Kanibalen-Mord ?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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schlemil
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Kanibalen-Mord ?

Beitrag von schlemil »

Hatte schon mal einen Threat zum Thema (Kanible von Rothenburg),
auch wenn´s besonders eklich erscheint.
Habe gerade noch mal die BGH Entscheidung gelesen.
Der BGH will grundsätzlich Mord zur Befriedigung des Sexualtriebes und zur Ermöglichung einer Straftat bejaht wissen.
Möchte hier mal meine Zweifel insoweit kundtun und zur Diskussion stellen.

Der Täter hat planmässig mit Einwilligung des Opfers dieses getötet, geschlachtet und teils gegegessen, das ganze per Video aufgezeichnet und das Video mindeststens einmal als Ornaniervorlage benutzt.

Der BGH meint, zur Befriedigung des Geschlechtstriebes sei erfüllt,
weil der Täter hier damit seine eigenen sexuellen Bedürfnisse über ein Menschenleben gesetzt habe.
Andererseits ist es aber so, dass in der herkömmlich hierunter subsumierten Fällen anders als vorliegend, an dem Opfer selbst eine objektiv primär sexuelle Handlung vorgenommen wurde.
Das Schlachten und Essen ist dies aber nicht objektiv primär, sondern nur in der Tätervorstellung.
Damit könnte aber qualitiattiv ein Unterschied zu den herrkömmlichen Fällen bestehen, weil sich dort im unmittelbaren Tötungszusammenhang auch über die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers hinwegegsetzt wird und dies besonders erniedrigend und damit verwerflich ist.
Das ist vorliegend aber nicht der Fall.
Es wird vielmehr nur umgekehrt durch nicht objektiv primär sexulle Handlungen, sondern nur sexuelle Ersatzhandlungen in der Tätervorstellung eine derart starke emotionale Erregung erzeugt, dass diese unmittelbar primär sexuell abreagiert wird.
Jedoch wird nicht umgekehrt durch primär sexuelle, sich über das Selbstbestimmungsrecht hinwegsetzende Handlungen die Erregung erst erzeugt.
Es liegt also kein unmittelbares Hinwegsetzen über das sexuelle Selbstbestimmungsrecht vor und damit keine entsprechend zusätzliche sexuelle Erniedrigung.
Was der BGH zum Ausdruck bringt, die Eigenmächtigkleit,
hört sich im Grunde aber allgemein nach niedrigem Beweggrund an.
Bezüglich des Merkmales zur Befriedigung des Geschlechtstriebes könnte damit hier aber ein differnzierbarer, qualititativer Unterschied bestehen.
Wenn Mord aber anerkanntermassen aufgrund der strikten tatbestandsmäßigkeit eher eng auszulegen ist, könnte dies hier aber gegen dieses Mordmerkmal sprechen.

Bzgl. der Annahme von niedirgen Bewegggründen wäre andererseits jedoch zu berücksichtigen, dass das Opfer einwilligte quasi ale Gegenleistung und es es Täter und Opfer hier um wechselseitige Befriedigung, also um Empfindung höchstens Glückes ging.
Da mag man zwar verwundert und abgestossen sein, wie weit hier Menschen bereit sind zu gehen,
aber geradezu verwerflich verächtlich und auf alle niederster Stufe stehend erscheint eine solche Motivationslage damit aber nicht zwingend, eher nur bemittliedenswert, so dass auch dies Mordmerkmal fraglich erscheint.

Bzgl der Ermöglichung einer Straft hat der BGH Störung der Totenruhe in Form von "beschimpfenden Unfug" an einer Leiche, Gewaltverherrlichung, oder Gewaltpornographie für möglich gehalten.
Das Aufessen mag in groben Maße nicht gebührlich und damit "Unfug" idS sein.
"Beschimpfend" erfordert aber jedenfalls im Rahmen der Beleidiungsdelikte, gerade ein Absprechen der Personenwürde als personalem Eigenwert.
Das ist im Aufessessen aber nicht zwingend begründet.
Die grobe Ungebühlichkeit eines solchen Umganes mit einem Menschen ist schon im Merkmal Unfug wertungsmässig enthalten und darf nicht doppelt wertend herangezogen werden. Das aufessen muss nicht zwingend die Menschenwürde absprechen und herabsetzen, ist doch der Lustgewinn gerade in der Menschenwürde des Gegessenen begründet.

Gewaltverherrlichung muss dagegen beabsichtigt sein, was hier aber fraglich ist, kam es dem Täter doch primär auf den eigenen Lustgewinn an und war die Darstellung nur nebenebei zur Gewinnung weiterer Interessenten gewollt.

Gewaltpornographie ist dagegen zweifelhaft, weil keine objektiv unmittelbar primär sexuellen Handlungen dargestellt sind.

Wenn ich das überdenke, erscheint mir auch der Schuldspruch der Vorinstanz "nur" wegen Totschlages nicht unangemessen und diskutabel. Von meinem bauchgefühltem Rechtsempfinden habe ich Zweifel an der besonderen Verwerflichkeit der Tötung vegleichbar einem brutalem Raubmörder,
ohne dass damit der Vorgang insgesamt gut geheissen und verharmlost werden sollte.

:--
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Re: Kanibalen-Mord ?

Beitrag von Survivor »

schlemil hat geschrieben:Das aufessen muss nicht zwingend die Menschenwürde absprechen und herabsetzen, ist doch der Lustgewinn gerade in der Menschenwürde des Gegessenen begründet.
Das sehe ich nicht so. Gerade weil der Täter sich die Menschenwürde des "Gegessenen" (schreckliches Wort) durch das aufessen i.S.e. Lustgewinns nutzbar macht, pervertiert er sie.
Die Menschenwürde ist aber nicht, und zwar m.E. überhaupt nicht, disponibel. Daher ändert auch ein evtl. Einverständnis des "Gegessenen" nichts daran. Der Lustgewinn ist m.E. gerade nicht in der Menschenwürde des "Gegessenen begründet, sondern ausschließlich in dessen totaler körperlicher Verfügbarkeit bis hin zum Tod. Das aber hat mit Würde nichts zu tun.
"Wenn die Welle kommt, dann nimm dir Zeit."

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famulus
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Beitrag von famulus »

@schlemil: Sehr schöne Aufarbeitung. :thumbleft:
Ich bin hier absolut deiner Meinung - der BGH verfehlt m.E. in diesem Fall völlig die Zwecke.
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Christoph
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Re: Kanibalen-Mord ?

Beitrag von Christoph »

schlemil hat geschrieben:Der Täter hat planmässig mit Einwilligung des Opfers dieses getötet,
Du fällst hier schon hinter den Stand des letzten Threads zurück; dort hatten wir bereits rausgearbeitet, dass grds. keine Einwilligung in Tötungsdelikte möglich ist (arg. e c § 216) und der Täter hier auch nicht vom Opfer "bestimmt" wurde.
Andererseits ist es aber so, dass in der herkömmlich hierunter subsumierten Fällen anders als vorliegend, an dem Opfer selbst eine objektiv primär sexuelle Handlung vorgenommen wurde.
Das Schlachten und Essen ist dies aber nicht objektiv primär, sondern nur in der Tätervorstellung.
Es handelt sich auch um ein MM der 1. Gruppe, also ein persönliches, nicht notwendigerweise objektiv zu prüfendes. Es stimmt auch nicht, dass nach bisherigem Meinungsstand eine obj. sexuelle Hdlg vorgenommen werden musste. Es kommt gerade nicht darauf an, ob der Täter die Befriedigung auch erreicht.
Es wird vielmehr nur umgekehrt durch nicht objektiv primär sexulle Handlungen, sondern nur sexuelle Ersatzhandlungen in der Tätervorstellung eine derart starke emotionale Erregung erzeugt, dass diese unmittelbar primär sexuell abreagiert wird.
Wie der BGH (m.E. zurecht) ausführt, kommt es auf eine objektiv sexuelle Handlung im Zeitpunkt der Tat aber gar nicht an, der Anknüpfungspunkt ist hier die Aufzeichnung zur später (auch tatsächlich erfolgten) Onanie als verwerflicher Zweck.
Es liegt also kein unmittelbares Hinwegsetzen über das sexuelle Selbstbestimmungsrecht vor und damit keine entsprechend zusätzliche sexuelle Erniedrigung.
§ 211 schützt primär nicht das Selbstbestimmungsrecht, sondern qualifiziert den Angriff auf das persönliche Rechtsgut, weil der Täter zur Verfolgung eines bestimmten Ziels das Leben anderer instrumentalisiert. Ob das Opfer vor, nach oder während seiner Tötung dann noch eine sexuelle Erniedrigung erfuhr kann nicht entscheidend sein, weil die Ausgestaltung als persönliches MM zeigt, dass es dem Gesetzgeber auf die Zwecksetzung des Täters ankam, nicht auf das ob und wie einer sich in der Außenwelt im Opfer realisierenden zusätzlichen Schädigung.
Bzgl. der Annahme von niedirgen Bewegggründen wäre andererseits jedoch zu berücksichtigen, dass das Opfer einwilligte quasi ale Gegenleistung und es es Täter und Opfer hier um wechselseitige Befriedigung, also um Empfindung höchstens Glückes ging.
Nein! Auch wenn der andere noch so befriedigt wurde konnte er nicht in seine eigene Tötung einwilligen. Und das ist auch nicht im Rahmen einer wie auch immer gearteten Abwägung (womöglich noch im subjektiven Vorstellungsbild des Täters!?) zu berücksichtigen!
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Okay,
ich wollte mal ein wenig eine Diskussion anregen, auch wenn`s ein unerfreuliches Thema ist, aber da sind Jursiten ja wohl Spezialisten drin.
Insofern bin ich aber froh über Gegenstandpunkte, nehme nicht für mich Unfehlbarkeit in Anspruch.

Aber zur Kritik :
Der Begriff "Einwilligung" war von mir nicht technisch im Sinne eines Rechtfertigungsgrundes oder iSd. § 216 sondern rein tatsächlich als Sachverhaltsschilderung gemeint.
Ob es auf eine objektive primäre sexuelle Handlung am Opfer ankommt ist aber gerade die Frage, auf einen Befriedigungserfolg sicher nicht.
Die mir so beim vorläufigen Übersehen bekannten Fälle zeichnen sich aber gerade alle eben durch objektiv primär sexuelle Handlungen am Opfer aus und ist die Frage, ob man nicht, wenn man dies nicht fordert, im Grunde zwei verschiedene Dinge in einen Topf wirft.
Eine sexuelle Motivation für sich kann auch kaum besonders verwerflich sein, Sexualität ansich ist ja meines Wissens nichts besonders Negatives.
Es kann auch nicht um die Befriedigung ansich gehen, weil das auch nicht besonders verwerflich erscheint.
Befriedigung erlebt der eine so, der andere so, diejenige durch Sexualität ist nicht besonders negativ.
Es muss also meiner Meinung nach sonst um etwas besonders Negatives gegenüber dem Opfer gehen.
Das kann aber aquch nicht die sexualle Eigenmächtigkeit für sich sein
Ein eigenmächtiges Hinwegsetzen über den Opferwillen ist aber im Grunde jede Tötung und allein die sexuelle Orientierung, kann hier, wei dargelegt, kaum besonders negativ sein.
Insofern erscheint es mir diskutabel, eine besondere sexuelle Erniedrigung durch eben objektiv Sexuelle Handlungen zu verlangen.

Bzgl. der Einwilligung kann diese nicht rechtfertigen und auch nicht für sich strafmildern, wohl aber vielleicht einer besonderen VErwerflichkeit der Motivationslage im Sinne einer besonderen Rücksichtslosigkeit und Rohheit entgegenstehen.
8-[
Christoph
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Beitrag von Christoph »

schlemil hat geschrieben:Ob es auf eine objektive primäre sexuelle Handlung am Opfer ankommt ist aber gerade die Frage, auf einen Befriedigungserfolg sicher nicht.
Die mir so beim vorläufigen Übersehen bekannten Fälle zeichnen sich aber gerade alle eben durch objektiv primär sexuelle Handlungen am Opfer aus und ist die Frage, ob man nicht, wenn man dies nicht fordert, im Grunde zwei verschiedene Dinge in einen Topf wirft.
Diese Frage kann aber dahinstehen, wenn sich der Gesetzgeber entschieden hat. Deine Ausführungen können ja noch so richtig sein, aber du solltest sie in den Rahmen der momentanen RO stellen, insb. überlegen, wie man systematisch begründen kann, warum ausnahmsweise hier das MM nicht persönlich, sondern tatbezogen sein soll.
Eine sexuelle Motivation für sich kann auch kaum besonders verwerflich sein, Sexualität ansich ist ja meines Wissens nichts besonders Negatives.
Es kann auch nicht um die Befriedigung ansich gehen, weil das auch nicht besonders verwerflich erscheint.
Das behauptet niemand, vielmehr isolierst du hier Zweck und Mittel. Noch einmal: "Die den Mord kennzeichnende sozialethische Verwerflichkeit [...] liegt insbesondere darin, dass der Täter zur Verfolgung seines Ziels das Leben anderer instrumentalisiert" (Kindhäuser LPK § 211 Rn. 2)
Es muss also meiner Meinung nach sonst um etwas besonders Negatives gegenüber dem Opfer gehen.
M.E. gehst du da von der falschen Seite ran: Das "besonders Negative gegenüber dem Opfer" ist der Taterfolg, nämlich der Tod. Dessen Unwert erhöht sich in einem zweiten Schritt dadurch, dass dieser aus verwerflicher Motivation erfolgte.
Ein eigenmächtiges Hinwegsetzen über den Opferwillen ist aber im Grunde jede Tötung und allein die sexuelle Orientierung, kann hier, wei dargelegt, kaum besonders negativ sein.
Wiederum scheinst du hier Mittel und Zweck zu isolieren. Nur weil der Zweck (= sexuelle Befriedigung) und das Mittel (= Tötung bereits durch Totschlag abgegolten) für sich gesehen keine besondere Verwerflichkeit begründen, kann es doch ihre Verbindung darstellen.
Insofern erscheint es mir diskutabel, eine besondere sexuelle Erniedrigung durch eben objektiv Sexuelle Handlungen zu verlangen.
M.E. steht dem die Systematik des § 211 entgegen.
Bzgl. der Einwilligung kann diese nicht rechtfertigen und auch nicht für sich strafmildern, wohl aber vielleicht einer besonderen VErwerflichkeit der Motivationslage im Sinne einer besonderen Rücksichtslosigkeit und Rohheit entgegenstehen.
Ist vielleicht vertretbar, halte ich angesichts der (IMHO richtigen) Ausführungen des BGH zum TBM "bestimmen" in § 216 hier nicht gegeben. Das Gesetz möchte eine "Einwilligung" nur unter besondern strengen Vss berücksichtigt wissen (arg. § 216). Zwar ist § 211 restriktiv hinsichtlich seiner MM auszulegen, wenn man ein MM aber erstmal bejaht hat, dann kann die Verwerflichkeit durch eine Gesamtbetrachtung jedenfalls nicht mit geringeren Vss bezüglich einer "Einwilligung" entfallen als bei § 216, ist das besondere Unrecht der Kasuistik des § 211 nach doch bereits "indiziert" (wenn auch str.).
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Tötung ist verwerflich,
Sexualität für sich kaum.
Wie aber kann aus der bloßen Verknüpfung von etwas Verwerflichem mit etwas ansich nicht Verwerflichen gerade etwas besonderes Verwerfliches iSv Mord werden.
Es muss schon, das was in der Motivation verknüpft wird, in seinen Elementen für sich besonders verwerflich sein.
Die einfache sexuelle Verknüpfung genügt hierfür aber kaum, sondern es muss schon eine besondere sexuelle Erniedrigung damit verbunden sein.
Ein systemmatischer Widerspruch ist das nicht, weil dies eben nur subjektiv gewollt sein muss.
Christoph
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Beitrag von Christoph »

schlemil hat geschrieben:Tötung ist verwerflich,
Sexualität für sich kaum.
Tötung ist verwerflich,
Werkverträge für sich kaum.

Warum ist der "Auftrags"-killer dann Mörder aus Habgier?
Es muss schon, das was in der Motivation verknüpft wird, in seinen Elementen für sich besonders verwerflich sein.
Das geschieht durch die "Zweckbestimmung" bzw. den inneren Zusammenhang. Sexuelle Befriedigung ist nicht verwerflich, Befriedigung durch "über Leichen gehen" schon.
Die einfache sexuelle Verknüpfung genügt hierfür aber kaum, sondern es muss schon eine besondere sexuelle Erniedrigung damit verbunden sein.
Und bei Nekrophilen willst du das dann über ein postmortales APR konstruieren? :-s
Ein systemmatischer Widerspruch ist das nicht, weil dies eben nur subjektiv gewollt sein muss.
Hm, ok, wenn wir uns darüber schon mal einig sind. Oben klang es noch so, als wolltest du das ganze als Außenweltsereignis voraussetzen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Seltsamerweise fand die Onanie nicht am lebenden Objekt statt, sondern es erfolgte sexuelle Erregung durch Hinzuziehen der Aufzeichnung eines Toten oder sich im Todeskampf Befindlichen. Genau genommen diente ein Video als Vorlage zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, und nicht, wie gemeinhin angenommen wird, der Mord an sich. Deshalb tötete er nicht zur Befriedigung des Geschlechtstriebs. Auch ist die Aufzeichnung eher als "Dokumentation" zu verstehen, die er unbestritten zum Lustgewinn missbrauchte, aber eben nicht zu diese Zweck aufnahm. Deshalb ist es mA unerheblich, wie er nach der Tat mit dem Video verfahren ist, sofern er während der Tat nicht die Absicht hatte die Aufzeichnung zur Befriedigung seiner Neigungen zu nutzen. Es wird die Befriedigung des Geschlechtstriebs als Mordmerkmal kurzerhand auf die Onanie umgelenkt. Paradoxerweise könnte das in der Kurzform lauten: Onanie unter Zuhilfenahme eines Mordvideos = Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs. Womöglich mag sich das kalt und gefühllos anhören, aber wenn man schon diskutiert, dann sollte man die nötige Distanz zu der Tat aufbauen, auch wenn man sie als noch so verachtenswert einstuft.
Christoph
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Beitrag von Christoph »

law & order hat geschrieben:Seltsamerweise fand die Onanie nicht am lebenden Objekt statt, sondern es erfolgte sexuelle Erregung durch Hinzuziehen der Aufzeichnung eines Toten oder sich im Todeskampf Befindlichen. Genau genommen diente ein Video als Vorlage zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, und nicht, wie gemeinhin angenommen wird, der Mord an sich.
Ich weiß nicht, wie der Stand des Verfahrens ist; dem was ich schreibe liegt jedenfalls BGH 2 StR 310/04 zugrunde. Und dort stellte der BGH es als noch zu klärende Tatfragen dar, ob der Täter die Befriedigung nicht schon während der Tathandlung selbst erlangen wollte (aaO S. 13 unter c)).

Zum anderen erfolgte die Befriedigung natürlich nicht anhand eines Videos, sondern anhand einer ganz bestimmten Aufzeichnung der Tathandlung. Anknüpfungspunkt der Verwerflichkeit ist gerade nicht das Verwenden eines Videos als Vorlage zur Befriedigung, sondern die im Tatzeitpunkt vorhandene Zwecksetzung, den Inhalt des Videos dazu zu nutzen. Es kommt im Grunde auch gar nicht darauf an, ob das Video tatsächlich zur Onanie genutzt wurde oder nicht.
Auch ist die Aufzeichnung eher als "Dokumentation" zu verstehen, die er unbestritten zum Lustgewinn missbrauchte, aber eben nicht zu diese Zweck aufnahm. Deshalb ist es mA unerheblich, wie er nach der Tat mit dem Video verfahren ist, sofern er während der Tat nicht die Absicht hatte die Aufzeichnung zur Befriedigung seiner Neigungen zu nutzen.
Die Frage, ob der Täter diesen Zweck verfolgte, ist ja noch zu klären (vgl. BGH aaO S. 11 unter b))
Es wird die Befriedigung des Geschlechtstriebs als Mordmerkmal kurzerhand auf die Onanie umgelenkt. Paradoxerweise könnte das in der Kurzform lauten: Onanie unter Zuhilfenahme eines Mordvideos = Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs.
Wer behauptet das denn? Das personenbezogene(!) MM muss natürlich im Zeitpunkt der Tat vorliegen.
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Maßlose sexuelle Begier auch über Leichen mag besonders verwerflich sein, und Mord begründen können.
Fraglich ist aber, ob jede irgendwie geartete und zeitlich unbestimmte auch sexuelle Motivation für Mord genügen kann.
Wenn ich nicht irre, meint das der BGH aber gerade in der fraglichen Entscheidung, weil er hier sagt, dass es auf einen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang gerade nicht ankommen soll.

Vorliegend ging es dem Täter auch zuerst einmal um Ausleben einer Schlachtephantasie, mit der auch sexuelle Stimulation verbunden war.
Zweifelhaft ist aber, ob es gerade auch um diese sexuelle Stimulation ging, oder nicht erst einmal um die Phantasie und deren Ausleben und Stimulation dadurch ansich, die dann nur auch mit sexueler Reaktion verknüpft war, ohne dass dabei auch diese gerade überwiegend dominat intendiert gewesen sein muss.
Das zeigt, meiner Meinung nach, auf welch weites und unsicheres Terrain man sich begibt, wenn man mit dem BGH die Unbeachtlichkeit des zeitlich-räumlichen Zusammenhanges propagiert.
Dem Postulat der engen Mordauslegung wegen der strikten Mordtatbestandstypizität entspricht das wohl eher nicht.

Wenn Sexualmord damit eher zweifelhaft erscheinen mag, bliebe eventuell noch Mordlust erwägenswert, die aber zweifelhaft ist, weil die Tötung selbst nicht Lustgewinn war, sondern erst das Schlachten, die allerdings Töten voraussetzte, was nichts ändert, dass dasTöten selbst nicht mit Lust geschah.

Bedenken an Sexualmord oder Mordlust beleben schliesslich jedenfalls aber auch bezüglich der Dominanz solcher möglichen Mordmotive angesichts des klar ausdrücklichen Wunsches des Opfers zur Tat, von dem der Täter die konkrete Tat neben dem Eigeninteresse klar absolut abhängig gemacht hat.
Dies bedingt hier nämlich eine absolut abhängige Doppelmotivation des Täters, die Befreidigung eigener und fremder Interessen, so dass hier eine Dominaz der möglichen tätereigenen Mordmotivation kaum klar feststellbar ist.
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Christoph
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Beitrag von Christoph »

schlemil hat geschrieben:Maßlose sexuelle Begier auch über Leichen mag besonders verwerflich sein, und Mord begründen können.
Fraglich ist aber, ob jede irgendwie geartete und zeitlich unbestimmte auch sexuelle Motivation für Mord genügen kann.
Wenn ich nicht irre, meint das der BGH aber gerade in der fraglichen Entscheidung, weil er hier sagt, dass es auf einen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang gerade nicht ankommen soll.
Richtig. Das ist aber allein Ausfluss der Tatsache, dass es sich um ein persönliches MM handelt, und somit die Zwecksetzung des Täters im Tatzeitpunkt entscheidet. Jedenfalls kann es nach h.M. aber nicht fraglich sein, ob eine "zeitlich unbestimmte auch sexuelle Motivation für Mord genügen kann", weil es eben nur auf die Motivation ankommt - ansonsten wäre das MM tatbezogen.
Zweifelhaft ist aber, ob es gerade auch um diese sexuelle Stimulation ging, oder nicht erst einmal um die Phantasie und deren Ausleben und Stimulation dadurch ansich, die dann nur auch mit sexueler Reaktion verknüpft war, ohne dass dabei auch diese gerade überwiegend dominat intendiert gewesen sein muss.
Auf der einen Seite meinst du, die Stimulanz sei als Folge durch das Ausleben einer Phantasie entstanden, auf der anderen Seite willst du aber hinterfragen, ob er die Stimulanz beim Ausleben überhaupt beabsichtigte? Wie bringst du das damit in Einklang, dass der Täter schon seit der Pubertät mit entsprechenden Phantasien einen Lustgewinn verband (BGH aaO S. 5)?

M.E. sind das Erwägungen hinsichtlich verschiedener Tatfragen, die uns bei der rechtlichen Würdigung nicht wirklich weiterbringen. Wenn du konstruieren möchtest, dass das MM nicht vorliegt, dann kannst du auch einfach unterstellen, dass er im Tatzeitpunkt keinerlei sexuelle Stimulanz erwartete und die Möglichkeit, das Video zur Onanie verwenden, nicht in Betracht zog. Für wahrscheinlich halte ich das jedoch nach den Ausführungen des BGH nicht.
Das zeigt, meiner Meinung nach, auf welch weites und unsicheres Terrain man sich begibt, wenn man mit dem BGH die Unbeachtlichkeit des zeitlich-räumlichen Zusammenhanges propagiert.
Dem Postulat der engen Mordauslegung wegen der strikten Mordtatbestandstypizität entspricht das wohl eher nicht.
Das ist IMHO nicht schlüssig. Der BGH propagiert hier nichts neues, sondern nur die systematische Einordnung der h.M.; das hat auch nichts mit restrikter Auslegung des § 211 zu tun, denn den Sachverhalt den du im vorletzten Zitat oben unterstellst, hat der BGH gar nicht behandelt. Läge er tatsächlich so, wie ich oben überspitzt formuliert habe, würde auch die h.M. zu dem Ergebnis kommen, dass das MM nicht vorliegt.
Bedenken an Sexualmord oder Mordlust beleben schliesslich jedenfalls aber auch bezüglich der Dominanz solcher möglichen Mordmotive angesichts des klar ausdrücklichen Wunsches des Opfers zur Tat, von dem der Täter die konkrete Tat neben dem Eigeninteresse klar absolut abhängig gemacht hat.
Wieder eine Tatfrage. Es spricht viel dafür, dass der Täter die Tat nicht absolut dem Willen des Opfers unterstellte, vgl. BGH aaO S. 19: "Keineswegs ging es dem [Opfer] darum, selbst getötet zu werden."
Dies bedingt hier nämlich eine absolut abhängige Doppelmotivation des Täters, die Befreidigung eigener und fremder Interessen, so dass hier eine Dominaz der möglichen tätereigenen Mordmotivation kaum klar feststellbar ist.
Woraus leitest du ab, dass eine Dominanz der tätereignen Motive zur Annahme eines persönlichen MM gegeben sein muss?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

„Bestimmen" i. S. v. § 216 Abs. 1 StGB setzt mehr voraus, als die bloße Einwilligung des Opfers. Es muß dadurch im Täter der Entschluß zur Tat hervorgerufen werden.
(Auszug Urteilsbegründung BGH)

Unbestritten soll sein, dass der Kannibale von Rothenburg potentielle Opfer in Internetforen anwarb zum Zwecke diese zu schlachten, um seine Schlachtphantasien, die er in seiner Jugend, aufgrund seiner Erlebnisse entwickelte, in die Realität umzusetzen. Allerdings war mA B. mehr oder minder handlungsleitend, zumindest ab dem Zeitpunkt als er sich besann nach einem vergeblichen Versuch sich den Penis amputieren zu lassen, es erneut mit dem Angeklagten probieren zu wollen. Hierbei ging die Initiative zweifelsfrei vom Opfer aus, der nach dem Überredungsversuch seinerseits handelte, um seine Phantasie endlich wahr werden zu lassen. Dem Angeklagten sollte also nicht unterstellt werden, dass sein Überredungsversuch dermaßen auf die freie Entscheidungsfähigkeit des B. fortwirkt, so dass der bereits vor dem Kennenlernen im Willen des Opfers keimende Wunsch nach einer Penisamputation zurückgedrängt wird, zum Nachteil des Angeklagten.
Er erklärte dem Angeklagten, daß er ihn Abstechen solle, sobald er bewußtlos geworden sei. [...] Der Angeklagte legte B. daraufhin auf die Schlachtbank und installierte eine Videokamera so, daß sie das nun folgende Geschehen aufzeichnen konnte. Er hatte dabei vor, die Filmaufnahmen zu bearbeiten, (jedenfalls Teile daraus) an Kontaktpersonen im Internet zu versenden sowie gegebenenfalls weitere potentielle Schlachtopfer mit der Vorführung des Videos zu locken. [...] Sexuell war er bei der Tötung nicht erregt. (BGH)
Der BGH argumentiert nunmehr selbstständig gegen die eigene Argumentation, die augenscheinlich so aufgebauscht wurde, das sie effektvoll wieder zerstört werden kann. Dem Auszug ist zu entnehmen, dass der Angeklagte nicht sexuell motiviert war, zumindest nicht nach dem Verständnis des § 211 (MM Befriedigung des Geschlechtstriebs). Das skurille „Bewerbungsvideo“, das auch als solches vom BGH, zumindest sinngemäß, verstanden werden will, ist demnach nicht zur Befriedigung des Geschlechtstriebs durch die Tötung des Opfers, sondern unter Umständen zum Kennenlernen späterer Opfer gedacht, die ihm dann sexuelle Erregung bringen könnten. Hierbei dürfen aber nicht die potentiellen Motive wegweisend sein, sondern die Feststellung, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat sexuell nicht erregt war. Angreifbar mag mein Argument diesbezüglich sein, dass der Entschluss des Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebs nicht impliziert, dass eine Erektion oder ein ähnliches Signal sexuellen Empfindens beim Mann bemerkbar sein muss. Dies dürfte zwar richtig sein, doch ist auch widerlegt, dass er motiviert war, das Video zu seiner späteren Ermunterung zu gebrauchen.


Es kommt im Grunde auch gar nicht darauf an, ob das Video tatsächlich zur Onanie genutzt wurde oder nicht.
Exakt!
Wer behauptet das denn?
ICH! :) Auf den BGH verlasse ich mich nicht.

Dennoch gehe ich davon aus, dass wir weiterhin im Trüben fischen werden, denn wir können nur anhand der Urteilsbegründnung argumentieren, jedoch nicht hinzuaddieren, wie sich der Angeklagte verhalten hat und was die Gutachten im Einzelnen und vor allem das Video erbrachte.
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Beitrag von schlemil »

Also so, dass der BGH nur totalen Nonsens urteilt ist es ja auch nicht., gut dass hier wenigstens einer die Autorität des BGH hochält und jede Kritik irgendwie zu zureden versucht, Papier ist geduldig und man kann gegen alles argumentativ anstinken.

Zu bedenken geben möchte ich nochmals, dass das Opfer sich, wie der BGh auch feststellte, allein durch Die Phantsie sexuelle Befriedigung verschaffen konnte.
Insofern kann es ihm nun durch das Ausleben der Phantasie eben aber nicht primär um das VErschaffen von sexueller Phantasie, sondern eben nur um das Ausleben der Phantaise gegenagen sein.

Natülich wollte das Opfer eventuell keine Tötung, aber die konkrete Tat (Penisabscheneiden)

Das Erfordernis der Motivdominanz für ein Mordmerkmal bei Motivbündeln ist denke ich doch weithin anerkannt.
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Es ging dem Täter gerade um seine Schlachtphantaise, eine nicht primär originär sexuelle Phantasie, nicht gerade um seine sexuelle Phantasie.
Das ist kaum Sexualtrieb, eventuell aber für sich niederer Beweggrund.
Allerdings hat der Täter zugleich auch bemittleidenswerte und damit nicht auf tiefster Stufe stehende Opferinteressen mitverfolgt, und zwar wegen der absoluten Abhängigkeit ohne dass dabei seine egoistsichen Motiive dominierend waren. Das ist damit insgesamt aber auch wohl auch kaum ausreichend niedriger Beweggrund.
Die Tat unterscheidet sich damit qualitativ vom brutal rücksichtslos egoistsich handelnden Mörder.
Allerdings weist die Tat nach den Gesamtumständen dennoch ein besonderes Maß an ("ästetisch", sozialer) Widerwertigkeit auf, das hier nicht verharmlost werden soll.
Was man so lesen, kann, ist der Täter auch kaum schuldeinsichtig und bemüht sein Unrecht zu reletavieren, was hier mit den obigen Darlegungen nicht geschen soll.
Daher wäre überdenkenswert, wenn man Mord ablehnen und Totschlag bejahen wollte, bei allem was man so aus der Presse von ferne wissen kann, das Strafmaß eher im oberen Bereich des zulässigen Strafrahmens zu suchen (10-15 Jahre)
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