Europarecht: Auslegung im Privatrecht?!?

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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

denke man muss immer klären, ob und in welchem umfang die RiLI anwendbar ist, da sich daraus ja ganz unterschiedliche rechtsfolgen ergeben..
panther
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Beitrag von panther »

Die Abgrenzung zwischen (nach EuGH grundsätzlich verbotener) unmittelbarer Wirkung zwischen Privaten und (nach neuerer Ansicht einiger Generalanwälte bereits während der Umsetzungsfrist zulässiger) richtlinienkonformer Auslegung ist m.E. eine der strittigsten Fragen der europarechtlichen Dogmatik.
Wenn man sich hiermit beschäftigen möchte, sollte man wohl als Lektüre weniger ein allgemeines Lehrbuch, denn vielmehr ein spezielles Werk hierzu konsultieren, z.B. Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, Diss., 2003. Die Einzelheiten sind aber m.E. angesichts der Fülle an Entscheidungen selbst im Wahlfach kaum zu verlangen.


Zu beachten ist jedenfalls, dass die ganze Problematik stark im Fluss ist, so wird angesichts der Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Pfeiffer u.a (glaub ich Rs-C-397/01) und insbesondere Mangold (Rs-C-144/05) teilweise vertreten, dass die Tendenz des EuGH sogar in Richtung einer Bejahung der unmittelbaren Wirkung von RL unter Privaten geht. Zu der konkret angesprochenen Problematik: ohne die Auslegungsprobleme hinsichtlich der genannten zivilrechtlichen Norm konkret zu kennen, erinnert mich dies an eine Entscheidung des EuGH in der Rs. C-443/98 (Unilever): Der EuGH stellte in diesem Fall fest, dass die Rechtsprechung, wonach Richtlinien nicht selbst Verpflichtungen Einzelner begründen und daher nicht als solche ihnen gegenüber herangezogen werden können, nicht für den Fall gilt, „dass die Nichtbeachtung der Artikel 8 oder 9 der Richtlinie 83/189, die einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, die Unanwendbarkeit der unter Verstoß gegen einen dieser Artikel erlassenen technischen Vorschrift nach sich zieht.“
In dieser Konstellation standen sich nicht (wie dies oft der Fall ist) einander ausschließende Rechtspositionen Einzelner aus RL einerseits und nationalem Recht andererseits gegenüber, vielmehr berief sich eine Partei auf die RL, während die andere Partei Bestimmungen des mitgliedstaatlichen Rechts geltend machte, die eine "neutrale" Regelung traf.

Die Haftungsbegrenzung für den Versicherer müsste also als neutrale Regelung angesehen werden können. Dies erscheint aber nicht zutreffend. Zu diskutieren wäre noch, ob der Versicherer im konkreten Fall "staatsähnlich" (weites Verständnis nach dem EuGH) ist, nur dann könnte man nach herkömmlichem Verständnis die RL anwenden.

Mit Argumentation ist hier aber fast alles vertretbar...
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veltina
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Beitrag von veltina »

Vielen Dank schon mal!

Anschlussfrage:
Wieder ist eine RL falsch umgesetzt worden, alle Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit sollen gegeben sein, nur ist die Umsetzungsfrist eigentlich noch gar nicht abgelaufen (es ist also der praktisch seltene Fall einer überpünktlichen Umsetzung). Kann ich mich trotzdem schon direkt auf die RL berufen, mit der Argumentation, der nationale Gesetzgeber sei subjektiv "fertig"?

Ich würde da kühn auch mit der Vorwirkung der RL argumentieren - wenn der Mitgliedsstaat schon Recht gesetzt hat, das abschließend sein soll, aber jedenfalls mit Ablauf der Umsetzungsfrist europarechtswidrig ist, habe ich doch zumindest die Gefahr einer Frustration des Europarechts, oder?

Zum Diss-Lesen komme ich im Moment nicht ;), ich will nur quick&dirty die Pflichtfach-Grundlagen verstehen, um in fünf Wochen im Stex nicht komplett abzusaufen.
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http://www.kiva.org - Wer hat das beste Händchen bei der Schuldnerwahl? :D
panther
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Beitrag von panther »

In der von Dir angesprochenen Situation ist keine Berufung auf die RL möglich. Unmittelbare Wirkung gibt es nur bei Ablauf der Umsetzungsfrist. Wenn der Mitgliedstaat während der Umsetzungsfrist die RL so schlecht umsetzt, dass das in der RL vorgegebene Ziel gefährdet ist, greift jedoch die sog. Vorwirkung von RL: Nationale Behörden und Gerichte müssen in dieser Situation durch Auslegung des nationalen Rechts einen rl-konformen Zustand herstellen. Eine Nichtanwendung kommt aber wohl nicht in Betracht (Argument v.a. Gewaltenteilung)...

jetzt schon viel erfolg fürs stex!
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