Boris Die Klinge hat geschrieben:[enigma] hat geschrieben:Ich würde mir aber ziemlich schäbig dabei vorkommen, die USA zum Beispiel wegen der Tötung von Zivilisten durch Drohnen zu kritisieren und Putins Ukrainepolitik dann mit einem Verweis auf "russische Interessen" abzunicken.
Daran allein, dass Du Kritik an Putins Ukrainepolitik übst, stört sich wohl niemand hier.
Doch, Putins Ukrainepolitik wurde hier vehement und von mehreren Diskussionsteilnehmern verteidigt.
In der aktuellen Debatte um die "Ukraine-Krise" greift es m.E. aber deutlich zu kurz, Putin die alleinige Verantwortung an der fortschreitenden Eskalation des Konflikts zuzuschreiben. Auch reicht es auf der Suche nach einem probaten Ansatz zur Deeskalation oder gar zur Lösung des Konflikts nicht aus, vermeintlich Verantwortliche zu suchen und am gar nicht so allgemeinverbindlichen Maßstab des Völkerrechts oder gar der Verhältnismäßigkeit der Mittel orientiert identifizieren zu wollen. Diese Paradigmen greifen im hier zu beurteilenden Kontext allenfalls bedingt.
Es ist gerade die Aufgabe des Völkerrechts, als Beurteilungsgrundlage für derartige Sachverhalte zu dienen. Wenn das Völkerrecht für dich nicht "allgemeinverbindlich" sein und seine Beachtung zur Disposition der handelnden Staaten stehen soll, nehme ich diese Meinung (augenrollend und kopfschüttelnd) so hin. Teilen kann sie aber nicht.
Die konsequente Missachtung bzw. das konsequente Negieren russischer außenpolitischer Interessen und des nationalen Sicherheitsinteresses/-gefühls Russlands haben die Entstehung des Konflikts überhaupt erst ermöglicht und befeuern ihn geradezu stündlich. In diesem Kontext war und ist auch völlig unerheblich, ob wir die Interessen Russlands bzw. die gefühlte Bedrohungslage für legitim halten. Wenn man sich wie die EU und die USA wie der außenpolitische Elefant im Porzellanladen verhält, dann darf man sich schlichtweg nicht wundern, dass es zu so einer Entwicklung kommt, die man einerseits selbstverständlich nicht gut heißen kann, andererseits aber unzweifelhaft mit zu verantworten hat.
Erneut wird das Verantwortungsprinzip völlig außer Acht gelassen. Niemand bestreitet, dass der Westen Fehler gemacht hat. Verantwortlich für die aggressiv-imperialistische Politik Putins ist letztendlich aber nur er selbst. Möglicherweise hätte er den russischen Interessen auf diplomatischem Wege mehr Gehör verschaffen können. Stattdessen glaubt er, mit den alten Sowjetmethoden im Konflikt mit dem Westen durchzukommen, obwohl sich Russland längst nicht mehr in einer vergleichbaren Machtposition befindet. Dass die internationale Staatengemeinschaft das nicht durchgehen lassen will, finde ich nicht nur nachvollziehbar, sondern richtig.
[enigma] hat geschrieben:Schon deshalb ist mir eine Demokratie wie die USA relativ gesehen zumindest politisch deutlich näher als eine Quasidiktatur wie Putins Russland.
Darum geht es hier aber nicht. Vielleicht fühlst Du deshalb einen ständigen Rechtfertigungszwang. Im Übrigen: Nur weil uns die faktische Staatsform Russlands und der putinsche innenpolitische Führungsstil nicht zusagen, haben wir noch lange nicht das Recht, über Russland außenpolitisch zu richten und es derart herauszufordern, dass Europa auf einem guten Weg ist, in einen weiteren Krieg zu stürzen, den eigentlich niemand möchte.
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Ich verurteile die russische Außenpolitik nur auf Grundlage der außenpolitischen Handlungen, Sympathie spielt für mich dabei keine Rolle, gerade darauf wollte ich hinaus. Gibt auch genug außenpolitische Fehler der USA, die man auch als "USA-Sympathisant" verurteilen kann oder muss. Darum geht es hier aber nicht. Dass die Sanktionspolitik zu einem Krieg führt, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Mehr Sorgen würde ich mir da bei einem Appeasementkurs machen. Die Wahrscheinlichkeit eines Krieges ist dann besonders hoch, wenn jedes Land glaubt, tun und lassen zu können was es gerade will, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Deshalb halte ich auch nicht viel von der US-Außenpolitik der letzten Jahrzehnte, weil es dadurch natürlich schwerer wird, gegenüber anderen Staaten auf das Völkerrecht zu pochen. Wie gesagt befinden sich die USA aber nun mal in einer unanfechtbaren Machtposition und nutzen diese zu ihrem eigenen Vorteil aus. Russland kann sich das nicht leisten, wie die immer gravierender werdenden Wirkungen der Sanktionen zeigen. Wenn die Staatengemeinschaft aber die Mittel hat, um Verstöße gegen das Völkerrecht in einem konkreten Fall zu sanktionieren, sollte man diese Mittel auch nutzen.