"Wie ist die Rechtslage?"

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Ara
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"Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von Ara »

Hi,

wer kennt sie nicht, der tolle Bearbeitervermerk "Wie ist die Rechtslage?"

In einer Probeklausur in Schuldrecht hatten wir nun genau die Situation, die in den meisten Klausurvorbereitungsbüchern nur mit "dies passiert nur bei einer schlecht gestellten Klausur" erwähnt wird.

Kurzer Sachverhalt: V und K vereinbaren Tausch von Fahrrad gegen iPod. Vorher will V noch die Bremsen von Fahrradhändler F reparieren lassen. Fahrradhändler F trödelt und V kann nicht rechtzeitig Tauschen und kommt in Verzug. K weigert sich nun den iPod herauszugeben, solange V ihm nicht Schadensersatz fürs Mietfahrrad zahlt.

Der Sachverhalt endet nun mit: "V fragt sich, ob er von K den iPod verlangen kann, wenn er ihm das Fahrrad jetzt übergibt. K hingegen möchte die ihm entstandenen Mietkosten auf jeden Fall von V ersetzt bekommen" und anschließend "Wie ist die Rechtslage?"

Nun gibts bei uns große Uneinheitlichkeit was denn wirklich alles gefragt war. Grundsätzlich bedeutet ja "Wie ist die Rechtslage?", dass wirklich alle Ansprüche von allen geprüft wird. Somit auch der Anspruch von V gegenüber F. Andererseits heißt es aber auch, dass wenn am Ende noch einmal ganz deutlich gemacht wird im Sachverhalt wer etwas von wem möchte, dass dann auch nur die aufgeworfenen Forderungen geprüft werden, da sich der Bearbeitervermerk nur auf die offenen Fragen bezieht und nicht auf mögliche Ansprüche gegen anderen, die kein Beteiligter erhoben hat. (Für letzteres spricht auch, dass der Sachverhalt bei F etwas dünn ist).

Wir ham hier ja auch einige die selbst Klausuren korrigieren. Was erwartet ein Klausurersteller in der Regel bei so einer Fragestellung?
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Motte
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von Motte »

Bei "wie ist die Rechtslage" würde ich alles erwarten, also alle Ansprüche von K gegen V und V gegen K, die sinnvollerweise in Frage kommen.
So schlecht gestellt finde ich die Aufgabe nun nicht, denn im Satz davor steht ja, dass V gegen K und K gegen V vorgehen möchte.
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Ara
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von Ara »

Ja Moment. Die Ansprüche von V gegen K und K gegen V zu prüfen ist auch unumstritten.

Aber es geht darum ob man auch einen möglichen Anspruch von V gegen den Fahrradhändler F (der zu lange für die Reparatur brauchte) prüft, der lediglich vier Absätze weiter vorne erwähnt wurde.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Zai
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von Zai »

Hatte vor kurzem eine ähnliche Fragestellung. Dort wurde uns von dem entsprechenden Klausurensteller gesagt, dass durch die im Sachverhalt aufgeworfenen Fragen "Wie ist die Rechtslage?" konkretisiert würde, und dementsprechend auch nur diese zu beantworten seien.

Danach würde ich sagen, dass Ansprüche von oder gegen F nicht zu prüfen sind.
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AdamCarter
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von AdamCarter »

Prinzipiell würde ich 'Jeder gegen Jeden' prüfen, also auch V gegen F. Dafür spricht auch dass V zwar nur fragt ob er den iPod von K verlangen kann, als juristischer Laie aber grundsätzlich das bestmögliche Ergebnis erreichen will - also auch Ansprüche von deren möglicher Existenz er garnichts weiss (So ist z.B. auch ein Rücktritt zu prüfen wenn eine Person aus dem SV nur Schadensersatz fordert).

Letzlich dürfte aber die knapp bemessene Bearbeitungszeit das Problem ohnehin eindämmen, sprich: Erst die Ansprüche prüfen wo man am meisten Fleisch reinpacken kann und falls danach noch Zeit ist kurz auf die anderen möglichen, wie hier gegen F, eingehen.
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von markus87 »

Zai hat geschrieben:Hatte vor kurzem eine ähnliche Fragestellung. Dort wurde uns von dem entsprechenden Klausurensteller gesagt, dass durch die im Sachverhalt aufgeworfenen Fragen "Wie ist die Rechtslage?" konkretisiert würde, und dementsprechend auch nur diese zu beantworten seien.

Danach würde ich sagen, dass Ansprüche von oder gegen F nicht zu prüfen sind.
+1
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von julée »

Zai hat geschrieben:Dort wurde uns von dem entsprechenden Klausurensteller gesagt, dass durch die im Sachverhalt aufgeworfenen Fragen "Wie ist die Rechtslage?" konkretisiert würde, und dementsprechend auch nur diese zu beantworten seien.
+1

Ansprüche von oder gegen F würde ich nur bei viel Zeit am Ende kurz erörtern. Wenn es gut war, schadet es nichts und war es bei entsprechender Auslegung von der Fallfrage irgendwie mitumfasst (wenngleich es freilich nicht dem entspricht, was ausdrücklich von V gewollt ist!). Der Schwerpunkt dürfte aber bei den vorher aufgeworfenen Fragen liegen. (dort kann man ggf. ja auch schon fallen lassen, dass dort Ansprüche gegen F bestehen, selbst wenn man diese am Ende nicht mehr eigenständig durchprüft).
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von jura-freak »

Ich sehe den vorletzten Absatz im Sachverhalt auch als Konkretisierung der Aufgabenstellung und würde mich daher auf die Ansprüche des V und K beschränken.

Wenn ich die Gelegenheit nutzen darf, dass der Thread eröffnet wurde: Wie versteht ihr die Fragestellung "Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden"?
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scndbesthand
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von scndbesthand »

jura-freak hat geschrieben: Wie versteht ihr die Fragestellung "Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden"?
Die Zulässigkeit und die Begründetheit des eingelegten Rechtsbehelfs wäre hier zu prüfen.
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von jura-freak »

Das wird in der Tat auch erwartet. Ich finde es jedoch nicht so eindeutig, weil hier eigentlich gefragt hier, WIE das Gericht entscheidet (das deutiet auf die Begründetheit hin) und nicht OB überhaupt die Klage zur Entscheidung angenommen wird.
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scndbesthand
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von scndbesthand »

und nicht OB überhaupt die Klage zur Entscheidung angenommen wird
Das Verwaltungsgericht muss die Klage nicht zur Entscheidung annehmen. Ist die Klage unzulässig, wird sie abgewiesen. Deswegen ist das zwingend - wenn keine Zulässigkeitsprobleme im SV angelegt sind, kurz - zu prüfen.
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von markus87 »

@ jurafreak: Da verkennst du, das das Gericht auch die Zulässigkeit zu prüfen und darüber zu entscheiden hat.
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AdamCarter
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von AdamCarter »

jura-freak hat geschrieben:Das wird in der Tat auch erwartet. Ich finde es jedoch nicht so eindeutig, weil hier eigentlich gefragt hier, WIE das Gericht entscheidet (das deutiet auf die Begründetheit hin) und nicht OB überhaupt die Klage zur Entscheidung angenommen wird.
Naja, damit das Gericht überhaupt eine Entscheidung treffen kann muss die Klage erstmal zulässig sein. Du kannst nicht prüfen wie ein Gericht entscheiden würde, wenn es de facto überhaupt nicht entscheiden würde.
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jura-freak
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von jura-freak »

Ja, das kann man auch so verstehen und das ist richtig! Das ist mir klar, dass man hier auch die Zulässigkeit prüft.

Ich meine nur, man kann die Frage auch so auslegen, dass die Zulässigkeitsprüfung entbehrlich ist, weil die Fragestellung voraussetzt, dass die Entscheidung in der Sache ohnehin erfolgt.
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Re: "Wie ist die Rechtslage?"

Beitrag von 11 Freunde »

jura-freak hat geschrieben:
Ich meine nur, man kann die Frage auch so auslegen, dass die Zulässigkeitsprüfung entbehrlich ist, weil die Fragestellung voraussetzt, dass die Entscheidung in der Sache ohnehin erfolgt.
Meines Erachtens wäre eine solche Auslegung nicht vertretbar. Wie hier bereits schon geschrieben wurde: Auch ein Prozessurteil ist eine Entscheidung des Gerichtes.
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