Zeugin und Angeklagten besteht?
Was passiert wenn das Gericht nicht nachfragt, deswegen eine Verlobung nicht "aufgedeckt" wird und daher die Zeugin auch nicht belehrt wird? Normalerweise ist die Aussage dann ja nicht verwertbar. Kann man dann evtl. sagen, die Zeugin hätte auf die Verlobung hinweisen müssen?
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Vielleicht kann man die Grundsätze zur Verwandtschaft/Schwägerschaft anwenden. Wenn man da nämlich sagt, dass es nichta uf die Kenntnis des Gerichts ankommt, könnte man das ja auch auf Verlobte übertragen.
Es gibt ja kein schlechteres oder besseres Zeugnisverweigerungsrecht.
Einziges Gegenargument: die Verwandtschaft/Schwägerschaft kann man sich nicht aussuchen. Das Verlöbnis schon.
Es gibt ja kein schlechteres oder besseres Zeugnisverweigerungsrecht.
Einziges Gegenargument: die Verwandtschaft/Schwägerschaft kann man sich nicht aussuchen. Das Verlöbnis schon.
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