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Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Freitag 17. Juli 2015, 18:14
von Gelöschter Nutzer
Moin Ihr Lieben,

sind hier Nurnotare/-assessoren aus den "neuen Ländern" für einen kurzen Autausch (gern auch ganz diskret per PN) zu den dortigen Strukturen hinsichtlich Verdienst/Einkommensergänzung anwesend?

Mich interessiert im Wesentlichen, ob es im ländlichen Raum bspw. in Sachsen-Anhalt oder Meck-Pomm Stellen gibt, die einfach zwangsläufig von der Ergänzung durch die Ländernotarkasse (R1 in der Einstiegsstufe) leben müssen oder ob es im Grunde überall eine (ernsthafte) Chance gibt, hier irgendwie nennenswert drüber zu liegen.

Bin für jede Meinung - natürlich nicht nur von Notaren - dankbar!

Herzliche Grüße

Diener

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Samstag 18. Juli 2015, 16:40
von Niederegger
Bin nicht in den "neuen Ländern" ansässig. Rein vom Gesetz her gesehen (§ 4 BNotO) müsste Deine Frage aber doch im Sinne der zweiten Alternative zu beantworten sein. Wenn Stellen "zwangsläufig" ohne ernsthafte Chance auf das Gegenteil auf Einkommensergänzung angewiesen sind, müssen sie bei der Entscheidung über eine Neubesetzung anlässlich der Amtssitzverlegung des bisherigen Inhabers eingezogen werden, und das wird ja auch praktiziert. Ein Fall aus dem Bereich der Ländernotarkasse zB BGH, Beschluss vom 16.07.2001 - NotZ 7/01 mit ausführlicher Anm. Lischka = DNotZ 2002, 70. In Mecklenburg-Vorpommern gab es zB in 2001 73 Notare, derzeit noch 57.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 16:56
von Gelöschter Nutzer
Danke für die Einschätzung!

Soweit ich das verstehe normiert § 4 Satz 2 BNotO die Pflicht, auch in der (beispielsweisen) vorpommerschen Zivilisationswüste eine Grundversorgung mit notriellen Diensten sicherzustellen. Nun war meine Überlegung, dass in bestimmten Gegenden unter Umständen einfach ein Notar da sein muss, weil eine Einziehung wegen der Entfernung zur nächsten Stelle nicht mit § 4 BNotO vereinbar wäre. Da wäre meine Frage, ob es solche armen Stellen gibt, die irgendwie ausgehalten werden müssen, weil es eben nicht anders geht oder ob dann doch der Schritt gemacht wird, ganze Landstriche wegen Demographie, Grundstückspreisen und allgemeiner wirtschaftlicher Lage "notarlos" zu stellen.

Oder vielleicht gibt es so große Gebiete ja gar nicht, die nicht wenigstens einen Notar anständig ernähren können.

Bin für weitere Anregungen dankbar!

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 17:31
von julée
Die Frage wäre ja, welche Entfernung bis zum Notar noch als zumutbar anzusehen ist. Wenn man davon ausgeht, dass im ländlichen Bereich 50 km für die paar Notarbesuche im Leben noch zumutbar sind, dann dürften doch sowohl in MeckPomm als auch in Sachsen-Anhalt wenige Standorte außerhalb der größeren Städte übrig bleiben, an denen man jetzt unter diesem Gesichtspunkt zwingend ein Notariat am Leben halten müsste, weil es sonst eher 100 km bis zum nächsten Notar wären.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 17:59
von Tibor
Frage: Es gibt doch in MeckPomm nicht nur Nurnotare, oder? Solange mit Anwaltsnotaren die Notarversorgung sichergestellt werden kann, wäre es doch kein Problem, oder?

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 18:40
von Gelöschter Nutzer
Nein, Anwaltsnotare gibt es dort meines Wissens nicht parallel.

Wenn ich mir die tolle interaktive Karte auf http://www.notarkammer-mv.de/index.html (Verwaister Link automatisch entfernt) anschaue, dann sehe ich ja schon eine recht breite notarfreie Zone in der Mitte. Und vielleicht kann man Demmin oder Anklam nicht auflösen, damit der Streifen nicht irgendwie unzumutbar verbreitert wird?

Habe auch mal nach Statistiken zum Urkundsaufkommen geschaut aber leider nichts gefunden. Naja, warten wir noch auf den Insider.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 18:51
von Parabellum
Diener hat geschrieben:Nein, Anwaltsnotare gibt es dort meines Wissens nicht parallel.

Wenn ich mir die tolle interaktive Karte auf http://www.notarkammer-mv.de/index.html (Verwaister Link automatisch entfernt) anschaue, dann sehe ich ja schon eine recht breite notarfreie Zone in der Mitte.
Das deckt sich ja auch mit den quasi menschenfreien Zonen in dem Bereich. Die Qualität der Rechtspflege in MV wird aber sicherlich nicht an der Frage hängen, ob es in Gnoien oder Tribsees nun ein Notariat gibt oder nicht.

Gerade was MV angeht muss man das im Übrigen auch im Zusammenhang mit der jeweiligen Entfernung zur Zivilisation in Form von staatlichen Institutionen generell sehen. Stichwort Amtsgerichtsbezirke, Stichwort Kreisgebietsreform usw. Wenn es - aus meiner Sicht grundsichtlich zutreffend - zumutbar ist, zum Landkreis oder zum Amtsgericht 70 km zu fahren, dann ist das hinsichtlich der Notarstellen ebenso zumutbar.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 19:12
von julée
Diener hat geschrieben:Wenn ich mir die tolle interaktive Karte auf http://www.notarkammer-mv.de/index.html (Verwaister Link automatisch entfernt) anschaue, dann sehe ich ja schon eine recht breite notarfreie Zone in der Mitte. Und vielleicht kann man Demmin oder Anklam nicht auflösen, damit der Streifen nicht irgendwie unzumutbar verbreitert wird?
Ich habe mal aus Neugierde ein paar Entfernungen gegoogelt - die Entfernungen sind nicht so groß wie man sich das vorstellt, z. B. in Nord-Süd-Richtung sind es von Rostock nach Güstrow knapp 45 km und bis nach Röbel (und damit an fast an die Grenze von Brandenburg) etwas über 100 km - d. h. selbst wenn man die Notariate in der Mitte etwas ausdünnen würde, wäre es noch nicht unzumutbar weit bis zum nächsten Notar. Von Greifswald nach Pasewalk sind um die 100 km sowie von Greifswald nach Teterow knapp 80 km, d. h. selbst wenn man hier auf Notarstellen in Anklam und Demmin verzichtete, entstünden keine allzu großen Lücken. Derzeit dürften es daher überall schätzungsweise max. 20-30 km bis zum nächsten Notar sein?

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 20:37
von Anger
Kann julées Mutmaßungen aus 20jähriger Anschauung bestätigen. Bin mitten in der breiten notarfreien Zone aufgewachsen, im Umkreis von 50 km um mein Elternhaus sind trotzdem 7 Notariate (Neubrandenburg nur einfach gerechnet). Anklam wird man allerdings wohl nicht einziehen können. Der Amtsbereich dort ist jetzt schon riesig.

Urkundsaufkommen ist aufgrund der großen Amtsbereiche in den meisten Ämtern wohl ausreichend vorhanden. Im Gegenteil, sogar fast zu viel. Um bei den dortigen Werten lebensfähige Notariate zu schaffen, müssen die Urkundszahlen erheblich über denen in liegen, die in süddeutschen Gehilden notwendig sind. Ich kenne grob die Zahlen von zwei Ämtern da oben und ganz froh, für gleiche Umsätze nicht die annähernd die Hälfte vorlesen zu müssen.

Richtige Insider-Infos habe ich allerdings auch nicht. Dafür bin ich zu lang weg von der Küste.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 20:43
von Anger
@tibor: Anwaltsnotare parallel zu Nurnotaren gibt es eigentlich nirgendwo (vom Kuddelmuddel in BaWü mal abgesehen). Die Ostländer sind mit Ausnahme Berlins alle Nurnotariats-Bereiche.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 20:55
von Tibor
Danke für die Info, das Nurnotariat hört sich mE aber nach einem kostspieligem Service an, warum schwenkt man in Flächenländern nicht zum Anwaltsnotariat um; zivilrechtlich tätige Anwälte dürfte es doch eher noch im breiten Land geben.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 22:01
von Anger
Weil die Qualität im Nurnotariat - jedenfalls in der Breite - einfach größer ist. Die notarielle Fachprüfung hat zwar schon ein bisschen was getan. Aber wenn du 200 Nummern im Jahr hast, verblasst das erworbene Wissen relativ schnell. Und Schnittstellen zu den RA-Sachen gibt es relativ wenige, vor allem wenn wir von Flächenländern und damit idR von Feld-Wald-Wiesen-Anwälten reden.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Montag 20. Juli 2015, 09:04
von Niederegger
So ist es. Nurnotare sind nicht per se die besseren Juristen, aber sie haben auf ihrem Gebiet mehr Übung.

Zu der Lebensfähigkeit der Notariate im Osten dürfte auch noch beitragen, dass
- die frühere Gebührenermäßigung für das ostdeutsche Gebiet (wenn ich recht weiß, durften 90 % der West-KostO-Gebühren erhoben werden) inzwischen entfallen ist und dass
- die Ablösung der KostO durch das GNotKG vor zwei Jahren gerade die Notare in strukturschwachen Gebieten durch die Neufassung der Mindestgebühren und der Geschäftswerttabelle im Auge hatte.

Und @Diener: Ein Amt, das auf Dauer ohne Verbesserungsaussicht auf Einkommensergänzung angewiesen wäre, muss auch in Flächenländern nach § 4 BNotO eingezogen werden. Eine probates Hilfsmittel gegenüber der Schaffung eines großen notarlosen Gebietes ist es, dass bei Flächennotariaten mit großem Amtsbereich neben dem Notariat am Amtssitz eine weitere Geschäftsstelle zu unterhalten ist, die besetzt und ansprechbar sein muss. Das gibt es auch in Bayern mittlerweile öfters.

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 26. Juli 2015, 11:28
von surcam
Meinem Vernehmen nach hatte die Notarkammer MV vor kurzem oder hat sogar immer noch Probleme dabei, einen (weiteren?) Notar für Wismar zu finden. Anscheinend wollte und will niemand aus den ländlichen Gebieten weg. Kann denen also nicht so schlecht gehen. ;)

(Es ist hier oftmals so, - als "fertiger" Nur-Notar - zunächst ein Notariat auf dem Land zu führen, um dann, wenn in einer größeren Stadt etwas frei wird, dort hinzugehen, bis man selbst Platz macht. ^^)

Re: Nurnotariat in den neuen Ländern?

Verfasst: Sonntag 26. Juli 2015, 20:45
von uticensis
"Nurnotare sind nicht per se die besseren Juristen, aber sie haben auf ihrem Gebiet mehr Übung."

Doch allerdings, sie sind die deutlich besseren Juristen, wenn man den anerkannten Maßstab des zweiten Staatsexamens heranzieht... Da gibt es zwischen den Anwaltsnotarsbewerbern und den Nurnotaranwärtern nach wie vor einen ganz erheblichen Abstand.

Besonders hervorstechend ist ja die qualitative Homogenität des Nurnotariats jedenfalls in den Gebieten, in denen es sich organisch entwickeln konnte (etwa Bayern oder das Rheinland), wohl etwas weniger in den neuen Ländern...