[LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschneidung

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Chefreferendar
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Chefreferendar »

Ich kann dem gar nicht mehr folgen. Gelesen wird gar nichts, nur so sieht es aus:
In die körperliche Unversehrtheit darf man aufgrund eines Gesetzes eingreifen. Hier bietet das KErzG erstmal die Möglichkeit an, in die körperliche Unversehrtheit einzugreifen, sofern dies der religiösen Erziehung dient. Nur die Eingriffe, die gegen das Wohl des Kindes gerichtet sind, können staatlich sanktioniert werden.

Wenn man die Beiträge hier liest oder - was dem einen oder dem anderen auch ab und zu passiert wirklich lesen würde, würde man meinen, dass § 228 StGB heißt: Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung schmerzhaft ist.

Demist aber nicht so. Die Schmerzen an sich sagen gar nichts oder wenig über die Sittenwidrigkeit, weil sie mit der KV zwangsläufig vorkommen.
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Herr Schraeg
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Herr Schraeg »

@ Flanke u.a.

Ich habe auch nochmals über den Ausgestaltungsansatz nachgedacht. Wenn ich ihn richtig verstehe, ist dabei eine Kollision des elterlichen Erziehungsrechts nach Art. 6 II 1 mit irgendwelchen Rechten des Kindes wie z.B. dem Recht auf körperliche Unversehrtheit von vornherein ausgeschlossen. Denn das Erziehungsrecht besteht nur, soweit es dem Kindeswohl dient (wobei eine, bei Religionsfragen eventuell sogar erweiterte, Einschätzungsprärogative der Eltern besteht). Wenn also beispielsweise die Eltern aus Spass ihr Baby vollständig tätowieren lassen wollten, wäre nicht Art. 2 II 1 gegen Art. 6 II 1 abzuwägen, weil diese elterliche Entscheidung mangels Kindeswohlorientierung ohnehin bereits nicht Art. 6 II 1 unterfiele. Richtig?

Der Vorteil dieses Ansatzes ist sicher, dass er der Ausgangssituation des Art. 6 II 1, die im Gegensatz zu anderen Grundrechten nicht bipolar, sondern tripolar (Eltern-Kind-Staat) ausgestaltet ist, besser gerecht wird. Bei solchen interdependenten Mehrpersonenverhältnissen tut sich die klassische Grundrechtsdogmatik schwer (oder genauer: tue ich mich mit der klassischen Dogmatk schwer ::oops: ).

Unklar ist mir aber, wie und auf welcher Prüfungsebene Du dabei den Entzug des Grundrechts nach Art. 6 II 1 und den Verhältnismässigkeitsgrundsatz unterbringst. Denn wenn erst einmal feststeht, dass eine elterliche Erziehungsmassnahme den Bereich der Einschätzungsprärogative verlässt und deshalb nicht mehr Art. 6 II 1 unterfällt, müssten doch dann mangels Grundrechtsbetroffenheit auch unverhältnissmässige Massnahmen des Staates in Ausübung seines Wächteramtes zulässig sein?
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Einwendungsduschgriff
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

boogienat0r hat geschrieben:Religionsfreiheit und ggf. das elterliche Erziehungsrecht im Sinne einer praktischen Konkordanz (verfassungsgemäß) in Einklang bringen mit dem Recht das Kindes auf Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit und negative Religionsfreiheit. Vorbehaltlos (insbesondere im Hinblick auf Art.4) bedeutet eben nicht schrankenlos. Vielleicht war der Begriff "mutmaßliche Einwilligung" eher falsch und zu sehr an das Strafrecht angelehnt. Jedenfalls wird man bei der Abwägung auf die Intensität der Eingriffe in die betroffenen Grundrechte argumentativ eingehen müssen.

Ich habe hier allerdings grundlegend damit Probleme, Argumente FÜR eine Beschneidung zu finden.

Letztlich kann ich keinen qualitativen Unterschied, was die Eingriffsintensität in Art. 4 anbelangt, zwischen den Verboten von unterschiedlichen religiös geforderten Handlungen erkennen. Wenn doch alle religiösen Handlungen von der Religion gefordert werden - und damit der Religiöse diese als unbedingt verpflichtend innerlich erfährt - so ist jeder staatliche Eingriff, der eine von Gott geforderte Handlung verbietet, grundsätzlich erstmal von gleicher Intensität geprägt, egal ob es sich um die Beschneidung von Jungen oder Mädchen handelt. Dass es sich hierbei stets, egal um welche religiös geforderte Handlung es geht, um einen außerordentlich intensiven Eingriff des Staates handelt, kann man an der Tatsache ablesen, dass der Gesetzgeber Art. 4 vorbehaltlos gewährleistet hat. Auf der Seite der Religionsfreiheit steht daher als Argument m.E. einzig und allein der (intensive) Eingriff an sich, dessen Verbot außerordentlich rechtfertigungsbedürftig ist.

Das Ganze ist viel mehr ein Problem auf der anderen Seite, auf der Seite der kollidierenden Grundrechte, die ich hier einerseits in dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes sehe (Recht auf Selbstbestimmung), als auch seiner körperlichen Unversehrtheit und auch seiner negativen Religionsfreiheit. Hier muss man argumentieren - und es ist einfach eine zugegebenermaßen wohl doch offene Wertungsfrage, wann man die Intensität der Eingriffe in die kollidierenden Grundrechte als so hoch anerkennt, dass ein staatliches Verbot zulässig ist. Also ich denke mittlerweile doch, dass man auch i.E. auch eine Abwägung zu Gunsten einer Beschneidung vornehmen kann (insofern Korrektur zum Post oben).

Egal wie: Man wird ausführen müssen, ggf. kasuistisch an Vergleichsfällen zu Verboten/Nichtverboten anderer religiöser Handlungen, warum die Intensität der Eingriffe in die Grundrechte des Kindes angesichts a) sicherer Schmerzen (wenn auch nur temporär) b) des Potenzials für weitere medizinische Komplikationen und der Gefahr eines Traumas bzw. psychologischer Folgen, c) dem Verlust von Körpersubstanz d) der Irreversibilität des Eingriffes e) der Missachtung der Selbstbestimmung des Kindes und f) eines Merkmals, das dem Kind eine bestimmte Religion dauerhaft zuweist (die Beschneidung drückt in Westeuropa primär immer noch die Zugehörigkeit zu einer bestimmen Religion aus), hier nicht intensiv genug sein soll, um die Intensität des Eingriffes in die Religionsfreiheit zu überwinden.
Ich kann Dir ehrlich gesagt nicht ganz folgen. Klar ist mir aber geworden, dass Du in Deiner Darstellung das elterliche Erziehungsrecht zu sehr aus dem Blick verlierst. Deine Argumentation - soweit ich sie nachvollziehen kann - wird der Tripolarität und der fehlenden Grundrechtsbindung der Eltern nicht gerecht. Diese grundrechtstatsächliche Situation wird man nur zutreffend durch einen Ausgestaltungs- oder einen Schutzpflichtenansatz abbilden können.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Flanke
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Flanke »

Herr Schraeg:

Ich würde das analog zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen beim Eigentum aufziehen: Der Gesetzgeber konturiert den Schutzbereich des Erziehungsrechts durch das einfache Recht, insb. das Familienrecht. Dabei muss er eine verhältnismäßige Gestaltung wählen. Eine Einzelfallentscheidung, die das grundrechtsausgestaltende Recht anwendet, kann man als Eingriff oder etwas anderes ansehen, das scheint mir aber zweitrangig zu sein. In jedem Fall muss auch sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dabei wiederum am Kindeswohl zu orientieren, das ja Leitgedanke für die Grundrechtsausgestaltung ist. Eine staatliche Intervention ist danach unverhältnismäßig, wenn und weil sie das Kindeswohl verfehlt. Das kann m.E. auch dann der Fall sein, wenn diese Intervention auf ein elterliches Versagen reagiert (darauf zielte Deine Frage ab, wenn ich sie richtig verstehe). Wenn beispielsweise die Eltern sich weigern, in eine lebensrettende OP einzuwilligen, würde ich zumindest in aller Regel eine Intervention für angezeigt halten. Eine andere Frage ist aber, welche Maßnahmen hier dem Kindeswohl Rechnung tragen und welche über das erforderliche Maß hinaus gehen und darum unverhältnismäßig sind. Eine vollständige Entziehung des Sorgerechts wird etwa in dieser Fallkonstellation oft zu weit gehen und darum nicht mehr kindeswohlgemäß sein.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Pippen »

Ich habe die Diskussion hier nicht verfolgt, aber habe trotzdem folgende Fragen:

1. Kann man aus der lokalen Stellung des Unversehrtheitsschutzes "gleich ganz vorn" vor der Religionfreiheit ein tendenzielles Rangverhältnis ableiten? Wird sowas vertreten?

2. Wie ist es mit der Menschenwürde. Ein Kleinkind wird hier in nahezu klassischer Weise als "Objekt" ohne jede gesundheitliche Indikation missbraucht/beschnitten; es kann sich nicht wehren. Ist daher die Beschneidung nicht ein Kernfall der Würdeverletzung? Klar, nimmt man die Menschenwürde beim Wort, dann handelt es sich ja nur um den Anspruch eines Menschen auf Anerkennung seines Wertes bzw. Existenz als Mensch (unter Menschen)....das BVerfG geht allerdings ja weit darüberhinaus, sonst wäre ja selbst der Holocaust nicht zwingend würdeverletzend...wie seht ihr das?
Flanke
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Flanke »

1. Nein.

2. Nein.
HansAlbert
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von HansAlbert »

Ich habe einen interessante Dokumentation aus dem Niederländischen Fernsehen gefunden. Diese Dokumentation ist aus dem Jahre 2004.

http://www.youtube.com/watch?v=U5kaEEckXmU
http://vimeo.com/10468813


In einem Interview des Autors mit Ayaan Hirsi Ali (28:05 in dem Video) legt diese den Finger offen in die Wunde der niederländischen Gesetzgebung, welche eine Doppelmoral bzw. eine Setzung eines doppelten Standards ist, wie ihm auch deutschen Bundestagsabgeordneten vorschwebt.

Sie macht darauf aufmerksam, dass die Inzision der weiblichen Klitoris, welche ein geringerer Eingriff ist als die männliche Beschneidung, ganz klar eine strafbare Handlung nach niederländischem Recht darstellt – im deutschen mittlerweile ja ebenso.

Mit anderen Worten – sollte der deutsche Gesetzgeber die religiöse Beschneidung bei Knaben straffrei stellen, dann widerspricht er sich selbst, wenn er gleichzeitig die Inzision der Klitoris bei Mädchen weiterhin verbietet.
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Baltar
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Baltar »

Genau das Problem wird ja auch der Grund sein, warum das BMJ einen Gesetzesentwurf in diese Richtung so problematisch sieht. Letzlich wird aus Gleichheitsgründen wohl nur das komplette Verbot bleiben. Das kennt man ja bereits in anderen Religionsfragen, was wohl auch der Hauptgrund für die katholische Kirche war, sich hier an der Seite der Moslems und Juden zu stellen.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Pippen »

Flanke hat geschrieben:1. Nein.

2. Nein.
Was wäre denn das Argument, warum eine Würdeverletzung ausscheidet? Wenn jmd. als Kleinkind und daher ohne dessen Willen und ohne med. Indikation erhebliche körperliche Eingriffe hinnehmen muss, dann drängt sich da für mich schon die Objektformel auf.
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Urs Blank
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Urs Blank »

Baltar hat geschrieben: Letzlich wird aus Gleichheitsgründen wohl nur das komplette Verbot bleiben.
Das verstehe ich nicht. Weshalb sollte die Schwere des medizinischen Eingriffs kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine differenzierte gesetzliche Regelung sein?
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Parabellum »

Urs Blank hat geschrieben:
Baltar hat geschrieben: Letzlich wird aus Gleichheitsgründen wohl nur das komplette Verbot bleiben.
Das verstehe ich nicht. Weshalb sollte die Schwere des medizinischen Eingriffs kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine differenzierte gesetzliche Regelung sein?
Wegen der - von mir nicht überprüfbaren - Annahme, es gäbe eine technische Möglichkeit, mit einem medizinischen Eingriff von entsprechend geringer Intensität auch eine Genitalbeschneidung an Mädchen durchzuführen.
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Samson »

Pippen hat geschrieben:
Flanke hat geschrieben:1. Nein.

2. Nein.
Was wäre denn das Argument, warum eine Würdeverletzung ausscheidet? Wenn jmd. als Kleinkind und daher ohne dessen Willen und ohne med. Indikation erhebliche körperliche Eingriffe hinnehmen muss, dann drängt sich da für mich schon die Objektformel auf.
ist die Objektformel bei Kleinkindern überhaupt anwendbar?
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Scaevola »

Samson hat geschrieben:
Pippen hat geschrieben:
Flanke hat geschrieben:1. Nein.

2. Nein.
Was wäre denn das Argument, warum eine Würdeverletzung ausscheidet? Wenn jmd. als Kleinkind und daher ohne dessen Willen und ohne med. Indikation erhebliche körperliche Eingriffe hinnehmen muss, dann drängt sich da für mich schon die Objektformel auf.
ist die Objektformel bei Kleinkindern überhaupt anwendbar?
Sie ist auch sonst problematisch.

Was die Sache mit der Gleichheit betrifft: Wie wäre es mit einem Schuss Pragmatismus? Die Einwilligung in die Jungenbeschneidung für (in Grenzen) wirksam erklären und abwarten, ob wirklich eine Verfassungsbeschwerde
gegen ein Strafurteil wg. Mädchenbeschneidung kommt. Ich habe eher den Eindruck, dass die Justizministerin versucht, die gesetzliche Klarstellung zu torpedieren.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von markus87 »

Pippen hat geschrieben:
Flanke hat geschrieben:1. Nein.

2. Nein.
Was wäre denn das Argument, warum eine Würdeverletzung ausscheidet? Wenn jmd. als Kleinkind und daher ohne dessen Willen und ohne med. Indikation erhebliche körperliche Eingriffe hinnehmen muss, dann drängt sich da für mich schon die Objektformel auf.
Lasst euch bloß nicht mit Pippen auf eine Diskussion über Menschenwürde ein. http://forum.jurawelt.com/viewtopic.php ... de#p537828
HansAlbert
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von HansAlbert »

Immanuel Kant hat geschrieben:Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck , niemals bloß als Mittel brauchest.
[Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 1781
(vgl. Kant-W Bd. 7, S. 61)]


Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, daß jedes derselben sich selbst und alle andere niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle.
[Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 1788
(vgl. Kant-W Bd. 7, S. 66)]


§ 38

Ein jeder Mensch hat rechtmäßigen Anspruch auf Achtung von seinen Nebenmenschen, und wechselseitig ist er dazu auch gegen jeden anderen verbunden.
Die Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von anderen noch so gar von sich selbst) bloß als Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden und darin besteht eben seine Würde (die Persönlichkeit), dadurch er sich über alle andere Weltwesen, die nicht Menschen sind, und doch gebraucht werden können, mithin über alle Sachen erhebt. Gleichwie er also sich selbst für keinen Preis weggeben kann (welches der Pflicht der Selbstschätzung widerstreiten würde), so kann er auch nicht der eben so notwendigen Selbstschätzung anderer, als Menschen, entgegen handeln, d.i. er ist verbunden, die Würde der Menschheit an jedem anderen Menschen praktisch anzuerkennen, mithin ruht auf ihm eine Pflicht, die sich auf die jedem anderen Menschen notwendig zu erzeigende Achtung bezieht.
[Immanuel Kant: Die Metaphysik der Sitten]

Die Gesundheit ist ein wichtigeres Gut als die Religion.
Bei einer Beschneidung haben die Eltern nicht die Gesundheit des Kindes im Blick, sondern bloß ihre religiösen Vorstellungen. Die Beschneidung wird alleine deswegen von den Eltern veranlasst oder durchgeführt, weil diese glauben, dass ihre Religion sie dazu verpflichtet. Das Kind wird benutzt, um der eigenen Religion zu dienen. Es ist während der Durchführung der Beschneidung bloßes Mittel zur Befriedigung der religiösen Vorstellung der Eltern. Es interessiert die Eltern auch nicht, ob das Kind tatsächlich zustimmen würde, wenn es die entsprechende Reife hätte. Sie können nicht wissen, ob es später tatsächlich zustimmt und ihnen nicht später Vorwürfe macht, dass sie ihm ein lebenslanges Zeichen aufgezwungen haben.

Wenn von den Eltern behauptet wird, es diene ja der Gesundheit des Kindes, dann ist das eine bloße Schutzbehauptung. Erstens können sie das gar nicht wissen, weil dieser Punkt umstritten ist. Zweitens würden sie die Beschneidung ebenfalls durchführen, wenn sie glauben würde, dass sie gar keinen gesundheitlichen Nutzen hätte, weil der Grund für die Durchführung der Beschneidung nun mal die geglaubte religiöse Pflicht ist. In den religiösen Quellen wird ohnehin nicht mit gesundheitlichen Aspekten argumentiert. Die Beschneidung wird dort als Symbol für den Bund mit Gott gefordert.


Meiner Meinung nach verstößt die Beschneidung von Kindern aus religiösen Gründen gegen die Menschenwürde des Kindes, weil die Eltern das Kind nicht als Person wahrnehmen, sondern als ein Objekt an dem man einen religiösen Ritus vollziehen muss.

Was meint ihr?
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