Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

julée hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Nehmen wir mal an, ich würde das akzeptieren und meine Haltung dazu aufgeben ;). Können wir uns wenigstens darauf einigen, dass sich der Zurückverweisung an die Vorinstanz noch nicht die Auffassung des BGH entnehmen lässt, die unter Ziff. 2 genannten Umstände alleine würden eindeutig für einen Irrtum sprechen? Und dass die Schlussfolgerung, Schlafende seien Freiwild arg übertrieben ist?
Darauf, dass der BGH aus Ziff. 2 wohl noch nicht einen eindeutigen Irrtum ableiten möchte, könnten wir uns einigen; ich würde die Erwägungen unter Ziff. 2 für sich allein genommen gleichwohl weiterhin für einigermaßen fernliegend bis abstrus halten und damit auch die Annahme eines möglicherweise hieraus resultierenden Irrtums.
Das kann man vertreten. Meiner Meinung nach besteht für das Tatgericht aber durchaus Anlass, sich zumindest mit einem Irrtum auseinanderzusetzen, wenn die Beteiligten eine besonders innige Freundschaft haben, es zu eindeutigen Anspielungen kam und gemeinsam in einem Bett schliefen. Dass das in der Regel nicht zu einem Irrtum führen wird, ist klar. Es reicht aber auch nicht, diese Umstände deshalb für unbeachtlich zu halten, weil die Beziehung in der Zeit unmittelbar vor der Tat platonisch war. Denn das alleine schließt eine spätere Einwilligung ja nicht aus. Dass die Punkte unter Ziffer 2 insgesamt keinen Irrtum begründen, ist natürlich ein nachvollziehbares und sogar naheliegendes Ergebnis der Abwägung. Stattfinden sollte eine solche Abwägung in einem Urteil mE aber schon, insbesondere wenn sich die Beteiligten sehr nahe standen, in der Vergangenheit Sex hatten, etc. Immerhin geht es um einen sehr schweren Tatvorwurf und eine Haftstrafe. Da ist es besser, sich vielleicht etwas zu genau mit irgendwelchen Eventualitäten auseinanderzusetzen, als zu oberflächlich.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

JS hat geschrieben:Ich spreche natürlich nicht von Missbrauch. Dann würde das Argument auch gar keinen Sinn ergeben. Präziser: Es muss ja nicht unbedingt Beischlaf sein, aber du kannst davon ausgehen, dass irgendwie geartete sexuelle Handlungen in solchen Konstellationen sehr oft vorkommen, ohne das irgendjemand das als Missbrauch empfindet. Für mich ist das selbstverständlich.
Worauf gründet sich deine Einschätzung als "Selbstverständlichkeit"?

Da ist es besser, sich vielleicht etwas zu genau mit irgendwelchen Eventualitäten auseinanderzusetzen, als zu oberflächlich.
Eine Auseinandersetzung mit dem Unsinn, den der GBA angeführt hat, ist Zeitverschwendung. Wie will ein Tatgericht auch ermitteln, ob der Angeklagte angesichts der langen innigen Freundschaft nicht doch dachte, die Geschädigte hätte nichts dagegen, wenn er mit ihr während ihres Schlafes Sex hat? Die Entscheidung ist ärgerlich, weil sie kompletten Unfug enthält. Sie ist aber noch ärgerlicher, weil sie sich in eine lange Traditionslinie des Bundesgerichtshofs einfügt, Sexualstraftaten (zumal im Nahbereich) nicht ernstzunehmen.

Wenn du dann von einer "zu genauen Auseinandersetzung mit Eventualitäten" ankommst, dann wirkt das so treuherzig wie naiv.
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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:Sie ist aber noch ärgerlicher, weil sie sich in eine lange Traditionslinie des Bundesgerichtshofs einfügt, Sexualstraftaten (zumal im Nahbereich) nicht ernstzunehmen.
Umgekehrt könnte man auch sagen, dass der BGH den Vorwurf von Sexualstraftaten sehr ernst nimmt. Und insbesondere dort auf einer besonders genauen Überprüfung des Vorwurfs beharrt, wo sich erfahrungsgemäß die größten Probleme bei der Tatsachenfeststellung ergeben: im Nahbereich.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:Sie ist aber noch ärgerlicher, weil sie sich in eine lange Traditionslinie des Bundesgerichtshofs einfügt, Sexualstraftaten (zumal im Nahbereich) nicht ernstzunehmen.
Umgekehrt könnte man auch sagen, dass der BGH den Vorwurf von Sexualstraftaten sehr ernst nimmt. Und insbesondere dort auf einer besonders genauen Überprüfung des Vorwurfs beharrt, wo sich erfahrungsgemäß die größten Probleme bei der Tatsachenfeststellung ergeben: im Nahbereich.
Das kann man natürlich so sehen. Es ist nur nicht besonders sinnvoll, das zu tun. Ansonsten ist von deinem Widerspruch nicht besonders viel übrig geblieben. Du verteidigst den BGH nur noch dafür, dass er "zu genau" hinschaut und dabei auf Umstände hinweist, die selbst du nicht sonderlich erhellend findest. So richtig überzeugend wirkt das nicht.

Aber sei's drum, die Argumente dürften ausgetauscht sein.
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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
Das kann man natürlich so sehen. Es ist nur nicht besonders sinnvoll, das zu tun. Ansonsten ist von deinem Widerspruch nicht besonders viel übrig geblieben. Du verteidigst den BGH nur noch dafür, dass er "zu genau" hinschaut und dabei auf Umstände hinweist, die selbst du nicht sonderlich erhellend findest. So richtig überzeugend wirkt das nicht.
Das stimmt schon deshalb nicht, weil ich mich ursprünglich an der Diskussion beteiligt habe, weil ich deine Auffassung, der BGH würde leichtfertig von einer Einwilligung von Schlafenden ausgehen ("Schlafende als Freiwild") nach wie vor für völlig übertrieben und daneben halte. Dass ich diesen Vorwurf nicht in jedem Post wiederhole, bedeutet nicht, dass ich ihn fallen lasse. Bisher hast du mir auch noch nicht erklären können, warum du das so siehst, obwohl eine Rückverweisung keineswegs eine Aufforderung zu einer bestimmten Entscheidung ist. Letztendlich geht es um die rechtsstaatlichen Anforderungen, die ein Schuldspruch wegen eines Sexualdelikts erfüllen muss. Das bedeutet freilich nicht, dass der BGH Sexualdelikte im Nahbereich in irgend einer Weise auf die leichte Schulter nehmen würde. Aber gerade in Fällen, in denen sich der Schuldspruch häufig aus "Aussage gegen Aussage" Situationen und subjektiven Eindrücken ergibt und eine erhebliche Straffolge nach sich ziehen kann, spricht mE viel dafür, möglichst genau hinzuschauen und sich auch mit fernliegenden, aber nicht ganz ausgeschlossenen Umständen auseinanderzusetzen.

Was die Diskussion zu den Formulierungen im Beschluss angeht, gebe ich zu, dass die Lesart von dir und julée mehr Sinn macht, als meine ursprüngliche. Das hat mit dem Hauptproblem aber nichts zu tun. Denn selbst wenn man die Anforderungen an die Tatsachenaufklärung für überzogen hält, ergibt sich daraus noch lange nicht das Ergebnis, dass Schlafende von innigen Freunden missbraucht werden dürften, wenn sie das vorher nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben. So verstand ich aber deine ursprünglichen Aussagen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben: Das stimmt schon deshalb nicht, weil ich mich ursprünglich an der Diskussion beteiligt habe, weil ich deine Auffassung, der BGH würde leichtfertig von einer Einwilligung von Schlafenden ausgehen ("Schlafende als Freiwild") nach wie vor für völlig übertrieben und daneben halte. Dass ich diesen Vorwurf nicht in jedem Post wiederhole, bedeutet nicht, dass ich ihn fallen lasse. Bisher hast du mir auch noch nicht erklären können, warum du das so siehst, obwohl eine Rückverweisung keineswegs eine Aufforderung zu einer bestimmten Entscheidung ist.
Meine Formulierung "Schlafende als Freiwild" war eine polemische Überspitzung, die auf das Bemühen des GBA anspielte, eine Bestrafung aus § 179 StGB zu verhindern. Denn dort wo die Rspr mit Argumenten wie denen unter Ziff. 2 des Antrags des GBA die Bestrafung von Missbrauchstätern vereitelt, werden Schlafende tatsächlich "Freiwild".
Letztendlich geht es um die rechtsstaatlichen Anforderungen, die ein Schuldspruch wegen eines Sexualdelikts erfüllen muss. Das bedeutet freilich nicht, dass der BGH Sexualdelikte im Nahbereich in irgend einer Weise auf die leichte Schulter nehmen würde. Aber gerade in Fällen, in denen sich der Schuldspruch häufig aus "Aussage gegen Aussage" Situationen und subjektiven Eindrücken ergibt und eine erhebliche Straffolge nach sich ziehen kann, spricht mE viel dafür, möglichst genau hinzuschauen und sich auch mit fernliegenden, aber nicht ganz ausgeschlossenen Umständen auseinanderzusetzen.

Es ist jetzt also auch noch rechtsstaatlich geboten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Beschuldigter nicht wegen der tiefen und innigen Freundschaft mit der Geschädigten glaubte, sie fände Sex während ihres Schlafes total okay?
Du ziehst dich nun darauf zurück, man dürfe wohl etwas genauer hinschauen, selbst wenn es um "fernliebende, aber nicht ganz ausgeschlossene[n] Umstände" gehe. Der Punkt ist aber: die Umstände, die der GBA unter Ziff. 2 anführt, sind nicht bloß fernliegend, sie sind hirnrissig. Keiner dieser Umstände ist für sich genommen geeignet, Anhaltspunkte für einen Irrtum des Täters über die Einwilligung zu liefern und selbst wenn man sie alle zusammennimmt, bleibt die Behauptung, sie drängten zur Erörterung, ob nicht doch ein strafbarkeitsausschließender Irrtum vorlag, absurd.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
Meine Formulierung "Schlafende als Freiwild" war eine polemische Überspitzung, die auf das Bemühen des GBA anspielte, eine Bestrafung aus § 179 StGB zu verhindern. Denn dort wo die Rspr mit Argumenten wie denen unter Ziff. 2 des Antrags des GBA die Bestrafung von Missbrauchstätern vereitelt, werden Schlafende tatsächlich "Freiwild".
Genau das meine ich ;) Wo liest du in dem Beschluss heraus, dass der BGH eine Bestrafung in solchen Fällen verhindern will? Es wird nur gesagt "begründet euer Urteil mal besser". Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein Urteil, dass mit den Argumenten aus Ziff. 2 einen Irrtum angenommen hätte, ebenfalls aufgehoben wird. Es geht um die Art und Weise der Prüfung. Da stehen Behauptungen des Angeklagten im Raum. Er dachte, das Opfer wolle Sex und die Verteidigung bringt dafür gewisse Anhaltspunkte vor. Dann muss das Gericht fragen: Macht das Sinn? Und wenn ja, durfte der Angeklagte von dieser Einwilligung auch im Schlaf ausgehen? Das Ergebnis ist völlig offen und wird vom BGH nicht vorgegeben, aber die Fragen müssen gestellt werden. Und dürfen dann auch nicht mit "die Beziehung war zur Tatzeit rein platonisch" abgekanzelt werden.
[enigma] hat geschrieben:
Letztendlich geht es um die rechtsstaatlichen Anforderungen, die ein Schuldspruch wegen eines Sexualdelikts erfüllen muss. Das bedeutet freilich nicht, dass der BGH Sexualdelikte im Nahbereich in irgend einer Weise auf die leichte Schulter nehmen würde. Aber gerade in Fällen, in denen sich der Schuldspruch häufig aus "Aussage gegen Aussage" Situationen und subjektiven Eindrücken ergibt und eine erhebliche Straffolge nach sich ziehen kann, spricht mE viel dafür, möglichst genau hinzuschauen und sich auch mit fernliegenden, aber nicht ganz ausgeschlossenen Umständen auseinanderzusetzen.
Swann hat geschrieben:Keiner dieser Umstände ist für sich genommen geeignet, Anhaltspunkte für einen Irrtum des Täters über die Einwilligung zu liefern
Zustimmung.
und selbst wenn man sie alle zusammennimmt, bleibt die Behauptung, sie drängten zur Erörterung, ob nicht doch ein strafbarkeitsausschließender Irrtum vorlag, absurd.
Ob es sich aufdrängt, weiß ich nicht. Allerdings würde ich eine Beschäftigung mit dieser Frage nicht für völlig absurd halten, wenn sich der Angeklagte genau darauf beruft.
Zuletzt geändert von [enigma] am Dienstag 18. Februar 2014, 22:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben:Das Ergebnis ist völlig offen und wird vom BGH nicht vorgegeben, aber die Fragen müssen gestellt werden.
Nein, diese Fragen müssen nicht gestellt werden. Man muss nicht fragen, ob nicht aus dem Umstand, dass die Geschädigte den Beschuldigten zu dessen Oberkörper ein Kompliment gemacht hat, folgt, dass dieser vielleicht glaubte, sie im Schlaf mit ihrer Billigung missbrauchen zu können.
Und dürfen dann auch nicht mit "die Beziehung war zur Tatzeit rein platonisch" abgekanzelt werden.
Nein, die "Fragen" müssen damit "abgekanzelt" werden, dass sie völlig bedeutungs- und sinnlos sind.


Im Übrigen solltest du vielleicht noch einmal den Beschluss lesen. Das von dir behauptete Prozessgeschehen hat nur in deiner Phantasie stattgefunden.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
Im Übrigen solltest du vielleicht noch einmal den Beschluss lesen. Das von dir behauptete Prozessgeschehen hat nur in deiner Phantasie stattgefunden.
Punkt für dich. Darf ich dann wenigstens deine These, der BGH tendiere in solchen Fällen mit eben dieser Begründung zu einer Straflosigkeit als widerlegt betrachten und als Punkt für mich verbuchen?
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben:Darf ich dann wenigstens deine These, der BGH tendiere in solchen Fällen mit eben dieser Begründung zu einer Straflosigkeit als widerlegt betrachten und als Punkt für mich verbuchen?
Sicher nicht. Erstens kann man dem Beschluss m.E. ganz gut entnehmen, wohin nach Auffassung des 3. Strafsenats die Reise gehen soll und zweitens führen die quatschigen Rechtserwägungen des BGH mit hoher Wahrscheinlichkeit faktisch zur Straflosigkeit. Denn der Senat hat das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Aber das LG weiß doch jetzt, was es zu tun hat und kann die angeführten Umstände berücksichtigen und widerlegen. Daran, dass das im konkreten Fall ziemlich einfach sein dürfte, zweifle ja nicht mal ich.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben:Aber das LG weiß doch jetzt, was es zu tun hat und kann die angeführten Umstände berücksichtigen und widerlegen. Daran, dass das im konkreten Fall ziemlich einfach sein dürfte, zweifle ja nicht mal ich.
Das Tatgericht muss jetzt wieder bei Null anfangen, d.h. es muss die u.U. stark traumatisierte Geschädigte erneut vernehmen und versuchen, auf dieser Grundlage einen Sachverhalt erneut festzustellen. Wenn da am Ende kein Freispruch steht, sollte der Beschuldigte vom Verteidiger sein Geld zurückverlangen.

Solche Entscheidungen sind natürlich auch verheerend außerhalb dieses Verfahrens. Wenn ein StA im Fischer auf diese Entscheidung vll. verwiesen wird und liest, mit welchem Unsinn der BGH die Straflosigkeit von Missbrauchstaten im Nahbereich erzwingen will - warum sollte er sich dann die Mühe einer Anklageerhebung bei solchen Delikten überhaupt machen?
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben: Das Tatgericht muss jetzt wieder bei Null anfangen, d.h. es muss die u.U. stark traumatisierte Geschädigte erneut vernehmen und versuchen, auf dieser Grundlage einen Sachverhalt erneut festzustellen. Wenn da am Ende kein Freispruch steht, sollte der Beschuldigte vom Verteidiger sein Geld zurückverlangen.
Das hatte ich tatsächlich nicht bedacht. Allerdings glaube ich nach wie vor nicht, dass der BGH ein solches Verhalten aus den genannten Gründen tatsächlich für nicht strafwürdig hält und mit diesen Auswirkungen quasi indirekt einen Freispruch erzwingen will. Dass das in der Praxis aber tatsächlich böse Folgen haben kann, will ich nicht bezweifeln.
Swann hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:
Solche Entscheidungen sind natürlich auch verheerend außerhalb dieses Verfahrens. Wenn ein StA im Fischer auf diese Entscheidung vll. verwiesen wird und liest, mit welchem Unsinn der BGH die Straflosigkeit von Missbrauchstaten im Nahbereich erzwingen will - warum sollte er sich dann die Mühe einer Anklageerhebung bei solchen Delikten überhaupt machen?
Weil der StA im Idealfall den Beschluss liest und erkennt, dass dieser nur eine genaue Auseinandersetzung mit Irrtümern bei Sexualdelikten im Nahbereich vorschreibt und eben nicht generell vom tatsächlichen Vorliegen eines solchen Irrtums ausgeht.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Court of Appeal upholds principle of whole-life prison terms

http://www.bbc.co.uk/news/uk-26236225
"Honey, I forgot to duck."
Swann
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

RiBGH Mayer hat im ersten Revisionsverfahren, das den neu eingefügten § 89a StGB zum Gegenstand hat, eine Anzeige gem. § 30 StPO gemacht. Originell ist die Begründung seiner Anzeige. Er meint nämlich, weil er sich für chemisch-physikalische Fragen und die Theologie von Al-Qaida interessiere, habe er sich nach der vom Tatgericht zugrunde gelegten Auffassung bereits strafbar gemacht und sei deshalb persönlich daran interessiert, § 89a StGB sehr restriktiv auszulegen.

Der 3. Strafsenat hat ihn vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... =2&anz=632
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