thh hat geschrieben:Levi hat geschrieben:thh hat geschrieben:Levi hat geschrieben:Ich kritisiere nur, wenn man - wie DG - nicht zu dieser Tradition steht (und das dann auch so begründet), sondern stattdessen einen angeblichen Willen Gottes behauptet, der sich in dieser Form nirgends in der Schrift findet.
Diese Argumentation setzt voraus, dass sich der Wille Gottes ausschließlich in der Schrift, nicht aber in Überlieferung und Lehramt offenbare.
Ja. Das setze ich bei meiner Argumentation voraus.
[...]
Dass sich darüber hinaus nach irgendeiner (verbreiteten) christlichen Lehrmeinung Gott auch noch allgemeingültig in der Tradition oder dem kirchlichen Lehramt offenbaren würde, wäre mir neu.
Die katholische Kirche zumindest lehrt seit dem und durch das 2. Vat. Konzil:
"Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden und haben aneinander Anteil. Demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu. Denn die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet wurde. Die Heilige Überlieferung aber gibt das Wort Gottes, das von Christus dem Herrn und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter, damit sie es unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten. So ergibt sich, daß die Kirche ihre Gewißheit über alles Geoffenbarte nicht aus der Heiligen Schrift allein schöpft. Daher sollen beide mit gleicher Liebe und Achtung angenommen und verehrt werden." (Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 9)
Das ist die auch mir bekannte traditionelle katholische Dogmatik.
Es steht dort aber ausdrücklich nicht, dass die Tradition Offenbarungscharakter hätte, sondern, dass "die Kirche ihre
Gewißheit über alles Geoffenbarte nicht aus der Heiligen Schrift allein schöpft", sondern auch aus der Tradition.
Die Gewißheit über das Geoffenbarte ist jedoch etwas anderes als das Geoffenbarte selbst. So wie die "Gewissheit", die ein Richter in einem Prozess durch Beweismittel über einen Tathergang gewinnt, trotzdem noch nicht die Tat selbst ist.
Mit einem etwas schiefen juristischen Vergleich könnte man sagen, dass die evangelischen Kirchen hinsichtlich des Offenbarungsereignisses nur den Urkunden-Beweis (Schrift) anerkennen, während die katholische Kirche daneben auch den Zeugen- und Sachverständigenbeweis (Schrift und Tradition) zulassen. Der Gegenstand des Beweises (die Offenbarung) ist jedoch derselbe. - Insbesondere wird die Tradition nicht selbst zur Offenbarung (so war jedenfalls bislang mein Wissensstand und der zitierte Text des Vaticanun II bestätigt das).
Die Dogmatische Konstitution Dei Filius des 1. Vatikanums stellt im Übrigen, soweit ich sehe, das Lehramt zwar nicht inhaltlich, aber faktisch der Schrift und der Überlieferung gleich:
"Mit diesem göttlichen und katholischen Glauben muss man nun an all dem festhalten, was das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes enthält und die Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorstellt, - sei es in feierlichem Lehrentscheid, sei es in Ausübung ihres gewöhnlichen allgemeinen Lehramtes."
Nein, hier geht es (nur) um die verbindliche (konkret: sogar unfehlbare) Auslegung der Heiligen Schrift.
Es heißt hier gerade nicht, dass zu glauben sei, "was das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes enthält
oder die Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorstellt", sondern zu glauben ist (nur) das, "was das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes enthält
und die Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorstellt". Ausgangspunkt ist daher immer die in der Schrift bezeugte Offenbarung in ihrer verbindlichen Auslegung durch das Lehramt. Das Lehramt steht somit nicht gleichrangig neben der Schrift oder gar neben der Offenbarung, sondern legt diese nur verbindlich aus.
Auch hier lässt sich wieder der Vergleich mit einem (obersten) Gericht ziehen, der das (geschriebene) Gesetz verbindlich auslegt - aber dadurch noch nicht selbst schafft, sondern diesem immer unterworfen ist.
Gott spricht mithin durch die Schrift, die Überlieferung und das Lehramt.
Das ergibt sich aus den zitierten Texten eindeutig nicht.