Schutzzweck der Norm

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hi, mal wieder eine Frage...ich schaue ja im Schutzzweck der Norm erst, ob eine entsprechende Verhaltensnorm einschlägig ist....

sagen wir mal...x bedroht jmd mit einer waffe, dabei löst sich versehentlich ein schuss, weil sie schon gespannt war....

Dann muss ich ja eine Verhaltensnorm suchen, die gerade den zweck hatte, solche schäden zu vermeiden...

abstrakt würde ich sagen, es geht um einen sorgsamen umgang mit schusswaffen...weiß jetzt nicht, ob es im waffenG dazu einen paragraphen gibt...aber sagen wir mal,den paragraphen hätte ich auch nicht...

würde ich dann einfach sagen, auf was für eine norm würde ich mich dann beziehen?m könnte ich einfach sagen, dass der sorgsame umgang mit waffen schon aus dem schutz des Lebens nach Art. 2 I GG zu schließen ist`?

Danke
AmunRe
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Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von AmunRe »

Du fragst, ob der Schutzzweck des Tötungsverbots des § 222 StGB auch vor solchen Gefahren schützen will. Du suchst also keine außerstrafrechtliche Norm, sondern nimmst auf das strafrechtliche Verbot selbst Bezug.
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Z.B. im Straßenverkehr kann es auch zur fahrlässigen Tötung kommen, aber da stelle ich dann auf die entsprechenden Verhaltensvorschriften des StVG ab und nicht auf die Frage, ob § 222 solche Gefahren umfasst.


Bei der obj Sorgfaltflichtverletzung stelle ich z.B.fest, a hat das rechtsfahrgebot missachtet.
dann frage ich beim SdN, ob das Rechtsfahrverbot gerade unfälle dieser Art vermeiden sollte.

Genauso wie in meinem Beispiel.

Objektive Sorgfaltspflichtverletzung? -> Woraus ergibt sich hier die Verhaltensnorm? Im zweifel würde ich sagen, er hat ein erlaubtes Risiko überschritten.

Aber ist es nicht so, dass ich beim Schutzzweck der Norm mich immer auf das Verhaltensgebot, dass ich im Rahmen der obj sorgfaltspflichtverletzung festgestellt habe, beziehe?


MfG
Swann
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Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Swann »

Du musst erst die Sorgfaltsnorm ermitteln und dann erst kannst du sinnvoll prüfen, ob der Erfolg ein solcher ist, den die Sorgfaltsnorm verhindern soll.
Die Sorgfaltsnorm in deinem zu 1) genannten Beispiel, eine geladene Waffe nicht drohend auf jemanden zu richten, hat selbstredend den Zweck Verletzungen und Tötungen zu verhindern.
Art. 2 Abs. 1 GG hat hier nichts zu suchen. Abs. 2 übrigens auch nicht.
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

In ieinem Fall hat unsere Repetitor das auf Art. 2 I GG gestützt,..ich such das morgen mal raus...Aber ansonsten gibst du mir ja in dem recht, was ich vor dir geschrieben hast...also es kommt beim Schutzzweck der Norm beim Fahrlässigkeitsdelikt auf die Norm an, die ich bei der obj. Sorgfaltspflichtverletzung angesprochen habe...

und beim erfolgsdelikt stelle ich im Rahmen des Schutzzwecks der Norm auf das entsprechende Strafgesetz ab, korrekt?
Swann
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Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Swann »

Benno hat geschrieben: und beim erfolgsdelikt stelle ich im Rahmen des Schutzzwecks der Norm auf das entsprechende Strafgesetz ab, korrekt?
Dunkel ist deiner Rede Sinn.
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich meinte beim vorsätzlichen Erfolgsdelikt...da gibts ja auch die obj Zurechnung, die uU relevant sein kann und dort den Schutzzweck der Norm. Ich bin jetzt leider in Strafrecht BT noch nicht fit...aber es gibt doch Fälle der Tötung, wo man sagt, dass sie vom Schutzzweck der Norm des § 212 nicht mehr umfasst werden.

Ich meinte mit meiner Aussage, dass ich im Rahmen des vorsätzlichen Erfolgsdelikts beim Schutzzweck der Norm, sofern relevant, auf den Schutzzweck des Strafgesetzes abstellen muss?
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Du vermischt zwei Dinge: Der Schutzzweck des § 222 StGB ergibt sich nicht aus Sorgfaltsnormen, sondern aus der Strafvorschrift selbst. § 222 StGB soll jedermann davor (be)schützen, dass er auf Grund der Fahrlässigkeit anderer sein Leben verliert. Das ist der Schutzzweck, und diese Erkenntnis spielt z.B. eine Rolle bei der Frage nach der von einem Dritten unterstützten Selbstgefährdung, wie du z.B. in diesem Urteil am Beispiel von § 222 StGB erkennen kannst:

http://www.ejura-examensexpress.de/online-kurs/entsch_show_neu.php?Alp=1&dok_id=2730 (Verwaister Link automatisch entfernt)

Auf einem anderen Blatt steht, woraus sich die Sorgfaltspflicht ergibt. Sie muss nicht einmal direkt im Gesetz stehen. Und wenn sie dort steht, dann oft nur allgemein und abstrakt, z.B. in § 1 StVO. Man kann aber doch nicht sagen, dass § 1 StVO der Schutzzweck von § 222 StGB sei oder umgekehrt. Natürlich verfolgt auch § 1 StVO (unter anderem) den Zweck, uns alle davor zu schützen, dass wir durch die Fahrlässigkeit anderer zu Tode kommen. Insoweit sind die Schutzbereiche der beiden Vorschriften identisch.
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ne sry, dann hab ich mich vielleicht undeutlich ausgedrückt, aber so meinte ich das auch nicht, wie du es im zweiten absatz sagtest.

Was du im ersten Teil sagtest, entspricht dem, was ich hier meinte:
Ich meinte beim vorsätzlichen Erfolgsdelikt...da gibts ja auch die obj Zurechnung, die uU relevant sein kann und dort den Schutzzweck der Norm. Ich bin jetzt leider in Strafrecht BT noch nicht fit...aber es gibt doch Fälle der Tötung, wo man sagt, dass sie vom Schutzzweck der Norm des § 212 nicht mehr umfasst werden.
Auf einem anderen Blatt steht, woraus sich die Sorgfaltspflicht ergibt. Sie muss nicht einmal direkt im Gesetz stehen. Und wenn sie dort steht, dann oft nur allgemein und abstrakt, z.B. in § 1 StVO. Man kann aber doch nicht sagen, dass § 1 StVO der Schutzzweck von § 222 StGB sei oder umgekehrt. Natürlich verfolgt auch § 1 StVO (unter anderem) den Zweck, uns alle davor zu schützen, dass wir durch die Fahrlässigkeit anderer zu Tode kommen. Insoweit sind die Schutzbereiche der beiden Vorschriften identisch.
Das meinte ich so nicht.
Ich meinte es so: Ich prüfe beim fahrlässigen Erfolgsdelikt die objektive Sorgfaltspflichtverletzung. da stelle ich z.B. auf 1 StVO ab. dann muss ich im Rahmen des SdN fragen, ob § 1 StVO gerade die eingetroffenen folgen verhindern / mit umfassen sollte.
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ja, genau. Typisches Gegenbeispiel: Ein Autofahrer fährt mit überhöhter Geschwindigkeit und überfährt aus Unachtsamkeit einen Passanten, der die Straße überquert. Wäre er mit geringerer, nämlich ordnungsgemäßier Geschwindigkeit gefahren, wäre der Autofahrer fünf Minuten später an der Stelle eingetroffen, und der Passant wäre längst einen Kilometer weiter weg gewesen, so dass der Unfall sich nicht ereignet hätte. Das Später-am-Unfallort-Eintreffen ist nicht vom Schutzzweck der Vorschriften über die Geschwindigkeitsbegrenzung umfasst.
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Genau ...Aber vom schutzzweck der norm ist dann in dem Fall der umstand umfasst, dass er bei langsamerer geschwindigkeit unter umständen hätte ausweichen können und besser reagieren können, oder?
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Exakt!
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Fantastisch :) Gut, Danke dir !

Und um jetzt nochmal auf das Waffenbeispiel zurückzukommen und den Fahrlässig gelösten schuss.

dort sag ich dann bei der obj sorgfaltspflichtverletzung: Durch das unachtsame Hantieren mit der geladenen und entsicherten Waffe hat er das erlaubte Risiko überschritten und entgegen eines sorgsamen Umgangs mit Waffen gehandelt.

und dann beim Schutzzweck der Norm:

Der sorgsame Umgang mit Waffen ist gerade deswegen geboten, um mögliche (tötliche) Schussverletzungen zu vermeiden.

(Oder müsste ich hier sagen, dass der sorgfaltspflichtwidrige Umgang mit Waffen und damit einhergehende Tötliche Verletzungen vom § 222 mit umfasst sind - ich tendiere zu ersterem...)
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ehrlich gesagt würde ich bei so einem offensichtlichen Fall zum Schutzzweck der Norm (§ 222 StGB) überhaupt nichts sagen. Nicht einmal in einer Anfängerklausur. Welche Frage soll denn damit beantwortet werden? Etwa die der Tatbestandsmäßigkeit? Der Schutzzweck des Straftatbestandes ist kein eigenständiger Prüfungspunkt, er wird nur in seltenen Fällen bei der Auslegung relevant.

Wenn du ihn thematisierst, musst du darauf abstellen, dass § 222 StGB das Leben schützen soll und dass genau dieser Zweck verfehlt wurde.
Gelöschter Nutzer

Re: Schutzzweck der Norm

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

war nur hypothetisch..ich weiß, dass man objektive Zurechnung mehr oder minder ganz weglässt, wenns nicht problematisch ist ;)

Aber sonsten als Teil der objektiven Zurechnung -> ja, objektiver Tatbestand
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