HilFEE!

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

HilFEE!

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Folgender Fall:

Ich, Proberichterin, habe neulich einen Gerichtsbescheid gemacht. In diesem habe ich einige der gestellten Anträge aufgrund meiner fehlenden zuständigkeit/fehlende zuständigkeit der gerichtsbarkeit bereits an der zulässigkeit scheitern lassen., ohne mich sachlich mit der sache zu beschäftigen.
ehrlich gesagt hätte ich auch aufgrund der höchst unklaren anträge nicht gewusst, welcher gerichtszweig denn nun zuständig ist.

Nun hat mein Kläger natürlich berufung eingelegt und zusätzlich gegen mich eine strafanzeige wegen § 339 stGB gestellt. hätte ich die anträge abtrennen müssen und verweisen müssen? Problem nur: Ich hatte absolut keine Ahnung,w elcher gerichtszweig zuständig gewesen wäre.
Erfüllt das den TB des § 339 STGB?
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Re: HilFEE!

Beitrag von 11 Freunde »

Der BGH setzt für das Tatbestandsmerkmal der "Beugung" unter anderem einen sog. "bewussten Rechtsbruch" voraus, das heißt ein rein objektiver Verstoß gegen das gegebene Recht genügt nicht. Das gibt ja auch der Wortlaut schon her, der von "Recht beugen" und nicht bloß von "Recht brechen" o.ä. spricht. Ich denke, das Verfahren wird recht zügig nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden.
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Re: HilFEE!

Beitrag von Gizmo »

Der Sachverhalt ist leider zu knapp vorgetragen, als dass eine valide Aussage über einen objektiven Rechtsverstoß gemacht werden könnte.

Wie aber schon mein Vorreder hingewiesen hat, ist die Rechtsprechung im Bereich des § 339 StGB doch sehr restrikiv.
Vgl. dazu Schönke/Schröder, 28. Auflage, § 339 StGB Rdn. 5b: "Vielmehr wird der Begriff der „Beugung“ (zunächst) auf zweifache Weise normativiert: Erstens ist erforderlich ein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege. Rechtsbeugung begehe zudem nur der Amtsträger, der sich bewusst in schwerwiegender Weise vom Gesetz entferne und sein Handeln statt an Gesetz und Recht an Maßstäben ausrichte, die im Gesetz keinen Ausdruck gefunden haben"

Ob dies hier gegeben ist, erscheint zweifelhaft, bedürfte jedoch einer Prüfung des konkreten Umstände.
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batman
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Re: HilFEE!

Beitrag von batman »

Es gehört zur Laufbahn jedes guten Richters, irgendwann mal Anzeigen wegen Rechtsbegung u.ä. zu fangen.
Wenn Du Lust hat, kannst Du Dich mal bei der StA erkundigen. In aller Regel erfolgt aber nicht mal eine Beschuldigtenvernehmung ;)
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Einwendungsduschgriff
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Re: HilFEE!

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Ruhig Blut :) Die Voraussetzungen des § 339 StGB sind (sehr) hoch. Ansonsten wäre ja jede Fehlentscheidung eine Rechtsbeugung.
DSL hat geschrieben:Ich, Proberichterin, habe neulich einen Gerichtsbescheid gemacht. In diesem habe ich einige der gestellten Anträge aufgrund meiner fehlenden zuständigkeit/fehlende zuständigkeit der gerichtsbarkeit bereits an der zulässigkeit scheitern lassen., ohne mich sachlich mit der sache zu beschäftigen.
ehrlich gesagt hätte ich auch aufgrund der höchst unklaren anträge nicht gewusst, welcher gerichtszweig denn nun zuständig ist.
hätte ich die anträge abtrennen müssen und verweisen müssen?
Nur für die Zukunft und ohne einen damit verbundenen Vorwurf: § 17a GVG, insbesondere dessen Abs. 2*.
Diese Grundregel gilt auch für das sozial- bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren.

* Falls es Dich tröstet: bis 1991 wäre Deine Entscheidung (Abweisung als unzulässig) mit Einklang mit geltendem Recht ergangen. Heute geht das nur noch ganz ausnahmsweise und in speziellen Situationen.

Rechne mit einer Aufhebung durch das LSG/OVG bzw. den VGH, sollten die Voraussetzung nach § 17a Abs. 2 GVG vorgelegen haben. Dazu ist aber die Berufungsinstanz auch da und gerade am Anfang würde jeder von uns Fehler machen. Alles halb so schlimm. In Zukunft passiert Dir dieser jedenfalls nicht mehr ;)
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: HilFEE!

Beitrag von Spencer »

Gleiches gilt für die Verwaltung:

Hier hagelt es regelmäßig Dienstaufsichtsbeschwerden ("form-, frist- und fruchtlos"), zu Strafverfahren kommt es gar nicht erst.
Mir wurde am Anfang einmal von einem Kollegen ein Urteil gezeigt, wonach sogar die vorsätzliche (!) steuerliche Falschveranlagung für den zeichnenden Sachgebietsleiter straflos ist!
Und selbst wenn Vorsatz ausreichen sollte: Wie sollte man den nachweisen?

Also, nicht verrückt machen lassen ;)
Gelöschter Nutzer

Re: HilFEE!

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Vielen Dank für euren lieben Zuspruch!
Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man das allererste Mal bei der StA angezeigt wird... Jetzt hat die StA sogar die Akte angefordert!

@ Einwendungsduschgriff: § 17a Abs. 2 GVG hab ich gestern auch gefunden. Daher meine Verunsicherung... In Zukunft passiert mir so was sicherlich nicht mehr! Ich kann mich also schon mal darauf einstellen, die Sache zurückverwiesen zu bekommen, oder??

Meint ihr, dass ich das irgendwie in meiner nächsten Beurteilung widerspiegelt? Ich bin immerhin "nur" Proberichterin und an diese werden ja "hohe" Anforderungen gestellt, so dass ich so einen Faupax in der Probezeit eigentlich unbedingt vermeiden wollte!
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Re: HilFEE!

Beitrag von batman »

Ich habe übrigens gerade erst eine Widerklage abgetrennt und ans VG verwiesen. Nach § 17a II GVG. Aber das nur nebenbei. ;)

Wenn Du den Richterjob überstehen willst, musst Du viel gelassener werden. Für Deine erste Probezeitbeurteilung wird sich Dein Präsident wahllos ein paar Akten (so etwa 5) vorlegen lassen und mal reingucken. Abgesehen davon, dass der hier besprochene Fall vermutlich nicht dabei sein wird, bist Du eine unabhängige Richterin und wie Du in einer Sache entscheidest, ist für Deine Beurteilung Wurscht. Es hat noch keinen die Lebenszeiternennung gekostet, weil er einen Fall "falsch" entschieden hat. Obwohl das bei einigen Kollegen vielleicht besser gewesen wäre :D
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Re: HilFEE!

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@ batman: Wahrscheinlich hast du Recht! :-) Wie viele Anzeigen hast du denn schon bekommen?

Mein Problem bei dem geschilderten Fall war, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wohin ich die Sache hätte verweisen sollen. Meine Kollegen konnten mit auch nicht helfen... Hoffentlich sitze ich in einem Jahr nicht wegen Rechtsbeugung im Knast! Das wäre übel! :drinking:
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Re: HilFEE!

Beitrag von batman »

DSL hat geschrieben:dass ich absolut keine Ahnung hatte
Also vorsatzlos. :)

Ja, den VG-Richter-Job aus der JVA heraus zu erledigen, könnte schwer werden :D
Mich interessiert nicht, wie viele Anzeigen es sind. Aktuell läuft nur ein Verfahren :-$
Gelöschter Nutzer

Re: HilFEE!

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@ batman: Naja, vorallem dürfte ich dann meine Entlassungurkunde bekommen! Dann müsste ich gar nichts mehr in der JVA erledigen, allenfalls Bewerbungen schreiben :)

Und hat die StA bei dir dann auch nach 2 wochen sofort die Akten angefordert? Die ermitteln doch nicht tatsächlich, oder kann ich mich schon mal auf eine Vorladung einstellen?

Bist du beim SG, AG oder LG?
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Re: HilFEE!

Beitrag von non-liquet »

DSL hat geschrieben:Und hat die StA bei dir dann auch nach 2 wochen sofort die Akten angefordert? Die ermitteln doch nicht tatsächlich, oder kann ich mich schon mal auf eine Vorladung einstellen?
Nein, da gibt es fast sicher keine Vorladung. Der zuständige Dezernent will sich halt bei einer - bei solchen Gestalten fast sicheren - Beschwerde nicht vorhalten lassen, die Angelegenheit nicht ordentlich geprüft zu haben. Nicht, dass an solchen Anzeigen irgendwas dran wäre... und für die Dauer-Anzeigeerstatter (vielleicht bist Du ja auch an so einen geraten) hat mein Chef inzwischen eigene Formulare griffbereit, damit er den Mist schneller los wird.

Und wie die anderen schon gesagt haben: Dass man sich als Richter - egal bei welcher Gerichtsbarkeit - mit der Zeit da und dort Dienstaufsichtsbeschwerden und Anzeigen fängt, weiß jeder Präsident und jeder Personalmensch im Ministerium; deswegen würde ich mir da keine grauen Haare wachsen lassen.
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Re: HilFEE!

Beitrag von non-liquet »

batman hat geschrieben:Wenn Du den Richterjob überstehen willst, musst Du viel gelassener werden. Für Deine erste Probezeitbeurteilung wird sich Dein Präsident wahllos ein paar Akten (so etwa 5) vorlegen lassen und mal reingucken.
Du Glücklicher. Ich biete 20 "laufende" Akten plus 10 abgesetzte Entscheidungen, wobei dann zu Beurteilungszwecken auch Kommafehler angestrichen wurden.
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Re: HilFEE!

Beitrag von batman »

Stichwort Kommafehler kenne ich auch. Da hieß es dann "Das hätte man aber auch anders formulieren können". Oder "Solche Formulierungen sind bei uns unüblich".
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Re: HilFEE!

Beitrag von aktenbock »

batman hat geschrieben:Es gehört zur Laufbahn jedes guten Richters, irgendwann mal Anzeigen wegen Rechtsbegung u.ä. zu fangen.
aber nur von querulanten... anderenfalls fände ich es bedenklich
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