Kasimir hat geschrieben:Wow. Wenn du so als Anwalt gehandelt hast, dann verdeutlicht dies, warum du als Anwalt nicht glücklich geworden bist. Und nach meinem Verständnis (und dem Gesetz) ist auch ein Richter nicht an seinen eigenen moralischen Kodex, gebunden, sondern dem, was das Gesetz vorgibt. Entgegen der oftmals landläufigen Meinung entscheiden Richter ja gerade nicht danach, was sie für richtig halten, sondern müssen die legislativen Vorgaben unter Anwendung der Auslegungsmethoden umsetzen.
Du sitzt auf einem hohen moralischen Ross. Pass auf, von hohen Pferden fällt man tief.
Bitte erst in Ruhe lesen, dann Pöbeln. Du scheinst dich persönlich sehr angegriffen gefühlt zu haben, was aber nicht die Intention meines Beitrags war und sich ihm auch - wie ich meine - an zahlreichen Stellen sehr deutlich entnehmen lässt. Ebenso sollte man - der Lesekunst mächtig - auch den Hinweis gesehen haben, dass ich den Richterberuf keineswegs für "wichtiger" oder "besser" halte. Worin du das "hohe moralische Ross" erkannt hast, bleibt geheimnisvoll...
Von Moral habe ich nämlich
ausdrücklich nicht geschrieben, sondern davon, dass man als Richter der Argumentation folgen bzw. eine solche selbst entwickeln kann, die man
rechtlich für überzeugend hält und eben nicht - wie der Anwalt häufig - ein vordefiniertes Ziel hat (nämlich dem Mandanten den größtmöglichen Vorteil zu verschaffen), das man - manchmal wohl, manchmal übel - herbei-argumentieren muss.
Natürlich: In einer einfachen Welt berät der Anwalt genau so, wie er es rechtlich für vollends überzeugend hält. Von Prozessen mit "geringen Erfolgsaussichten" rät er ab und der Mandant entscheidet sich sodann dementsprechend wie beraten. Wie du als Anwalt wissen solltest (ich weiß allerdings nicht wie lange du schon in welchem Kanzleizuschnitt tätig bist), ist die Welt aber eben mitnichten so einfach.
Ein paar Beispiele:
- Jura ist selten eine schwarz/weiß Wissenschaft, sondern - wie wir alle wissen - häufig ein "es kommt darauf an" Urwald. Ist man als Anwalt nicht wirklich von einer Argumentation überzeugt, heißt das nicht, dass ein Gericht das nicht anders sehen könnte. Deshalb wird man von einem Prozess bzw. einem bestimmten Verhalten also nicht guten Gewissens völlig abraten können/dürfen, auch wenn man persönlich argumentativ eigentlich zur anderen Seite tendiert oder sich sogar vollständig dort befindet.
- Unternehmensleiter müssen häufig auch die geringsten Klagechancen nutzen, um eine persönliche Haftung zu vermeiden.
- Die Rechtsabteilung hat sich zuvor intern zu weit aus dem Fenster gelehnt und muss jetzt die wegschwimmende Felle sichern, weshalb auf Teufel-komm-raus prozessiert wird.
- Naturparteien sind häufig völlig uneinsichtig.
- Ein BGH-Anwalt hat ca. 80% Nichtzulassungsbeschwerden auf dem Tisch, die rechtlich in wiederum 70% der Fälle völlig aussichtslos sind und zu 88% tatsächlich keinen Erfolg haben.
- Der Ruf des Unternehmens wird massiv geschädigt, wenn man nicht wenigstens versucht, sich gegen Vorwürfe zu wehren, auch wenn man weiß, dass dies keine ernsthaften Erfolgsaussichten hat.
Als Anwalt schickt man den Mandanten in den seltensten solcher und vergleichbarer Fälle zur Konkurrenz oder nach Hause. Vielmehr verbiegt man sich dann argumentativ eben doch und versucht aus dem Minimum das Maximum herauszuholen - wohl wissend, dass man eigentlich im Un
recht ist (erneut für die zart besaiteten Mitleser: rechtlich, nicht moralisch). Das ist kein bisschen verwerflich und macht gerade einen guten Anwalt aus! Am Ende ist das ja auch nicht so tragisch, denn wenn man dann unterliegt, ist schließlich das Gericht schuld, das die Rechtslage "völlig verkannt" hat.
Diese zielorientierte Argumentationsweise macht mir persönlich schlicht keine Freude, sondern ist mir regelrecht zuwider, weshalb ich mich auch nicht für einen besonders guten Anwalt hielt. Dennoch habe ich viele Freunde, denen das überhaupt nichts ausmacht - ja die geradezu dankbar dafür sind, dass sie die Verantwortung für die Fallentscheidung nicht tragen. Das ist gut so! Ich finde es beeindruckend, wie gut das manchen gelingt. Jedem soll der Rechtsweg mit Unterstützung eines Rechtsanwalts offen stehen, auch wenn er im Unrecht ist. Ich persönlich ziehe es aber eindeutig vor,
entscheiden zu können, wie ich es für richtig halte (erneut: rechtlich, nicht moralisch...) und die volle Verantwortung zu tragen. Ein Urteil schreibt sich für mich viel leichter als ein Anwaltsschriftsatz (wenn man bei Letzterem nicht zufällig völlig im Recht ist).
All das ist aber eine Frage der Arbeitstechnik, die mit Moral zunächst einmal wenig zu tun hat. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen man als Anwalt "moralisch" auf der falschen Seite steht, um die geht es mir aber gerade nicht.
Ein anderes Thema ist der Begriff des
Idealismus (um den es ja zu Beginn dieser Diskussion ging), der durchaus
moralisch aufgeladen ist. Hier stellt sich die Frage: Wo kann ich als Jurist mehr bewirken: am Gericht oder als Anwalt? (Selbstverständlich für beide Berufe nur im rechtlich vorgegebenen Rahmen.) Nach den "allgemeinen Vorzeichen" meine ich, dass ein Richter schlicht aufgrund der Entscheidungskompetenz mehr bewirken kann, als ein Anwalt (deshalb sitzt er nicht auf dem moralisch hohen Ross, er hat nur weitgreifendere Kompetenzen). Hier bitte ich auch den bereits erwähnten Umstand des "kommt-darauf-an-Urwalds" zu berücksichtigen, der es häufig möglich macht, den Fall in beide Richtungen zu entscheiden - insbesondere, wenn Tatsachenfragen im Raum stehen. Als Anwalt ist man dem Gericht hingegen "ausgeliefert". Für die "gute Sache" können selbstverständlich beide kämpfen und der persönliche Erfolg dabei hängt letztlich vor allem von den eigenen Fähigkeiten und der eigenen Persönlichkeit ab.
All das ist aber ein allgemeiner Vergleich der beiden Berufe. Je nachdem, in welcher Anwalts-Sparte man tätig ist, kann sich das massiv unterscheiden. Und genau hierum ging es mir. Denn ich finde den hier sinngemäß gegebenen Rat (wohlgemerkt aus den Fingern eines meines Wissens noch nie in der GK oder am Gericht tätig gewesenen Jung-Anwalts), dass man als Idealist gerade als
GK-Anwalt (!) besser aufgestellt sei als am Gericht, äußerst realitätsfremd und schlicht falsch. Weshalb das so ist, hatte ich bereits dargestellt. Anders mag das z.B. als Strafverteidiger oder FWW-Anwalt sein - dann wiederum abhängig von der eigenen Persönlichkeit und Fähigkeit.