Kaffeefarten & Nötigung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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tom1980
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Kaffeefarten & Nötigung

Beitrag von tom1980 »

Hallo, vor kurzem sah ich einen Bericht über sog. Kaffeefarten im Fernsehen. Es lief der übliche "Film" ab, also Gewinnmitteilung, Busfahrt, Verkaufsveranstaltung etc. Am Ende stellte sich dann heraus, dass nur die Teilnehmer, die auch etwas kauften, ein Recht auf Rückfahrt mit dem Bus hätten (so die Aussage des Verkaufsleiters vor Ort, allerdings nicht vorher erklärt!). Meine Frage: Kann ein solches Verhalten - Pflicht zum Kauf, ansonsten kein Rücktransport - unter § 240 StGB fallen??? Wäre für eure Ideen sehr dankbar!
Kadet
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Beitrag von Kadet »

Wie wärs mit 253

dann Abwägung nach Absatz II....
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Calmy
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Beitrag von Calmy »

Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, es kommt drauf an :)...

Gewalt kommt nicht in Betracht. Angesichts der Tatsache, dass sich das empfindliche Übel nach dem Gefühl des Genötigten beurteilt, muss mE im Einzelfall entschieden werden.

Führt eine Kaffeefahrt nach Albanien und ist der Genötigte 85 Jahre alt, so würde ich Nötigung bejahen. Anders bei einer Fahrt von München nach Garmisch mit einem 65-jährigen.
"Also hopphopp!"
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Prüf doch mal Aussetzung... ;-)

Erpressung dürfte am Vermögensschaden scheitern: Immerhin besteht ein Widerrufsrecht. Außerdem liegt kein Schaden vor, wenn der Kaufpreis angemessen war (was allerdings bei Kaffeefahrten oft nicht der Fall ist).

Daher bleibt tatsächlich wohl nur die Nötigung. Bei Drohung mit Unterlassen wird ja nicht § 13 angewendet, so dass es auf die Zweck-Mittel-Relation ankommt.
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Elandee
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Beitrag von Elandee »

Manolaw hat geschrieben:Erpressung dürfte am Vermögensschaden scheitern: Immerhin besteht ein Widerrufsrecht. Außerdem liegt kein Schaden vor, wenn der Kaufpreis angemessen war (was allerdings bei Kaffeefahrten oft nicht der Fall ist).
Wegen dem Widerrufsrecht würde ich den Vermögensschaden nicht entfallen lassen. Dann wäre ja bei allen Fernabsatz-, Haustürverträgen etc ein Betrug von vornherein ausgeschlossen. Wie wär's stattdessen mit der schadensgleichen Vermögensgefährdung? Genauso wie in den Fällen, in denen theoretisch noch eine 123 BGB-Anfechtung offensteht.

Und auch bei angemessenem Kaufpreis kommst du noch zum Vermögensschaden, wenn du - wie es bei einem erzwungenen Kauf der Regelfall sein wird - einen individuellen Schadenseinschlag hast, also wenn der Kunde infolge der Nötigung ein objektiv einwandfreies, aber für ihn völlig nutzloses Produkt kauft.

Und schließlich liegt für mich auch die Rw der Zweck-Mittel-Relation auf der Hand. Die überraschende Androhung, den Kunden in der Prärie zurückzulassen, ist doch nun wirklich keine vertretbare Marketingstrategie mehr.

Ich bin daher für Erpressung (+)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Elandee hat geschrieben:
Manolaw hat geschrieben:Erpressung dürfte am Vermögensschaden scheitern: Immerhin besteht ein Widerrufsrecht. Außerdem liegt kein Schaden vor, wenn der Kaufpreis angemessen war (was allerdings bei Kaffeefahrten oft nicht der Fall ist).
Wegen dem Widerrufsrecht würde ich den Vermögensschaden nicht entfallen lassen. Dann wäre ja bei allen Fernabsatz-, Haustürverträgen etc ein Betrug von vornherein ausgeschlossen. Wie wär's stattdessen mit der schadensgleichen Vermögensgefährdung? Genauso wie in den Fällen, in denen theoretisch noch eine 123 BGB-Anfechtung offensteht.
Genau da wird aber der Unterschied gemacht!

Solange das Opfer ein Widerrufsrecht inne hat, liegt KEIN Vermögensschaden vor (siehe hierzu BGH b. Dallinger, MDR 1971, 546; BayObLG, JZ 1986, 1122). Der Grund liegt darin, dass das Opfer durch einseitige Erklärung ohne weitere Voraussetzungen beweisen zu müssen, den Vertrag zu Fall bringen kann. Erst mit Ablauf des WiderrufsR liegt ein Vermögensschaden vor.

Beim AnfechtungsR nach § 123 BGB trägt das Opfer im Zivilverfahren gerade die Beweispflicht, dass es arglistig getäuscht wurde und somit die Gefahr läuft, dies nicht beweisen zu können. Dies führt dazu, dass eine Anfechtung nicht einen Vermögensschaden i.S.v. § 263 StGB ausschließt (BGHSt 23, 300 (302f.); BGH NJW 1985, 1563f.)

Zum oben benannten Fall. Hier dürfte definitiv eine Nötigung vorliegen. Desweiteren dürfte auch eine Erpressung vorliegen, sofern beim Vermögensschaden der persönliche Schadenseinschlag vorliegt. Dies dürfte insofern anzunehmen sein, wenn das Opfer mit der Leistung nach dem vertraglich vorausgesetzten Zweck nichts anfangen kann.

Ein Widerrufsrecht ist meist aufgrund der 40 € Grenze ausgeschlossen (so pfiffig sind die Jungs auch schon), vgl. § 312 III Nr. 2.
Zuletzt geändert von Gelöschter Nutzer am Montag 8. Mai 2006, 17:21, insgesamt 3-mal geändert.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Was ist, wenn das Opfer gem. § 357 II 1 BGB die Rücksendekosten tragen muss?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Die Verfügung des Opfers muss sich unmittelbar vermögensmindernd auswirken.

Insofern stellt die Rückabwicklung keinen unmittelbaren Schaden dar, zumal ab 40 € der Unternehmer diese zu tragen hat.

Der BGH hat in ähnlich gelagerten Fällen eine Strafbarkeit aus § 4 UWG abgeleitet. BGH, NJW 2002,3415
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Elandee
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Beitrag von Elandee »

andy.jura hat geschrieben:
Elandee hat geschrieben:
Manolaw hat geschrieben:Erpressung dürfte am Vermögensschaden scheitern: Immerhin besteht ein Widerrufsrecht. Außerdem liegt kein Schaden vor, wenn der Kaufpreis angemessen war (was allerdings bei Kaffeefahrten oft nicht der Fall ist).
Wegen dem Widerrufsrecht würde ich den Vermögensschaden nicht entfallen lassen. Dann wäre ja bei allen Fernabsatz-, Haustürverträgen etc ein Betrug von vornherein ausgeschlossen. Wie wär's stattdessen mit der schadensgleichen Vermögensgefährdung? Genauso wie in den Fällen, in denen theoretisch noch eine 123 BGB-Anfechtung offensteht.
Genau da wird aber der Unterschied gemacht!

Solange das Opfer ein Widerrufsrecht inne hat, liegt KEIN Vermögensschaden vor (siehe hierzu BGH b. Dallinger, MDR 1971, 546; BayObLG, JZ 1986, 1122). Der Grund liegt darin, dass das Opfer durch einseitige Erklärung ohne weitere Voraussetzungen beweisen zu müssen, den Vertrag zu Fall bringen kann. Erst mit Ablauf des WiderrufsR liegt ein Vermögensschaden vor.
(...)
Ein Widerrufsrecht ist meist aufgrund der 40 € Grenze ausgeschlossen (so pfiffig sind die Jungs auch schon), vgl. § 312 III Nr. 2.
Aha, wieder was gelernt...
Aber was meinst du mit "Solange das Opfer ein Widerrufsrecht inne hat..."? Gibt es dann einen Vermögensschaden mit 14tägiger Verzögerung oder wie?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Nein, so etwas gibt es nicht.

Der Vermögensschaden tritt erst ein, wenn das Widerrufsrecht abgelaufen ist, bis dato liegt kein Vermögensschaden vor. Ein Problem sehe ich vielleicht im sog. Koinzidenzprinzip, wonach alle Merkmale des TB bei Begehung der Tat vorliegen müssen, vgl. § 8 StGB. Da der Betrug aber aus einer Täuschungshandlung des Täters sowie einer Vermögensverfügung des Opfers besteht, liegt oftmals bereits zeitliches Auseinanderfallen, so dass man hierüber hinwegsehen könnte.
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Elandee
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Beitrag von Elandee »

andy.jura hat geschrieben:Nein, so etwas gibt es nicht.

Der Vermögensschaden tritt erst ein, wenn das Widerrufsrecht abgelaufen ist, bis dato liegt kein Vermögensschaden vor. Ein Problem sehe ich vielleicht im sog. Koinzidenzprinzip, wonach alle Merkmale des TB bei Begehung der Tat vorliegen müssen, vgl. § 8 StGB. Da der Betrug aber aus einer Täuschungshandlung des Täters sowie einer Vermögensverfügung des Opfers besteht, liegt oftmals bereits zeitliches Auseinanderfallen, so dass man hierüber hinwegsehen könnte.
Also was jetzt? Vermögensschaden iSd 253 StGB ja oder nein?
tom1980
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Beitrag von tom1980 »

Also ne Aussetzung sollte wohl ausscheiden. In dem konkreten Fall waren die betroffenden Personen vor der Gaststätte "ausgesetzt" worden und damit jedenfalls nicht in einer hilflosen Lage.
Wann würdet ihr denn die Verwerflichkeit der Tat iSd 240 bejahen? Welche Umstände sind da zu berücksichtigen?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Vermögensschaden ja mit Ablauf der Widerrufsfrist. Vorher nein.
tom1980
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Beitrag von tom1980 »

@ andy: das lasse ich so nicht gelten! Denn dann würde die Strafbarkeit allein vom Verhalten des Opfers abhängen! Lässt es die Widerrufsfrist verstreichen = Schaden und Strafbarkiet (+), widerruft es fristgerecht entsprechend (-). Das kann doch nicht richtig sein! Deswegen tendiere ich dazu, den Schaden abzulehnen, weil dieser ja nicht unmittelbar ist und zudem ja auch nicht bei Tatbegehung iSv § 8 vorliegt...
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