Brexit-Referendum.

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Honigkuchenpferd
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Eigentlicher Grund ist die Schuldzuweisung an die EU für alle Probleme, die die inkompetente britische Regierung trotz aller Sonderrechte verursacht hat oder nicht lösen konnte. Selbst Cameron hat das EU blaming jahrelang exzessiv forciert und wirbt dann plötzlich für den Verbleib.
Welche Probleme hat denn konkret die "inkompetente britische Regierung trotz aller Sonderrechte verursacht"?

Cameron hat im Wesentlichen auf tatsächliche Defizite der EU hingewiesen, die wohl niemand ernsthaft bestreiten kann. Die EU hat sich bislang aber unfähig gezeigt, diese zu beheben, sei es durch Rückbau oder sinnvollen Ausbau der EU. Ist das seine Schuld? Natürlich konnte man ihm dann in letzter Konsequenz auch selbst eine gewisse Inkonsistenz vorwerfen - aber nicht deshalb, weil es diese Probleme nicht gegeben hätte.
Merkel, Brüssel und Flüchtlingshorden sind da natürlich eine schöne scapegoat. Dass derartige populistische, emotionale und instinktive Argumentationen in Volksentscheiden besonders stark ziehen, bezweifle ich nicht. Ich bestreite deshalb keinen Kausalzusammenhang, ich bedauere ihn lediglich, weil ich die Verknüpfung dieser Punkte für inhaltlich falsch halte.
Sie sind kein "scapegoat", und die ganzen Phrasen, die mal wieder vor Verachtung des gemeinen Pöbels nur so triefen ("populistisch, emotional, instinktiv"), bringen auch keinen Menschen weiter. Man sollte schon mal versuchen, die Gründe tatsächlich zu verstehen, die Menschen zu solchen Entscheidungen veranlassen, und zwar ohne gleich wieder von der Prämisse auszugehen, sie seien halt verhetzte Idioten. Andernfalls sollte man offen sagen, dass man ein Problem mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht hat.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Tibor hat geschrieben:Die EU ist nicht Schuld an "der Flüchtlingskrise", denn die EU hatte insoweit nicht die erforderlichen Kompetenzen. Schuld waren die Mitgliedsstaaten.
Die Verantwortung für die Beachtung des Schengener Grenzkodexes durch die Anwenderstaaten liegt in letzter Konsequenz bei der EU-Kommission. Das gesamte System funktioniert im Grunde bereits seit 2013 nicht mehr. Was ist geschehen, um das Problem zu lösen? Hat die EU-Kommission, die sonst nicht zimperlich ist, den EuGH einzuschalten, Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet? Hat sie auf entsprechende Reformen gedrungen? Immerhin geht es um europäische Rechtsgrundlagen.

Vergleichbares gilt mit Blick auf Art. 78 AEUV.

Ich möchte die Mitgliedstaaten natürlich nicht von jeder Verantwortung freisprechen. Aber wenn die Mitgliedstaaten ihre Pflichten nicht erfüllen, dann muss natürlich die Kommission handeln.

Auch in der Euro-Krise kann man der EU-Kommission beileibe keine positive Rolle bescheinigen.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Survivor »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:[Sie sind kein "scapegoat", und die ganzen Phrasen, die mal wieder vor Verachtung des gemeinen Pöbels nur so triefen ("populistisch, emotional, instinktiv"), bringen auch keinen Menschen weiter. Man sollte schon mal versuchen, die Gründe tatsächlich zu verstehen, die Menschen zu solchen Entscheidungen veranlassen, und zwar ohne gleich wieder von der Prämisse auszugehen, sie seien halt verhetzte Idioten.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Eigentlicher Grund ist die Schuldzuweisung an die EU für alle Probleme, die die inkompetente britische Regierung trotz aller Sonderrechte verursacht hat oder nicht lösen konnte. Selbst Cameron hat das EU blaming jahrelang exzessiv forciert und wirbt dann plötzlich für den Verbleib.
Welche Probleme hat denn konkret die "inkompetente britische Regierung trotz aller Sonderrechte verursacht"?

Cameron hat im Wesentlichen auf tatsächliche Defizite der EU hingewiesen, die wohl niemand ernsthaft bestreiten kann. Die EU hat sich bislang aber unfähig gezeigt, diese zu beheben, sei es durch Rückbau oder sinnvollen Ausbau der EU. Ist das seine Schuld? Natürlich konnte man ihm dann in letzter Konsequenz auch selbst eine gewisse Inkonsistenz vorwerfen - aber nicht deshalb, weil es diese Probleme nicht gegeben hätte.
Merkel, Brüssel und Flüchtlingshorden sind da natürlich eine schöne scapegoat. Dass derartige populistische, emotionale und instinktive Argumentationen in Volksentscheiden besonders stark ziehen, bezweifle ich nicht. Ich bestreite deshalb keinen Kausalzusammenhang, ich bedauere ihn lediglich, weil ich die Verknüpfung dieser Punkte für inhaltlich falsch halte.
Sie sind kein "scapegoat", und die ganzen Phrasen, die mal wieder vor Verachtung des gemeinen Pöbels nur so triefen ("populistisch, emotional, instinktiv"), bringen auch keinen Menschen weiter. Man sollte schon mal versuchen, die Gründe tatsächlich zu verstehen, die Menschen zu solchen Entscheidungen veranlassen, und zwar ohne gleich wieder von der Prämisse auszugehen, sie seien halt verhetzte Idioten. Andernfalls sollte man offen sagen, dass man ein Problem mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht hat.

Doch, die EU ist seit Jahren der Sündenbock für verfehlte politische Entwicklungen in UK. Die viel zu geringe Finanzmarktregulierung führte zum Beispiel dazu, dass England von der Finanzkrise besonders hart getroffen wurde. Diskutiert wurde aber vor allem über Einwanderer, die über die Freizügigkeit das britische Sozialsystem ausnutzen würden und wegen der pöhsen EU könne man nichts dagegen tun. Dabei hat gerade England einen extrem hohen Anteil an gut ausgebildeten und gut verdienenden Zuwanderern, die Bildung der einheimischen Mittelschicht geht aber seit Jahren deutlich zurück. Auch der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den Städten wurde insbesondere von den Boulevardmedien (die ja auch federführend in der Brexit-Kampagne waren) der EU zugeschrieben. Letztendlich sind das aber alles hausgemachte Probleme.
Schöner Artikel dazu: http://www.ft.com/cms/s/0/044b85ec-9dd7 ... 85d74.html

Und ich halte es in der Tat für fragwürdig, politische Fragen mit einer derartigen Tragweite von einem Volksentscheid abhängig zu machen, dem ein hauptsächlich populistisch und emotional geführter Wahlkampf vorausgeht, in dem sachliche Argumente untergehen und Zahlen herumgeistern, die niemand überprüfen kann oder will. Das bedeutet freilich nicht, dass ich ein Problem mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht hätte. Ich halte die indirekte Demokratie lediglich nicht für Teufelszeug. Insbesondere hat dieses System den Vorteil, dass sich am Ende gerade bei den wesentlichen und komplexen Fragen eben nicht diejenigen durchsetzen, die am lautesten schreien.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Die viel zu geringe Finanzmarktregulierung führte zum Beispiel dazu, dass England von der Finanzkrise besonders hart getroffen wurde.
Die Finanzkrise hat England aber überraschenderweise ziemlich gut überstanden. Zudem ist die EU unter dem Vorzeige-Neoliberalen Juncker wohl kaum ein tolles Gegenbeispiel. Darüber hinaus war es doch wohl weniger Cameron als vielmehr Tony Blair nebst seinem gesichtslosen Nachfolger, der für all das die Weichen gestellt hat. Weißt du denn, seit wann Cameron regiert?
Diskutiert wurde aber vor allem über Einwanderer, die über die Freizügigkeit das britische Sozialsystem ausnutzen würden und wegen der pöhsen EU könne man nichts dagegen tun. Dabei hat gerade England einen extrem hohen Anteil an gut ausgebildeten und gut verdienenden Zuwanderern, die Bildung der einheimischen Mittelschicht geht aber seit Jahren deutlich zurück. Auch der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den Städten wurde insbesondere von den Boulevardmedien (die ja auch federführend in der Brexit-Kampagne waren) der EU zugeschrieben. Letztendlich sind das aber alles hausgemachte Probleme.
Unterm Strich war die EU-Osterweiterung für GB als Ganzes sicher von Vorteil. Das ändert aber nichts daran, dass die Unter- und zum Teil auch die Mittelschicht davon kaum profitiert, im Wesentlichen aber die damit verbundenen Nachteile zu tragen hatte, die sicher durch die Ignoranz bei der nationalen Politik unnötig verschärft wurden.
Und ich halte es in der Tat für fragwürdig, politische Fragen mit einer derartigen Tragweite von einem Volksentscheid abhängig zu machen, dem ein hauptsächlich populistisch und emotional geführter Wahlkampf vorausgeht, in dem sachliche Argumente untergehen und Zahlen herumgeistern, die niemand überprüfen kann oder will.
Und du meinst, das sei sonst anders? Ich wüsste ja auch gerne mal, was du dir eigentlich unter "Populismus" vorstellst.
Das bedeutet freilich nicht, dass ich ein Problem mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht hätte. Ich halte die indirekte Demokratie lediglich nicht für Teufelszeug.
Ah ja. Denn wir diskutieren ja gerade auch über die Frage, ob indirekte Demokratie "Teufelszeug" ist...
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Du hast mir vorgeworfen, ich hätte ein Problem mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht, weil ich ein Problem in (übrigens von beiden Seiten) populistisch beworbenen Volksabstimmungen sehe. Populismus meine ich dabei im Sinne des Duden.

Und ja, UK hat die Finanzkrise mittlerweile ganz gut überstanden. Nach 5 Jahren, in denen es der Mittelschicht extrem schlecht ging, zumindest relativ gesehen. Denn die mussten von einem relativ hohen Ausgangsniveau vergleichsweise gravierende Einschnitte hinnehmen. Ich bin der Meinung, der Schock wäre mit einer vernünftigeren Regulierung gar nicht erst so groß gewesen, kann man gerne anders sehen. Mit der EU hatte das jedenfalls nichts zu tun, im Gegenteil wird ja vom Remain-Lager argumentiert, gerade die EU habe die Erholung letztendlich beschleunigt. Wer nun Recht hat, kann ich (als überdurchschnittlich gebildeter Bürger) aber nicht fundiert einschätzen. Ebensowenig wie die volkswirtschaftlichen Folgen der Entscheidung. Vielleicht floriert UK nach dem Austritt, vielleicht stürzt es direkt in die nächste Wirtschaftskrise. Das ist ein ziemlich hoher Einsatz, die Folgen kann niemand wirklich absehen. Deshalb ist natürlich die Verlockung groß, die Entscheidung von irgendeinem emotionalen Hurra-Patriotismus und irgendwelchen "wer beleidigt EU-Bürokraten am kreativsten"-Contests abhängig zu machen. Und auf eben solche Spielchen hat sich ein großer Teil des Wahlkampfes (wie gesagt von beiden Seiten) konzentriert. Sachliche Argumente und belastbare Zahlen spielten da höchstens eine Nebenrolle.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von OJ1988 »

batman hat geschrieben:Ich nehme zur Kenntnis, dass das Leiden des weißen Mannes offenbar sehr stark und sehr schmerzhaft sein muss und dass es sich - überall in Europa - nur schwer kurieren lässt.
Wenn die gegenteilige politische Auffassung nur noch pathologisiert werden kann, hat sie schon gewonnen.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von JS »

Tibor hat geschrieben:Hat eigentlich schon jemand an die Wettbüros gedacht? Warum geben die 85% als Quote für Remain aus? Waren die von den Brexit-Leuten gekauft, damit die eigentlichen Remain-Voters zu Hause bleiben und nur die Brexit-Voters aktiv werden? :-k
Nein, das liegt aller Wahrscheinlichkeit daran, dass viel mehr Leute auf Remain gewettet haben als auf Leave. So funktioniert das Wettsystem im Groben. Ich habe mich allerdings auch genau darüber gewundert. Denn vor dem Mord an Jo Cox ging die Stimmung eindeutig Richtung Leave. Gut möglich, dass ohne dieses Ereignis die Mehrheit für Leave deutlicher gewesen wäre. Und trotzdem waren die Quoten für Leave zu jeder Zeit deutlich besser.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Tibor »

"free money" ... der wird sich umgucken, wenn die ganzen Zahlungszuflüsse aus den EU Haushalten ausbleiben und die vielen Leistungen (mittelbar und unmittelbar) aus dem "free money" bedient werden müssen.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Lustiger Nebeneffekt: Real Madrid hat mit Bale nun den vierten Nicht-EU Ausländer im Kader. Erlaubt sind in der PD aber nur drei :D
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von immer locker bleiben »

Ein genauer Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass das eine Entscheidung von dummen und von alten Leuten war ... way to go Britain! Sorry for you well educated young people, your stupid grandpa messed it up.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Tibor »

Nicht ganz, der schottische und nordirische Opa hat vorher seine Enkel gefragt, denn die müssen deutlich länger mit der Entscheidung leben. Aber in manchen Ostenglischen Gebieten (insb. Lincolnshire) wurden > 75% leave gewählt. Das ist deutlich. Aber aus der Ecke stammte ja auch die eiserne Lady.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Wenn schon Liam und Noel sich einig sind...
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von immer locker bleiben »

And it was Cameron, who decided to give those morons the chance to vote for this bullshit. Such a fool.
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