Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

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Mr_Black
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Mr_Black »

In welchen Fachbereich der Staatsanwaltschaft würdest Du denn kommen?

Meine Contras:

Es gibt wirklich eklige Bereiche (Mord, Kindesmissbrauch, Vergewaltigungen) in denen ich definitiv nicht arbeiten möchte.

Als Staatsanwalt siehst Du die menschliche Gesellschaft immer von ihrer schlechtesten Seite, das kann auf Dauer ziemlich belasten.

Als Staatsanwalt wirst Du oft persönlich angegriffen, der Verteidiger kann sich im Zweifel immer dahinter verstecken nur das verteidigungsrecht seines Mandanten wahrzunehmen, aber Du repräsentierst den Staat vor Gericht und zwar allein.

Im Bereich organisierte Kriminalität kann zeitweise es passieren, dass Du Personenschutz benötigst und persönlich bedroht wirst - hälst Du und Deine Familie sowas aus?
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Orkan der Rechtspflege
Gelöschter Nutzer

Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Danke erstmal für die Antworten.

Zu Zapalot: mit „super Job“ meine ich, wenn man Anwalt sein möchte, die besten Voraussetzungen. Renommierte international tätige Boutique. Interessantes Gebiet. Sehr nette Kollegen. Also nichts, was man so einfach wegwirft, um mal etwas anderes auszuprobieren.

Mein Problem ist, ich bin mir nicht sicher, ob ich Anwalt sein so toll finde. Schneehase sagt, man solle zum StA berufen sein. Das finde ich nicht. Man studiert jahrelang und von heute auf morgen ist man dann plötzlich Anwalt/StA und soll das gut finden. Ein Freund sagte mir, er sei seine ersten 3 Berufsjahre oft unzufrieden gewesen, der Anwaltsberuf habe ihm erst danach richtig Spaß gemacht. Jetzt ist er ein super Anwalt und würde nichts lieber machen. Ich mache den Beruf jetzt fast ein Jahr und es gab Höhen und Tiefen. Es ist auch vieles gut an dem Beruf, aber manchmal frage ich mich schon, ob das wirklich das ist, was ich machen will. Und Schneehase, nein, ich fühle mich nicht als StA berufen, aber ich weiß, mir hat die Referendarszeit bei der StA Spaß gemacht und ich war gut in dem was ich tat. Deshalb war das schließlich auch meine erste und zunächst einzige Berufswahl. Der Anwaltsjob kam nur, weil sich die StA so lange nicht gemeldet hatte, man kann ja nicht ewig warten. Aber wie gesagt, Referendariat sagt – glaube ich – nichts aus über den wirklichen StA Beruf.

Deshalb vielen Dank an diejenigen, die Einzelheiten wie Zusammenhalt zwischen den Kollegen, offene Ohren für Berufsanfänger usw. erwähnen. Das sind sehr wichtige Gesichtspunkte. Ich hätte gedacht, bei der StA hat jeder seine Akten und führt eher ein Eigenbrödlerleben. Schön zu hören, dass es nicht so ist.

In diesem Forum wurde schon oft über Arbeitszeiten geredet. Jetzt schreiben einige über die 7Tage Woche. Von wann bis wann geht die denn? Und ab wann wird es wieder normal und was heißt dann normal?

Aktuell bereitet es mir Stress, dass ich weiß, ich muss mich in nächster Zeit entscheiden, ob ich zur StA wechseln möchte oder nicht. Zu Mr. Black, ich hatte noch nicht das Vorstellungsgespräch. Als der Anruf kam, war ich gerade 2 Wochen im neuen Job, daher sagte der StA, er werde mich nach 10 Monaten nochmals anrufen (okay, ein wenig optimistisch, ich muss mich natürlich erst im Gespräch bewähren, aber ich bin ein positiver Mensch ;-)). Jetzt steht der Anruf an und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Am liebsten würde ich sagen: bitte fragen Sie mich in 10 Monaten noch einmal...

Gibt es eigentlich auch jemanden, der bei der StA angefangen hat und dann in den Anwaltsberuf gewechselt ist? Oder gibt es jemanden, der jemanden kennt, der seine Arbeit als StA nicht mag?
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Zippocat
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Zippocat »

Mr_Black hat geschrieben: Als Staatsanwalt siehst Du die menschliche Gesellschaft immer von ihrer schlechtesten Seite, das kann auf Dauer ziemlich belasten.
Ich würde aus meiner bisherigen Erfahrung eher sagen, man sieht die menschliche Gesellschaft aus allen Blickwinkeln - kriminelle Taten haben die unterschiedlichsten Hintergründe. Das kann von abstoßend über erheiternd, strunzdoof bis hin zu nachvollziehbar sein, jedenfalls ist es nicht immer dasselbe und daher zumindest nicht langweilig.
Mr_Black hat geschrieben: Als Staatsanwalt wirst Du oft persönlich angegriffen, der Verteidiger kann sich im Zweifel immer dahinter verstecken nur das verteidigungsrecht seines Mandanten wahrzunehmen, aber Du repräsentierst den Staat vor Gericht und zwar allein.
Viel seltener als man denkt. Polizisten bekommen auf der Straße mehr zu hören, nach dem Urteil eher der Richter. Wenn man den Job ernst nimmt, ermittelt, beweiswürdigt und schlussfolgert man ohnehin zu Lasten und zu Gunsten des ggf. späteren Angeklagten, was diese auch bemerken. Dazu kommt, dass der Sitzungsvertreter selten der Anklageverfasser ist, so dass schon hier viele Angriffe ihr Ziel verfehlen. Und im Übrigen ist es meist ein Zeichen der schwachen Position, wenn dem Verteidiger in der Sitzung im Plädoyer die Argumente ausgehen und er sich persönlich einschießt. Zurücklehnen.

Noch ein Wort zu den Arbeitszeiten: ich bin jetzt seit sechs Monaten dabei und habe im Durchschnitt vielleicht einen Samstag im Monat im Büro verbracht.
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textmarker
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von textmarker »

Hängt sicher stark vom Dezernat und der Gegend ab .. Großstadt vs. Kleinstadt etc. Die Bekannte ist in Potsdam und arbeitet sich wohl den Wolf. Und das mit dem tollen Klima wir auch von Laden zu Laden anders sein ... wie überall. Und ob man jetzt Staatsanwälte oder Großkanzleianwälte netter findet ... wenn man einen normalen Menschen vor die Wahl stellt, denkt der doch "Pest oder Cholera?"
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Jeweli
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Jeweli »

Justiz und insbesondere StA ist schon immer das, was ich am liebsten machen möchte.

Ich hättedeshalb auch eine Frage zum Thema: Man hört ja immer wieder von Personenschutz etc. Aber wenn mal von einem durchschnittlichen StA ausgeht: wie "gefährlich" ist es denn wirklich.

Wenn man es sich recht überlegt, klingt es nicht lebensfremd, dass sich ein Beschuldigter später mal am StA "rächen" will. Andererseits hängt das doch sicher auch davon ab, in welchem Bereich man tätig ist, oder?

Ich meine jetzt nicht nur Extremfälle (es sind hoffentlich nur Extremfälle), die tätsächlich Personenschutz brauchen, sondern auch, dass man bedroht wird oder sonstwie Angst haben muss.
Lg, Jeweli
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Ollibolli »

Jeweli hat geschrieben: Ich hättedeshalb auch eine Frage zum Thema: Man hört ja immer wieder von Personenschutz etc. Aber wenn mal von einem durchschnittlichen StA ausgeht: wie "gefährlich" ist es denn wirklich.
So gefährlich: http://www.focus.de/politik/deutschland ... 15170.html
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Mr_Black
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Mr_Black »

Jeweli hat geschrieben:Ich hättedeshalb auch eine Frage zum Thema: Man hört ja immer wieder von Personenschutz etc. Aber wenn mal von einem durchschnittlichen StA ausgeht: wie "gefährlich" ist es denn wirklich.
Wenn bei Dir anonyme Anrufe mit Morddrohungen eingehen, wer will dann vorher sagen, dass es sich um eine leere Drohung handelt? Die Gefahr ist eher die psychische Belastung, dass so etwas passieren KÖNNTE weil die Drohung doch ernst gemeint war. Und so ein Drohanruf ist schnell getätigt.
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von drschnackels »

An den Threadersteller, vielleicht nützt Dir der kleine Denkanstoß ein wenig, dass Du ja auch nicht für immer StA machen MÜSSTEST.
Isch meen, nu gennste Anwaltslebe, da kinnste ooch StA "ausprobieren" - wenns Dir dann doch nicht zusagt, kannst Du Dich in aller abgesicherten Ruhe versuchen, webzubewerben, wobei ich mir vorstellen könnte, dass sich die Angabe "gegenwärtig seit ...: Staatsanwalt bei der StA..." etwa für StR-Boutiquen nicht schlecht macht. Auch nicht schlecht für Marketingfragen, meine ich.

Soll natürlich nicht das Hauptargument sein, aber ich denke, die Chance für den Staatsdienst kriegt man nicht so oft, zurück zur Anwaltschaft dürfte dagegen kein Problem sein.

Cheers

Ach und solltest Du StA werden, könntest Du für uns doch mal einen Blick in Henriks und Omertas Verschwörungslehre werfen :D
Gelöschter Nutzer

Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

ja ne is klar...human resources people stehen auch total auf solche bewerber...erst a, dann b, jetzt wieder a #-o

aber hauptsache, man weiss, was man will :D
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textmarker
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von textmarker »

Vor allem stehen Anwälte auf Beamtenseelen. Die meisten Anwälte bilden sich ja wer weiß was darauf ein, dass sie ach so wirtschaftlich denken könnten und sprechen Richtern/Staatsanwälten diese Denkfähigkeit ab. Daraus schließen sie dann messerscharf, dass, wer einmal nach R1 wollte, in ihrer Kanzlei als Anwalt doch bittschön nichts zu suchen hätte. So zumindest eine weit verbreitete Auffassung.
--
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Gelöschter Nutzer

Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich dar noch den Wahlspruch einer lokalen hessischen Staatsanwaltschaft beitragen:

In dubio prosecco!
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Volki
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Volki »

Mr_Black hat geschrieben: Als Staatsanwalt wirst Du oft persönlich angegriffen, der Verteidiger kann sich im Zweifel immer dahinter verstecken nur das verteidigungsrecht seines Mandanten wahrzunehmen, aber Du repräsentierst den Staat vor Gericht und zwar allein.

Im Bereich organisierte Kriminalität kann zeitweise es passieren, dass Du Personenschutz benötigst und persönlich bedroht wirst - hälst Du und Deine Familie sowas aus?
Ersteres stimmt nicht. Mir gegenüber sind in den letzten fünf Jahren drei Leute persönlich geworden. Ein Anwalt hat mich "leichtfüßig" genannt, ein wegen BtM angeklagter abgebrochener Psychologe "psychisch auffällig" und unser örtlicher Kleinstadtkonfliktverteidiger hat mir einen "Beißrefelex" unterstellt. Ich weine jetzt noch jede Nacht in mein Kissen.

Zweiteres stimmt auch nicht. Die Kundschaft, auch und gerade im "professionellen" Bereich, sieht die Angelegenheit sportlicher, als es gemeinhin gedacht wird. Die Herrschaften wissen in der Regel seht gut, dass nicht die Justiz schuld an ihrem Problem ist, sondern sie selber. Und die paar Promille Psychopathen, die einen Privatkrieg anzetteln oder eine Rechnung begleichen wollen, gibt es in jeder Branche. So mancher wünscht sicher dem Insolvenzverwalter, der den Arbeitgegeber abwickelt, eine Bombe unters Auto...

Statistisch gesehen werden übrigens Zivil-, Familien und Verwaltungsrichter viel häufiger Opfer von Straftaten gegen die körperliche Integrität als Strafrichter und Staatsanwälte, was nur zum Teil damit zu tun haben mag, dass die StA unten einen Pförtner sitzen hat.
Die Robe ist über der Kleidung zu tragen.
--
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