Fußball und Strafrecht

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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madcats5
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Fußball und Strafrecht

Beitrag von madcats5 »

Hi!

angesichts des Spiels Italien-USA drängt sich mir mal wieder die Frage nach der rechtlichen Würdigung eines Fußballspiels auf. Wie siehts dann denn mit Körperverletzungen aus? Also §229 müsste ja laufend vorliegen und §223 z.B. heute wieder als der Italiener dem Ami den Ellenbogen mit dolus eventualis ins Gesicht gerammt hat. Oder wenn man alleine mal an Boxen denkt.
Werden da vor dem Spiel Verträge gemacht, in denen die Spieler in Körperlerverletzungen einwilligen? Oder ein anderes Maß angelegt? Wobei letzteres ja eigentlich nicht möglich ist, oder?

Btw: Wie siehts eigentlich zivilrechtlich aus? Wenn z.B. Figo im Spiel verletzt wird und erstmal länger ausfällt, würde das für den Verein ja Ansprüche in Millionenhöhe gegen den "Täter" bedeuten. Wie wird denn das gemacht?

Bin echt gespannt... :-k

Grüße

Madcat
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Für im Rahmen des Spieles übliche Verletzung liegt zumindest konkludent ein § 228 vor. Darüber hinaus jedoch wohl nicht. Das übliche Foul ist also gedeckt, der Karatetritt allerdings nicht.
strafrechtler
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Beitrag von strafrechtler »

So die hM, interessant aber auch die Gegenansicht (etwa T/F 228/22), die in den typischen Fällen mangels Sorgfaltspflichtverletzung schon den Tatbestand als nicht erfüllt ansieht. Danach spielt die Einwilligung nur bei Sportarten eine Rolle, in denen es gerade um "Körperverletzungen" geht (Boxen, ...).
Lacan
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Beitrag von Lacan »

Angesichts der WM 1978 hatte Eser "Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Sportlers, insbesondere des Fußballspielers" geschrieben (JZ 1978, 368). Der BGH hatte für das Zivilrecht die Einwilligungslösung verworfen mit dem Hinweis, der Spieler erwarte und hoffe, entgegen etwa dem Patienten, der in eine OP einwilligt, nicht verletzt zu werden. Der Haftungsausschluss ergebe sich bei regelgerechtem Spielverhalten aus § 242 (venire cotra factum proprium): den Schaden, den er bewusst in Kauf nimmt, könne er nicht auf den anderen abwälzen. danach sollte anders als bei der Einwilligungslösung eine Haftungsverteilung nach § 254 möglich sein. Eser will das Thema gestuft behandeln. In Fällen erlaubten Risikos bzw. der Sozialadäquanz, also bei nur leichten Regelverstößen (DFB-Regeln), die nur ein geringes Verletzungsrisiko mit sich bringen, geht der Spieler völlig straffrei aus; ohne Rücksicht auf die Schwere der Folge. Bei Fällen gesteigerten Risikos, komme es auf der Verschuldensebene auf die Vorhersehbarkeit des Erfolges an. Im Übrigen sei zu prüfen, inwieweit der Spieler in den kokreten Verletzungsvorgang eingewilligt hat; etwa der Torwart wirft sich dem herannahenden Stürmer entgegen (Risikoeinwilligung). Es genüge nicht schon das Einlassen auf das Spiel.

So viel bis hierhin. Ich muss weg.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
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madcats5
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Beitrag von madcats5 »

strafrechtler hat geschrieben:So die hM, interessant aber auch die Gegenansicht (etwa T/F 228/22), die in den typischen Fällen mangels Sorgfaltspflichtverletzung schon den Tatbestand als nicht erfüllt ansieht. Danach spielt die Einwilligung nur bei Sportarten eine Rolle, in denen es gerade um "Körperverletzungen" geht (Boxen, ...).
Ist diese Gegenansicht denn nicht gerade inkonsequent? Wenn typische Verletzungen nicht tatbestandsmäßig sind, ist doch auch beim Boxen keine Einwilligung erforderlich, weil da schwerere Verletzungen (ausgeschlagene Zähne etc.) gerade typisch sind.

@Lacan: sehr interessant! Ein Ellenbogenschlag ins Gesicht wäre also strafbar, da die Einwilligung (nach Eser) auf regelkonforme und leichte Verstöße (bis zur gelben Karte?) bezieht. Eine Einwilligung in Gesichtsschläge durch das Teilnehmen am Zweikampf wird wohl auch zu verneinen sein, da es nicht vorhersehbar (iSv zu erwarten) ist, dass der Gegenspieler vörsätzlich ins Gesicht schlägt. Daher wäre der Spieler also strafbar.
Zivilrechtlich verstehe ich den BGH aber nicht: §242 kann man ja vertreten, wenn es sich um regelkonforme Aktionen handelt, aber das ist wohl eher der Sonderfall, denn meist gibts bei Verletzungen gelbe/rote Karten. Sind so Fälle dann per se schadensersatzpflichtig? Dann würden ja extrem viele Schadensersatzforderungen auf dien Spieler zukommen. Bei obigem Beispiel müsste der Spieler (nehmen wir mal an er hätte fahrlässig "zugeschlagen" und Gelb bekommen) jedenfalls die Heilkosten ersetzen. Und wenn der Verletzte nun im Verien ausfällt schell ein paar Millionen. Sind deshalb die Gehälter im Fußball so hoch? ;)
strafrechtler
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Beitrag von strafrechtler »

madcats5 hat geschrieben:
strafrechtler hat geschrieben:So die hM, interessant aber auch die Gegenansicht (etwa T/F 228/22), die in den typischen Fällen mangels Sorgfaltspflichtverletzung schon den Tatbestand als nicht erfüllt ansieht. Danach spielt die Einwilligung nur bei Sportarten eine Rolle, in denen es gerade um "Körperverletzungen" geht (Boxen, ...).
Ist diese Gegenansicht denn nicht gerade inkonsequent? Wenn typische Verletzungen nicht tatbestandsmäßig sind, ist doch auch beim Boxen keine Einwilligung erforderlich, weil da schwerere Verletzungen (ausgeschlagene Zähne etc.) gerade typisch sind.
Das war vllt etwas missverständlich formuliert. Es schien mir dieser Meinung um die fahrlässig herbeigeführten Verletzungen und dort um einen Ausschluss via mangelnder Sorgfaltspflichtverletzung zu gehen, nicht über irgendein Sozialüblichkeitskriterium. Und beim Boxen werden Körperverletzungen nunmal stets vorsätzlich begangen. So hatte ich das zunächst verstanden. Wegen Deines Postings habe ich mir die Stelle aber nochmal angesehen und mich darüber gewundert, dass auch bei bedingt vorsätzlichen Fouls der Tatbestand ausgeschlossen sein soll. Das erscheint mir dann aber tatsächlich inkonsequent und etwas sehr deutlich auf gefühlsmäßige Kriterien abstellend. Man müsste das wahrscheinlich mal bei Rössner, H. J. Hirsch-FS, 319 nachlesen, aber so spannend finde ich es dann doch nicht.
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