Erpressung/Nötigung>schwierig

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
Gelöschter Nutzer

Erpressung/Nötigung>schwierig

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

huh, schönen feiertag zunächst mal.
erstmal was allgemeines; man prüft doch ne erpressung vor einer nötigung, da die ja das speziellere delikt is, oder?
jetzt zum prob.
A droht dem B mit einer Zivilklage, falls dieser im nicht die von ihm geliehenen 250€ zurückzahlt; B hat sich aber nur 50€ bei A geliehen.
meine frage, is das ne erpressung/nötigung?
das mittel is ja an sich erlaubt, der zweck aber hier doch nicht, da ihm nur 50 euro zustehen, ich bin ganz verwirrt.
hoffe es gibt hier genies-...
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo Chris89!
Ich versuche mich jetzt mal einfach an deinen Fragen:
man prüft doch ne erpressung vor einer nötigung, da die ja das speziellere delikt is, oder?
So ist es. :thumbright:

Zum Fall:
Ich würde Erpressung bejahen.
1. Der Zweck ist verwerflich, da der Täter ein Verhalten bezweckt, auf das er keinen Anspruch hat.
2. Das Nötigungsmittel könnte auch verwerflich sein. Eine Zivilklage ist zwar prinzipiell nichts Verwerfliches, aber man könnte hier vielleicht darauf abstellen, dass er auf etwas klagen will, worauf er gar keinen Anspruch hat. Das könnte ja auf einen Prozessbetrug hinauslaufen und wäre dann sicher verwerflich...ich bin allerdings nicht sicher, ob die Argumentation vielleicht etwas zu weit geht. Dazu könnte ja mal jemand anderes was sagen.
3. Die Verwerflichkeit von Zweck oder Mittel können aber sowieso nur ein Indiz für die Rechtswidrigkeit sein.
Entscheidend sind ja nicht Zweck oder Mittel allein, sondern eigentlich die Verwerflichkeit ihrer Relation. Und die ist hier natürlich gegeben.
LG, 0degree
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Die Drohung mit einer Zivilklage ist grds. kein empfindliches Übel, weil es sich formell gesehen um ein erlaubtes Verhalten handelt: jeder kann eine Forderung einklagen, wenn er nur meint, dass sie ihm zustünde. Die Drohung mit einem grds. erlaubten Verhalten stellt aber ausnahmsweise ein empfindliches Übel dar, wenn das Verhalten verwerflich ist iSd § 240 II (vgl. Kindhäuser 240, 21).

@ 0degree:
zu 1.: Sehe ich auch so.
zu 2.: Nur weil es auf einen Prozessbetrug hinauslaufen könnte, ist das Mittel der Zivilklage noch lange nicht verwerflich.
zu 3.: Es fehlt an einem inneren Zusammenhang zwischen der Klageandrohung und der Geldforderung, wenn diese nicht besteht.

Die Klageandrohung ist insoweit nur verwerflich iHd zuviel Verlangten.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

dh im ergebnis eine strafbarkeit gem. § 253 oder was?

zu 3.: Es fehlt an einem inneren Zusammenhang zwischen der Klageandrohung und der Geldforderung, wenn diese nicht besteht.

Die Klageandrohung ist insoweit nur verwerflich iHd zuviel Verlangten.
was bedeutet das nun?
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Muss man dir alles vorkauen?
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

ja, in dem fall schon; finde nicht, dass es so klar ist.
das mittel ist ja wohl klar erlaubt; und der zweck nur bezüglich dem zuviel gezahltem geld verwerflich; meine frage wie sich das dann auf dei strafbarkeit auswirkt find ich gar nicht so doof; außerdem steht weder in irgendeinem buch noch kommentar was gescheites dazu drin
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Beitrag von Lacan »

Ich hadere noch mit dem Übel. Man sagt ja, dass das Übel von solcher Erheblichkeit sein muss, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten iSd Täterverlangens zu motivieren (zB Rengier BT II 23/44). Maßstab ist, ob man als besonnener Dritter solch einer Drohung standhalten muss. B könnte ja auch sagen: Verklag mich doch, du Typ. Für ein Übel iSd § 253 bzw. § 240 reicht also nicht schon ein zu erwartender Nachteil aus. Es muss mehr sein, eine Ausnahme von der Regel, dass man sich Einiges gefallen lassen muss.

Erst mit Bejahen eines empfindlichen Übels kommen wir zur Prüfung der Verwerflichkeit. Da bin ich zu voreilig drauf eingegangen.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

danke lacan; genau das hab ich mir auch gedacht!
ist wohl argumentationssache in dem fall. problem ist, wenn der B sagt " komm verklag mich doch", hat der A die bessere beweislage dadurch, dass er was schriftliches hat. weiss aber net, ob das etwas ändert am ergebnis hier. eigentlich finde ich ja rein gefühlsmäßig eine bestrafung wegen erpressung etwas zu heavy; ich find der B sollte dem mit ruhigem gewissen entgehen sehen können und aus die maus.
naja, werds mir nochmal genauer ansehn..
Benutzeravatar
nemesis
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 826
Registriert: Donnerstag 16. Dezember 2004, 18:37

Beitrag von nemesis »

Ist der zu befürchtende Nachteil (Grundlose Klage) geeignet, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten (Zahlung) zu bestimmen? Nein! Also kein empfindliches Übel i.S.d §§ 253, 240 StGB.
"We can't shoot a dog. People, okay, but not dogs." (Riggs, Lethal Weapon 3)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@ nemesis
gibt es vielleicht auch textbelege, dass die drohung mit einer unbegründeten klage kein empfindliches übel darstellt?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

vom gefühl her komme ich zum gleichen ergebnis wie nemesis, nur eine begründung bzw ein beleg fehlt mir dazu leider noch.
wüsste nur das telefonsexurteil des OLG Karlsruhe von 1996, da wurde auch ein empfindliches übel verneint.
Benutzeravatar
nemesis
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 826
Registriert: Donnerstag 16. Dezember 2004, 18:37

Beitrag von nemesis »

katjaa hat geschrieben:@ nemesis
gibt es vielleicht auch textbelege, dass die drohung mit einer unbegründeten klage kein empfindliches übel darstellt?
Einfach mal nach der Rechtsprechung zu dem Selbstverantwortungsprinzip im Rahmen des § 240 StGB suchen und den Sachverhalt dann darunter subsumieren.

Wenn der Täter allerdings einen Schuldschein in betrügerischer Weise erlangt hätte (wie in http://www.jura.uni-mainz.de/~hettinger/Materialien.html (Verwaister Link automatisch entfernt) :-w ), sähe das Ergebnis wegen der Beweislage m.E. wohl anders aus.
"We can't shoot a dog. People, okay, but not dogs." (Riggs, Lethal Weapon 3)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo zusammen!
Ihr habt Recht, selbstverständlich kann man keinen besonnenen Menschen dazu bringen, etwas zu zahlen, das er gar nicht schuldet, indem man ihm droht, sonst darauf zu kagen! War blöd von mir!
#-o
zu 3.: Es fehlt an einem inneren Zusammenhang zwischen der Klageandrohung und der Geldforderung, wenn diese nicht besteht.
Diesen Satz verstehe ich irgendwie nicht.... wieso muss ein innerer Zusammenhang bestehen und was genau ist das?! Reicht es nicht, dass die Klageandrohung das Mittel zur Erzwingung der Geldforderung sein soll? Bin verwirrt... ich hab hier den Joeck's, aber darin finde ich keine Erklärung...

Und noch eins: Eine berechtigte Strafanzeige ist ja anerkanntermaßen ein empfindliches Übel. Wie ist es mit einer unberechtigten? Würdet ihr davon ausgehen, dass ein rechtstreuer Bürger davon so fest daran glaubt, dass seine Unschuld bewiesen wird, dass er sich von der Drohung nicht beeindrucken lässt? Ich hätt da glaub ich schon Angst... :-w ...hehe! Und wie ist es mit einer berechtigten Zivilklage?!

Ciao, 0degree
Lacan
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1896
Registriert: Sonntag 20. November 2005, 17:04
Ausbildungslevel: RA

Nötigung mittels berechtigter Klage?

Beitrag von Lacan »

0degree hat geschrieben:
zu 3.: Es fehlt an einem inneren Zusammenhang zwischen der Klageandrohung und der Geldforderung, wenn diese nicht besteht.
Diesen Satz verstehe ich irgendwie nicht.... wieso muss ein innerer Zusammenhang bestehen und was genau ist das?! Reicht es nicht, dass die Klageandrohung das Mittel zur Erzwingung der Geldforderung sein soll?
"Die Drohung mit einer berechtigten Strafanzeige (Chantage) ist rechtswidrig (verwerflich), wenn sie mit dem verfolgten Ziel in keinem inneren Zusammenhang steht (fehlende Konnexität)" (Kindhäuser LPK-StGB § 240 Rn 54).
0degree hat geschrieben:Und noch eins: Eine berechtigte Strafanzeige ist ja anerkanntermaßen ein empfindliches Übel. Wie ist es mit einer unberechtigten? Würdet ihr davon ausgehen, dass ein rechtstreuer Bürger davon so fest daran glaubt, dass seine Unschuld bewiesen wird, dass er sich von der Drohung nicht beeindrucken lässt? Ich hätt da glaub ich schon Angst... :-w ...hehe! Und wie ist es mit einer berechtigten Zivilklage?!
Übel ja, aber empfindliches Übel? Die Tat bzw. der Eingriff in die Güter des Opfers müsste eine Notstandslage begründen (vgl Kindhäuser LPK-StGB § 240 Rn 17: jedenfalls nach normativer Deutung).

Eine unberechtigte Anzeige bedeutet aber keine Not, wenn das Opfer sicher weiß, dass es sich entlasten kann bzw. im Zivilprozess, dass es für den behaupteten Anspruch keinen Rechtsgrund und auch keine stichhaltigen Beweise gibt. Mit einer berechtigten Klage bzw. Anzeige hat der Täter das Opfer schon eher in der Hand.

Eine berechtigte Zivilklage könnte etwa dann (ausnahmsweise) eine Notlage erzeugen, wenn das Opfer sich dadurch seiner Existenz beraubt sieht oder etwa das Sorgerecht entzogen werden soll. Hier kommt man mit einer "normativen Deuting" nicht weiter, weil die "Angriffe" des Täters bzw. die geltend gemachten Ansprüche normativ gerechtfertigt wären. Man müsste hier ausnahmsweise auf die besondere Lage des Opfers eingehen, wenn sie der Täter wissentlich ausnutzt. Ein besonnener Durchschnittsbürger dagegen müsste das aushalten. Oder man müsste die Berechtigung der Zivilklage verneinen. Das aber dürfte bei einem berechtigten Anspruch ausgeschlossen sein. Bleibt also nur die Möglichkeit, ausnahmsweise auf die besondere lage des Opfers einzugehen. Ein solcher Fall ist mir aber nicht bekannt.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Die Drohung mit einer berechtigten Strafanzeige (Chantage) ist rechtswidrig (verwerflich), wenn sie mit dem verfolgten Ziel in keinem inneren Zusammenhang steht (fehlende Konnexität)" (Kindhäuser LPK-StGB § 240 Rn 54).
Aha, ich glaube das hab ich kapiert! Es ist also nicht verwerflich zu sagen:"Wenn du nicht sofort von meinem Grundstückverschwindest, zeige ich dich wegen Hausfriedensbruchs an!" aber es ist verwerflich zu sagen:"Ich weiß, dass du etwas gestohlen hast und wenn du mir nicht sofort das Geld zurückzahlst, dass du mir schuldest, werde ich dich deswegen anzeigen!" Wenn ich das richtig verstanden habe, leuchtet das ja auch ein! :) Vielen Dank!
Antworten