Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

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Moderator: Verwaltung

julée
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von julée »

thh hat geschrieben:
Mr_Black hat geschrieben:Ich erwarte natürlich auch umgekehrt von der Software, dass sie immer nutzerfreundlicher wird und keine Expertenkenntnisse erfordert. Mittlerweile können schon Kleinkinder mit einem IPad umgehen, weil die Steuerung - anders noch als beim PC intuitiv erfolgt.
"intuitiv" ist das, was Erwartungen entspricht. Auch die Steuerung eines IPad ist nicht per se "intuitiv".
Wohl wahr. Für meine Mutter war das iPad eine sehr gute Anschaffung, mal vom ersten Update abgesehen, gab es insoweit noch keine Panikanrufe (Online-Banking und Shopping am PC beherrscht sie), aber etwa darauf, dass man zu den Fotos auch kommt, wenn man auf das Symbol "Fotos" klickt (was ich an sich für höchst intuitiv hielte), ist sie nicht von alleine gekommen - sie hat vorher immer den Weg über die Kamera gewählt. Geht praktisch auch, aber einfach ist anders.

Und ja, die Beschäftigung heute dürfte eine andere sein. Fürs echte Programmieren war ich zwar nie so wirklich zu haben, aber ich habe die Zeit, die meine Cousine heute damit verbringt, Selfies zu knipsen, damit verbracht, die klassischen Anwenderprogramme auszuprobieren und durch Versuch und Irrtum weiterzukommen. Und von meiner im gleichen Alter sehr geringen wöchentlichen Internetzeit (nur ein PC mit Internet - ISDN ;)) habe ich sicherlich deutlich mehr Zeit mit echter Recherche außerhalb von Onlineshops und YouTube verbracht als sie heute.
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Atropos
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Atropos »

Ich finde diese Diskussion schon etwas befremdlich. Hätte man denn bei der Schuldrechtsreform das Argument akzeptiert ,,Das geht nicht, wir haben hier Richter, die im 1. und 2. Staatsexamen noch das alte Schuldrecht gelernt haben und sich jetzt so ein großes Gebiet wie das neue Schuldrecht unmöglich selbständig erarbeiten können" ? Natürlich nicht, weil bei rechtlichen Kenntnissen jedem klar ist, dass das eben zur Kernkompetenz jedes Richters gehört - es gibt keine Entschuldigung, den aktuellen Stand des Rechts nicht zu kennen.

Klar ist IT-Kompetenz nicht mit rechtlichen Kenntnissen vergleichbar. Aber grundsätzlich bestimmt der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für die innerhalb seiner Organisation zu erfüllenden Aufgaben und sucht sich dann Arbeitnehmer, welche dieses Anforderungsprofil aufweisen.

Um ehrlich zu sein, klingen viele der vorgebrachten Argumente der letzten Seite für mich im Wesentlichen nach ,,Es gibt keine Möglichkeit, Richter oder Geschäftsstellenbeamte zu entlassen oder zu versetzen, die unfähig oder unwillig sind, sich elementarste moderne IT-Kenntnisse anzueignen". Für manche mag der Satz mit "Und das ist auch gut so!" weiter gehen, aber aus der Perspektive des Steuerzahlers bin ich davon nicht unbedingt begeistert...
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Vorkriegsjugend
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Beamte entlassen?
julée
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von julée »

Atropos hat geschrieben:Um ehrlich zu sein, klingen viele der vorgebrachten Argumente der letzten Seite für mich im Wesentlichen nach ,,Es gibt keine Möglichkeit, Richter oder Geschäftsstellenbeamte zu entlassen oder zu versetzen, die unfähig oder unwillig sind, sich elementarste moderne IT-Kenntnisse anzueignen". Für manche mag der Satz mit "Und das ist auch gut so!" weiter gehen, aber aus der Perspektive des Steuerzahlers bin ich davon nicht unbedingt begeistert...
Also aus Konsumentensicht ist es mir vollkommen egal, ob der Richter seine Verfügungen mittels Vordrucke aus dem letzten Jahrtausend trifft, solange er den Rechtsstreit binnen angemessener Frist vernünftig entscheidet und in hinreichendem Umfang mit den Parteien kommuniziert. Und es ist ja jetzt nun auch nicht so, als sei es auf Seiten der Anwaltschaft wesentlich anders - nimmt man vielleicht mal die größeren wirtschaftsberatendenen Kanzleien aus.

Und gegen "alles digital, sofort" sind hier, denke ich, doch einige Argumente zusammengekommen, die sich nicht so schnell vom Tisch wischen lassen.
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Wasserprobe
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Wasserprobe »

Als ob die GKler alle technikaffin sind. Insbesondere die Partnerebene. Da gibt es Exemplare die bei Doodle doch eher an asiatische Nachspeise denken würden und ohne Sekr. keinen Check-in hinbekommen. Wie immer: stark personenabhängig

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Wenn der oder die Angeklagte nicht schwamm, wurde er oder sie wieder aus dem Wasser gezogen – wobei es hier auch zu ungewollten Todesfällen kommen konnte. Dies protokollierte man als einen Verfahrensfehler.
julée
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von julée »

Wasserprobe hat geschrieben:Als ob die GKler alle technikaffin sind.
Das wollte ich jetzt auch nicht behaupten, aber es dürfte doch mehr Geld da sein, Leute zu beschäftigen, die sich damit auskennen und notfalls dafür sorgen, dass nach außen alles so schick aussieht, wie die Mandanten es erwarten.
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Pillendreher
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Pillendreher »

Wasserprobe hat geschrieben:Als ob die GKler alle technikaffin sind. Insbesondere die Partnerebene. Da gibt es Exemplare die bei Doodle doch eher an asiatische Nachspeise denken würden und ohne Sekr. keinen Check-in hinbekommen. Wie immer: stark personenabhängig

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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Atropos »

Würde nicht sagen, dass das eine Frage von Gericht vs. Großkanzlei ist. Ich kann euch garantieren: Ein großer Teil der Akten beim Bundeskartellamt liegt den Bearbeitern (inkl. dem Kartellsenat OLG Düsseldorf) eingescannt vor. Ab einer gewissen Größenordnung lassen sich Fälle einfach nicht mehr auf Papier bearbeiten, sei es, weil die Fälle in großen Teams bearbeitet werden müssen (bis zu 15 Mitarbeiter), sei es, weil in schneller Abfolge unendliche Mengen an Daten und Dokumenten generiert werden. Man muss ja nicht nur im europäischen Raum bleiben, amerikanische Wettbewerbsbehörden lassen sich standardmäßig Millionen von internen Dokumenten der Parteien bei den meisten Fusionen liefern.

Klar kann es sein, dass Deutsche Gerichte derart effizient organisiert sind, dass sie solchen Schnickschnack nicht brauchen, anders als z.B. der Europäische Gerichtshof. Ich hege gewisse Zweifel, aber da ich nicht in der Justizverwaltung arbeite, kann es mir auch egal sein...

EDIT: Wer sich für ein anschauliches Video der E-Curia Platform zum Einreichen von Klagen beim Europäischen Gerichtshof interessiert, see here: http://curia.europa.eu/e-Curia/tutorial ... ent_en.htm
julée
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von julée »

Das Kartellrecht dürfte aber auch eine spezielle und allseits spezialisierte Materie sein. 100 pdfs à 500 Seiten sind natürlich deutlich handlicher als wenn man 100 Aktenordner hat - das heißt aber auch, dass es dann relativ egal ist, wie benutzer(un)freundlich die IT-Intrastruktur ist.
Atropos hat geschrieben: Klar kann es sein, dass Deutsche Gerichte derart effizient organisiert sind, dass sie solchen Schnickschnack nicht brauchen, anders als z.B. der Europäische Gerichtshof.
Hm. Der EuGH und effizient? Es gingen dort im Jahr 2015 ganze 713 Rechtssachen ein (Zahlen siehe http://curia.europa.eu/jcms/jcms/P_192324/), 616 Rechtssachen (unter Berücksichtigung der verbundenen Rechtssachen: 570) hat er erledigt; durchschnittliche Verfahrensdauer bei Vorabentscheidungen (es geht nur um Rechtsfragen): 15 Monate. Sicherlich, es muss viel übersetzt werden, den Mitgliedsstaaten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, höchstes Gericht usw. Aber von den reinen Eingangs-/Erledigungszahlen her dürfte das eher dem entsprechen, was 1-1,5 Amtsrichter bewältigen müssen.

Und wenn man die Schriftsätze der Parteien dann nicht einfach wieder ausdrucken möchte, braucht man zur Organisation mehrerer hundert Verfahren mit jeweils einer Vielzahl an Einzeldokumenten eine entsprechend leistungsstarke IT-Infrastruktur, die zugleich komfortabel und halbwegs idiotensicher ist (von irgendwelchen Datenschutz/-sicherheitsbedenken mal abgesehen). Das sehe ich noch nicht so ganz.
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Tibor
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Tibor »

Am EuGH kann man die Beteiligten aber nicht zur Klagerücknahme bzw zum Vergleich vollquatschen.
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von julée »

Gleichwohl gelingt das besser, wenn man vorher die Akte mehr als nur durchgeblättert hat.
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Atropos »

julée hat geschrieben: Hm. Der EuGH und effizient? Es gingen dort im Jahr 2015 ganze 713 Rechtssachen ein (Zahlen siehe http://curia.europa.eu/jcms/jcms/P_192324/), 616 Rechtssachen (unter Berücksichtigung der verbundenen Rechtssachen: 570) hat er erledigt; durchschnittliche Verfahrensdauer bei Vorabentscheidungen (es geht nur um Rechtsfragen): 15 Monate. Sicherlich, es muss viel übersetzt werden, den Mitgliedsstaaten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, höchstes Gericht usw. Aber von den reinen Eingangs-/Erledigungszahlen her dürfte das eher dem entsprechen, was 1-1,5 Amtsrichter bewältigen müssen.
:lmao:

Es ist vielleicht doch etwas anderes, ob man zu einem erheblichen Teil über komplizierte Rechtsfragen - als solche von nationalstaatlichen Bundesgerichten wie BGH, UK High Court etc. identifiziert - entscheiden muss, als am AG darüber zu befinden, ob der zerkratzte Lack durch die Autowaschanlage kam und welchen Schaden das verursacht... Und auch die eher tatgerichtlichen Sachen wie Kartellverfahren etc. zeichnen sich nicht durch geringen Umfang aus.

Wenn man schon mit Verfahrenszahlen spielen will: Bundesverfassungsgericht hat 10-40 konkrete Normenkontrollen pro Jahr (Hier), EuGH hat ca. 400 Vorabentscheidungsersuchen pro Jahr.
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Urs Blank
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Urs Blank »

Atropos hat geschrieben:Um ehrlich zu sein, klingen viele der vorgebrachten Argumente der letzten Seite für mich im Wesentlichen nach ,,Es gibt keine Möglichkeit, Richter oder Geschäftsstellenbeamte zu entlassen oder zu versetzen, die unfähig oder unwillig sind, sich elementarste moderne IT-Kenntnisse anzueignen". Für manche mag der Satz mit "Und das ist auch gut so!" weiter gehen, aber aus der Perspektive des Steuerzahlers bin ich davon nicht unbedingt begeistert...
Letztlich helfen weder unterschwellige Drohungen noch moralische Appelle: Technik wird genutzt, wenn sie dem User Vorteile bringt. Bringt sie Nachteile oder ist sie bestenfalls neutral, setzt sie sich nicht durch. Und da gibt’s in der Justiz (hier. LG in NRW) nun mal Licht und Schatten:

Auf der einen Seite: Die elektronische Zweitakte in Strafverfahren. Eine Brückenlösung zwar nur, die mir als Richter aber messbare Vorteile bringt: Ich kann die Akten auch in umfangreichen Verfahren zu Hause bearbeiten, blitzschnell Suchbegriffe finden, parallel 10 Verteidigern Akteneinsicht gewähren, eigene elektronische Handakten erstellen usw. Anderes positives Beispiel: Der Zugang zu den juristischen Datenbanken, der selbstverständlich durchgängig von allen Kollegen genutzt wird.

Auf der anderen Seite: Das seit etwa 10 Jahren betriebene Text-Programm TSJ (Text System Justiz). Uralt (wenn auch gefühlt 1000mal upgedatet), umständlich zu bedienen, extrem langsam, fehleranfällig und für nichts zu benutzen, was über Standard-Verfügungen hinausgeht. Im Vergleich zu den alten Papier-Ankreuz-Formularen für den Richter ein schlimmer Zeit- und Nervenfresser (a. A. freilich die Justizverwaltung), der - wenn überhaupt - nur zähneknirschend genutzt wird.

Sind Soft- und Hardware vernünftig, braucht man sich über die weitere Digitalisierung der Justiz keine Sorgen zu machen. Wenn die Verwaltung aber Schrott anbietet, wird’s nicht akzeptiert.
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julée
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von julée »

Atropos hat geschrieben:
julée hat geschrieben: Hm. Der EuGH und effizient? Es gingen dort im Jahr 2015 ganze 713 Rechtssachen ein (Zahlen siehe http://curia.europa.eu/jcms/jcms/P_192324/), 616 Rechtssachen (unter Berücksichtigung der verbundenen Rechtssachen: 570) hat er erledigt; durchschnittliche Verfahrensdauer bei Vorabentscheidungen (es geht nur um Rechtsfragen): 15 Monate. Sicherlich, es muss viel übersetzt werden, den Mitgliedsstaaten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, höchstes Gericht usw. Aber von den reinen Eingangs-/Erledigungszahlen her dürfte das eher dem entsprechen, was 1-1,5 Amtsrichter bewältigen müssen.
:lmao:

Es ist vielleicht doch etwas anderes, ob man zu einem erheblichen Teil über komplizierte Rechtsfragen - als solche von nationalstaatlichen Bundesgerichten wie BGH, UK High Court etc. identifiziert - entscheiden muss, als am AG darüber zu befinden, ob der zerkratzte Lack durch die Autowaschanlage kam und welchen Schaden das verursacht... Und auch die eher tatgerichtlichen Sachen wie Kartellverfahren etc. zeichnen sich nicht durch geringen Umfang aus.
Nun ja, ein Teil der Rechtsfragen kommt ja direkt vom AG und zwar nett aufbereitet (notfalls durch den Generalanwalt), so schlimm kann es also in rechtlicher Hinsicht nicht sein. ;) Ungeachtet der inhaltlichen Frage (natürlich gibt es da Unterschiede zwischen einem Eingangsgericht und einem höchsten Gericht) zeigt aber der reine Zahlenvergleich der Eingänge, dass es wesentlich einfacher ist, irgendwelche innovativen Projekte für etwas über 700 Eingänge pro Jahr anzustoßen und die lokale IT aufzurüsten, wenn sich diese Eingänge auf 10 Kammern und auch entsprechend viel Servicepersonal (das beim EuGH sicherlich eher zahlreich sein dürfte) verteilen - das sind schlichtweg Eingangszahlen, die anderswo bei sehr großzügiger Rechnung zwei Amtsrichter und zwei Servicekräfte bewältigen müssen und können.

Die gesamte Justiz eines durchschnittlichen deutschen Bundeslandes umzustellen, dürfte da schon eine ganz andere Hausnummer sein - zumal im Strafrecht ja noch die StA und Polizei dranhängen, im Verwaltungs-, Sozial- und Steuerrecht die entsprechende Verwaltung einzubinden ist und letztlich die gesamte Anwaltschaft, ganz zu schweigen von dem Bürger, der seine Klage zu Protokoll der Geschäftsstelle anbringt.

Wenn man schon mit Verfahrenszahlen spielen will: Bundesverfassungsgericht hat 10-40 konkrete Normenkontrollen pro Jahr (Hier), EuGH hat ca. 400 Vorabentscheidungsersuchen pro Jahr.
Du vergisst insoweit aber zu erwähnen, dass beim BVerfG die Eingänge insgesamt die des EuGH um ein Vielfaches übertreffen ;) Insofern macht es keinen Sinn nur eine einzelne Verfahrensart zu vergleichen.
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Tibor
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Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
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Re: Richterin werden oder doch lieber in die Großkanzlei

Beitrag von Tibor »

Man darf nicht aus dem Auge verlassen, dass Entscheidungen von obersten Gerichten nicht selten lange diskutiert werden. Es ist ja nicht damit getan, dass der Berichterstatter ein Votum erstellt, es dann mal zur Verhandlung kommen lässt und dann brav alle Mitglieder des Spruchkörpers unterschreiben. Allein diese Abstimmungsprozesse zu einzelnen Formulierungen werden bei solchen Massenspruchkörpern lange Zeit in Anspruch nehmen.
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