KG Berlin will Tauchen verbieten

Alle Themen rund um das Referendariat (Organisation, Ablauf, Wahlstation im Ausland etc.)

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Sebast1an
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Sebast1an »

Das Kammergericht als Ausbildungsbehörde der Referendare verbietet es ihnen, ihre Stationsausbildung zu schwänzen. Eine Zeit lang hat das Kammergericht dieser Ansicht mit Anwesenheitskontrollen bei den Ausbildungsstationen Nachdruck verliehen. Wen man erwischt hat, dem wurden die Bezüge (bzw. Terminus technicus: die Unterhaltsbeihilfe) gekürzt.
Das Verbot an sich ist noch nachvollziehbar (offziell dürfte es überall verboten sein?). Aber Anwesenheitskontrollen am Arbeitsort? Einfach nur beschämend.
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Liz »

Kann man so sehen. Umgekehrt: was bringt ein Verbot, dessen Einhaltung niemand kontrolliert?
markus87
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von markus87 »

Das ist doch grober Unfug. Es gibt keine Pflicht, zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Arbeitsplatz zu sein. Wenn man die Referendare gängeln möchte, dann doch bitte über ein wöchentliches, vom Ausbilder abzuzeichnendes Berichtsheft.

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Liz
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Liz »

Wenn der Referendar nicht angetroffen wird, dürfte doch die nächste Frage sein, wann er denn wieder da ist oder wie das allgemein mit der Ausbildung so gehandhabt wird. Wenn die ReNo dann treudoof wahrheitsgemäß erklärt, sie habe den Referendar seit Wochen nicht mehr gesehen und wisse jetzt gar nicht, ob der überhaupt noch da sei, ist doch alles geklärt.

Ein regelmäßig vorzulegendes Berichtsheft wäre natürlich eine gleichmäßigere Kontrollmöglichkeit.
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Tibor
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Tibor »

Liz hat geschrieben:Kann man so sehen. Umgekehrt: was bringt ein Verbot, dessen Einhaltung niemand kontrolliert?
Nichts, denn bei einem strukturellen Vollzugsdefizit wird das Verbot verfassungswidrig, weil es zum Dummenverbot mutiert (Art 3 GG).
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Sektnase »

Liz hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 11:06 Wenn der Referendar nicht angetroffen wird, dürfte doch die nächste Frage sein, wann er denn wieder da ist oder wie das allgemein mit der Ausbildung so gehandhabt wird. Wenn die ReNo dann treudoof wahrheitsgemäß erklärt, sie habe den Referendar seit Wochen nicht mehr gesehen und wisse jetzt gar nicht, ob der überhaupt noch da sei, ist doch alles geklärt.

Ein regelmäßig vorzulegendes Berichtsheft wäre natürlich eine gleichmäßigere Kontrollmöglichkeit.
Die meisten Referendare in der Anwaltsstation arbeiten aber (auch) von zu Hause aus. Momentan sowieso. Die ReNo hat doch keine Ahnung, wie viele Akten ich zu Hause bearbeite oder auch nicht. Berichtsheft ist genau so Humbug. Dann lässt man den Anwalt halt irgendwas reinschreiben, was solls.. Läuft wieder darauf hinaus, dass es Leute gibt, die Vitamin B haben oder sich aus anderen Gründen die Station nach ihren Wünschen legen können und Leute, die irgendwo geknechtet werden.. Damit prüft man natürlich auch gewisse Skills, aber wohl nicht die, die man eigentlich prüfen wollte. Hier gibt es schon (stationsübergreifende) Berichtshefte - deren Aussagekraft dürfte wohl gleich 0 sein. Wenn jetzt einer (überspitzt) alleine in einer Großkanzlei eine due dilligence durchführt über 4 Monate und 20.000 Seiten durchgeht und 300 Seiten schreibt, dann hat der genau einen Fall bearbeitet. Einer der einen Tag kommt und 30 Akten durchblättert, hat dann wohl 30 Fälle anzugeben..
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Liz »

Ich halte es für ein schlechtes Argument, auf Regeln oder Kontrollen gänzlich zu verzichten, weil man es ja ohnehin mit genügend "krimineller" Energie wieder umgehen könne. Natürlich kann man auch mit engmaschigen Berichtspflichten nicht verhindern, dass einfach irgendein Anwalt Phantasietätigkeiten bescheinigt und notfalls auch noch dem Ausbildungsgericht gegenüber wahrheitswidrig behauptet, der Referendar bearbeite gerade zu Hause eine Akte und werde ordnungsgemäß ausgebildet, wenn der Referendar tatsächlich in neun Monaten nur zwei Mini-Akten bearbeitet hat, damit der Ausbilder ein Zeugnis schreiben kann. Aber klassischerweise dürften in einer solchen Konstellationen treudoofe Auskünfte der ReNo einen guten Anhaltspunkt dafür geben, ob der Referendar in der Kanzlei aktuell tatsächlich ausgebildet wird, weil es lebensnah doch immer wieder ein Thema ist, wann der Referendar wieder zur Besprechung vorbeikommt.

Und bislang war/ist es doch ein offenes Geheimnis, dass eine Vielzahl an Referendaren in der Anwaltsstation allenfalls 3-4 Monate lang "ausgebildet" wird und dann "taucht". Mit mir hat z. B. eine Ref gemacht, die hat es auf die Spitze getrieben, indem sie sich in ihrer Heimatstadt einen Anwalt gesucht hat, bei dem sie einen Monat lang war, um sich das Stationszeugnis zu "verdienen" und anschließend hat sie gelernt, wobei sie von der Anwalts-AG befreit war, weil sie ja offiziell gar nicht da war. Das ist aber auch nicht im Sinne des Erfinders und letztlich "Wettbewerbsverzerrung", wenn andere Referendare nicht die Möglichkeit haben, einen solchen Deal mit einem Ausbilder auszuhandeln.
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Tibor
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Tibor »

Richtigerweise müsste man die Anwaltsstation einfach kürzen und eine offizielle Examensvorbereitungsstation rund um den Examensklausurenkurs stricken.
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von OJ1988 »

Tibor hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 17:07 Richtigerweise müsste man die Anwaltsstation einfach kürzen und eine offizielle Examensvorbereitungsstation rund um den Examensklausurenkurs stricken.
Genau. Es ist ja sowieso "komisch", dass die Zivilgerichts- oder Strafstation 3-4 Monate, die Anwaltsstation aber 9 Monate dauert.
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Infinit-E »

Ich frage mich überhaupt, wie diese Kontrollen aussehen... Wie ist das etwa, wenn in der Kanzlei einer mit einem Skript o.ä. "erwischt" wird? Ein wenig albern ist das ja schon.
Der Tritt ins Gesäß der unterstellten Mitarbeiterin gehört auch dann nicht zur "betrieblichen Tätigkeit" einer Vorgesetzten, wenn er mit der Absicht der Leistungsförderung oder Disziplinierung geschieht.
LAG Düsseldorf, Az: 12 (18) Sa 196/98
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Liz »

Tibor hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 17:07 Richtigerweise müsste man die Anwaltsstation einfach kürzen und eine offizielle Examensvorbereitungsstation rund um den Examensklausurenkurs stricken.
Das scheitert derzeit am DRiG, das ja fordert, dass die Pflichtstation beim Anwaltsstation 9 Monate dauert. Allerdings wäre es durchaus konsequent und sachgerecht. Ich bin damals auch in den letzten drei Monaten der Anwaltsstation getaucht (vorher war ich an 4 Tagen/Woche da), wobei während des Probeexamens (2 Monate) sowieso praktisch kaum Tage übrig blieben, an denen eine Stationsausbildung überhaupt hätte stattfinden können; es waren, glaube ich, 10 Tage in 2 Monaten.
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von thh »

OJ1988 hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 17:22Genau. Es ist ja sowieso "komisch", dass die Zivilgerichts- oder Strafstation 3-4 Monate, die Anwaltsstation aber 9 Monate dauert.
Die hat man doch - zu Lasten der staatlichen Stationen - extra verlängert, weil die Mehrzahl der Absolventen eben nicht im staatlichen Bereich tätig wird?

BW früher (JAPrO 1993):
- 6 Mo Zivil
- 4 Mo Straf
- 5,5 Mo Verwaltung
- 4 Mo RA
- 4,5 Mo Wahl

BW heute:
- 5 Mo Zivil (-1 Mo)
- 3,5 Mo Straf (-0,5 Mo)
- 4,5 Mo RA I
- 3,5 Mo Verwaltung (-2 Mo)
- 4,5 Mo RA II
- 3 Mo Wahl (-1,5 Mo)

Man hat also 3,5 Mo von den staatlichen Pflichtstationen und anderthalb Monate von der Wahlstation gekürzt, um aus 4 Monaten RA-Station 9 Monate zu machen (und die Länge damit mehr als zu verdoppeln). Es erscheint mir eher unwahrscheinlich, dass man damit Zeit fürs Tauchen schaffen wollte.
Liz hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 18:48Ich bin damals auch in den letzten drei Monaten der Anwaltsstation getaucht (vorher war ich an 4 Tagen/Woche da)
Dann hätte die Anwaltsstation nach altem Recht nur einen Monat gedauert. :)
Zuletzt geändert von thh am Sonntag 13. September 2020, 21:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von thh »

Sebast1an hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 00:25Aber Anwesenheitskontrollen am Arbeitsort? Einfach nur beschämend.
Das wäre ja wie eine Prüfung der Anwesenheit bzw. der Anwesenheitszeiten, quasi eine Stechuhr. Unglaublich! Das gibt es nirgendwo sonst.
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Liz »

Infinit-E hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 17:58 Ich frage mich überhaupt, wie diese Kontrollen aussehen... Wie ist das etwa, wenn in der Kanzlei einer mit einem Skript o.ä. "erwischt" wird? Ein wenig albern ist das ja schon.
Ich schätze mal, wenn man 4-5 Monate vorm Examen stichprobenartig 10 Kanzleien kontrolliert, trifft man allenfalls 1-2 Referendare tatsächlich an, 1-2 Referendare sind (vorgeblich) "entschuldigt" nicht da, bei 4-5 Referendaren sagt einem die ReNo treudoof "Herr Müller hat vor drei Wochen seinen Ausstand gegeben; der Kuchen war gut" oder "Herr Schmidt? Der soll bei uns Referendar sein?" und bei den übrigen 1-4 Referendaren bekommt man irgendwas ersichtlich Halbseidenes erzählt, das den Verdacht stützt, dass sie tatsächlich nicht mehr in der Kanzlei ausgebildet werden.
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Re: KG Berlin will Tauchen verbieten

Beitrag von Liz »

thh hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 18:59
Liz hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 18:48Ich bin damals auch in den letzten drei Monaten der Anwaltsstation getaucht (vorher war ich an 4 Tagen/Woche da)
Dann hätte die Anwaltsstation nach altem Recht nur einen Monat gedauert. :)
Wäre aus meiner Sicht auch ausreichend gewesen...

Die Verkürzung der staatlichen Stationen dürfte aber schlichtweg auch das Bedürfnis nach einer Tauchstation verstärkt haben. Hier dauert die praktische Ausbildung in der Zivilstation drei Monate (vorab 1 Monat Einführungslehrgang) - das ist verdammt wenig Zeit, um neben dem praktischen Arbeiten auch noch Zivilprozessrecht und Zwangsvollstreckungsrecht zu lernen und vielleicht auch noch materielles Zivilrecht zu wiederholen.
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