Anwalt und prozessuale Wahrheitspflicht

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Gelöschter Nutzer

Anwalt und prozessuale Wahrheitspflicht

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hatte gerade ein Telefonat mit einer Ex-AG Kollegin, die als freie Mitarbeiterin in einer renommierten kleinen Kanzlei vor einem Problem steht, bei dem ich ihr nicht recht weiterhelfen konnte.

Ein Mitarbeiter des Mandanten teilte ihr heute in einer Besprechung mit, der Vortrag der Gegenseite sei zwar richtig, er sollte aber dennoch bestritten werden und er werde dies auch vor Gericht bezeugen.

Sie wollte dies zunächst nicht und wandte sich darauf hin an ihren zuständigen Partner, der ihr mitteilte, sie solle dem Wunsch des Mandanten in jedem Fall entsprechen. Es bestünden weder standes- noch strafrechtliche Bedenken... Sie sieht dies - wie ich auch - anders. Ihr Job wackelt aber ohnehin, so dass sie sich nicht erlauben kann, sich Mandant und Partner zu widersetzen.

Ihr Partner wird zwar den Schriftsatz unterschreiben, sie geht aber aus dem Kürzel als Verfasserin hervor.

Hatten andere von Euch mal ein ähnliches Problem?

Mein vorläufiger Tipp war, zu ihrer eigenen Absicherung den Schriftsatz fertig zu stellen und dem Mandanten zur Überprüfung zu übersenden, ob er in Besprechung richtig verstanden wurde und die Angaben tatsächlich korrekt sind etc.. Richtig sauber ist dies aber auch nicht.

Ich habe bislang jedesmal potentielle Zeugen darauf hingewiesen, dass ich nur die Wahrheit vortragen werde. Ob es dann tatsächlich stimmt ist eine andere Frage, aber dies kann ich dann nicht mehr beeinflussen. Wie würdet Ihr vorgehen?

Besten Dank im voraus
mat
Noch selten hier
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Registriert: Freitag 3. Februar 2006, 16:56

Beitrag von mat »

Ich habe zwar noch nicht den gleichen Fall gehabt, kann aber von einem mir bekannten Kollegen bestätigen, daß solche Aktionen mächtig nach hinten losgehen können, nämlich dann, wenn das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant (nach Rechnungslegung) nicht mehr so ungetrübt sein sollte oder der BEtrug auf andere Weise rauskommen sollte. In dem vorgenannten Fall führte das zu einem Strafverfahren wegen Beihilfe zum Betrug gegen den Anwalt inklusive polizeilicher Durchsuchung der Kanzleiräume (allerdings wurde die Sache dann letztendlich eingestellt).

Daher sind konkrete Handlungsmöglichkeiten in diesem Fall nur schlecht zu geben, allerdings lernt man als Rechtsanwalt irgendwann, welche Fragen man seinem Mandanten lieber nicht mehr stellt und was man nicht so genau wissen will. Man sollte allerdings auch irgendwann lernen, bestimmte Mandante lieber abzulehnen, auch wenn sie sich am Anfang sehr lukrativ anhören. Allerdings erscheint es mir so, daß Mandanten, die bereit sind, vor Gericht zu betrügen, oft auch hinterher keine Skrupel haben, wenn es darum geht, den eigenen Anwalt anzuschwärzen.

Hier ist die konkrete Gefahr möglicherweise nicht ganz so groß, da sich die Kollegin hinter dem renommierten (?) Partner verstecken kann.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Es geht nicht darum, sich hinter einem Partner zu "verstecken", sondern darum, den Mandanten ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass eine Strafbarkeit wegen versuchten Betruges in dem Moment gegeben ist, in dem er bewusst falsch vortragen lässt.

Für die Kollegin selbst ist allein von Relevanz, ob durch das Verfassen des bewusst inhaltlich falschen Schriftsatzes bereits eine Beihilfehandlung zu bejahen ist, was ich bei überschlägiger Subsumtion durchaus annehmen würde. Die Strafbarkeit des Anwalts wegen Beihilfe zum versuchten Prozessbetrug dürfte sodann die Zulassung in Gefahr bringen.

Hier schließt sich der Kreis und die Antwort lautet: Nicht tun. Es sei denn, man ist Arbeitnehmer und lässt sich von seinem Arbeitgeber ausdrücklich schriftlich anweisen, bewusst wahrheitswidrig vorzutragen. Dann stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer sich als strafbar erkannten Weisungen des Arbeitgebers widersetzen muss.

Steilpass
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Es geht m.E. weniger um den Mandanten, dem die Strafbarkeit durchaus bekannt ist. Es geht v.a. um das Spannungsverhältnis zwischen Partner und angestellten/freien RAen, die praktisch aufgefordert werden, bewusst falsch vorzutragen. Es ist dann eher der Partner, der sich im worst case hinter dem angestellten/freien RA verstecken kann, denn er kann sich darauf berufen, nicht mit dem Mandanten gesprochen zu haben.

Vielen Dank für die Antworten, die mich, was die generelle Einstellung zu der Einhaltung dvon Berufspflichten angeht, etwas beruhigen.

Sie hat es nun m.E. elegant gelöst und den Vortrag und das Beweisangebot des Mandanten unbeachtet gelassen. Den Schriftsatz hat sie ihrem Partner vorgelegt. Dazu gibt es einen kleinen Aktenvermerk, in dem sie schriftlich erwähnt, dass sie diesen Vortrag, da bewusst wahrheitswidrig, nicht berücksichtigen wolle. Wenn er dies anders sehe, könne er den Passus ja noch einfügen.

Dieses Problem ist damit zunächst m.E. umschifft. Sie wird sich dann aber kurz oder lang nach einem neuen Job umsehen müssen, wenn die Kanzlei diese Fälle anders handhaben will...
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