Welche materiell-rechtlichen Skripten?

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Tibor
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Tibor »

Vor allem, wo es auch Absolventen gibt, die zwar ein Kaiser-Skript genutzt haben, aber nie an einem Kaiser-Seminar teilgenommen haben.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Juratutorium »

OJ1988 hat geschrieben:Eben. Die "Kaiser-Leute" bilden ja keinen repräsentativen Ausschnitt.
Das ist aber genau der Punkt. Die Kaiser-Kursteilnehmer bilden in der Tat keinen repräsentativen Ausschnitt, weil fast jeder zu Kaiser rennt. Die bilden in einigen Bundesländern fast das gesamte Sample ab und das ist deutlich mehr als nur ein Ausschnitt. In Dortmund ist z.B. jede Woche die Hütte voll und es passen locker 300 Leute in den Saal. Deshalb frage ich mich ja auch was es bringt, denn der Notendurchschnitt ist, seitdem Kaiser am Markt vertreten ist, nicht signifikant angestiegen.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von julée »

Nunja, ein Stück weit wird man auch immer eine Evolution dahingehend haben, dass sich die Klausuren an die verfügbaren Lernmittel anpassen.
Und in der Tat dürfte fast jeder Referendar mal in ein Kaiserskript geschaut haben, so dass es schwierig wird zum Status quo echte Vergleichsaussagen zu treffen.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Juratutorium »

Mein Einstieg war auch Käse. Die Frage, ob Kaiser-Teilnehmer besser als der Durchschnitt abschneiden, stellt sich nicht. Die sind in vielen Bundesländern bereits der Durchschnitt, allen voran NRW.

Die einzig interessante Frage ist, warum sich die Ergebnisse nicht verbessern. Das dürfte daran liegen, dass das JPA den Umfang der Prüfungsaufgaben über die Jahre stetig angehoben hat. Das JPA trägt letztlich dafür Sorge, dass quotenmäßig alles so bleibt wie es ist. Das ist so ähnlich wie in der Grundschule, wo die Lehrerkonferenz dafür Sorge trägt, dass die vom Kultusministerium angestrebten Verteilungsquoten für Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen erreicht werden.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von julée »

Die Frage, warum sich die Ergebnisse nicht verbessern, setzt indes voraus, dass Kaiser an sich das Patentrezept gefunden hat, wie jeder drei Punkte mehr schreiben könnte. Ansonsten handelt es sich schlichtweg um eine weitere Skriptenreihe, mit der man sich aufs Examen vorbereiten kann - und die Etliche ja auch sehr ausschließlich nutzen.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Juratutorium »

Ein solches Patentrezept bieten sie sogar an: Die Kaiser-Notfall-Lösung.
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Tibor
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Tibor »

Ja, aber die dient nur dazu, sich von 0 auf 3 Punkte zu verbessern.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von julée »

Über die Zweckmäßigkeit und Originalität dieser Notfall-Lösung kann man wohl geteilter Ansicht sein - wenn dieser Plan wirklich klappte, warum schreiben dann immer noch so viele Kandidaten weniger als 3 Punkte?
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Juratutorium »

Tibor hat geschrieben:Ja, aber die dient nur dazu, sich von 0 auf 3 Punkte zu verbessern.
Natürlich. Diese Notfall-Lösung haben nur Leute auf dem Schirm, die um das blanke Bestehen kämpfen.
julée hat geschrieben:Über die Zweckmäßigkeit und Originalität dieser Notfall-Lösung kann man wohl geteilter Ansicht sein - wenn dieser Plan wirklich klappte, warum schreiben dann immer noch so viele Kandidaten weniger als 3 Punkte?
Die Frage beantwortet Kaiser mit der simplen Aussage, dass viele Leute versuchen, die Klausuren auf normalem Weg zu lösen und dabei solche Kardinalfehler machen, dass sie mit der Notfall-Lösung deutlich besser abgeschnitten hätten. Sowas abzugeben erfordert jedoch einen gewissen Mut, bzw. einen gewissen Grad an Verzweiflung. Ich kenne niemand, der es ernsthaft in Betracht gezogen hätte.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Juratutorium »

Kaiser schlägt vor, in der Begründetheit schablonenartig entweder mit pvv oder mit Bereicherungsrecht zu operieren.

In der Examensrealität dürfte eine andere Strategie viel häufiger vorkommen: Man nimmt die zutreffende Anspruchsgrundlage und subsummiert den Fall mit Hilfe der Tatbestandsquetsche darunter, wobei die Probleme des Falles komplett ausgeblendet werden.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Tibor »

Und du meinst, dass es damit mehr Punkte gibt?
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von julée »

Juratutorium hat geschrieben:Kaiser schlägt vor, in der Begründetheit schablonenartig entweder mit pvv oder mit Bereicherungsrecht zu operieren.
Das passt nur in 9 von 10 Fällen nicht.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Juratutorium »

Nehmen wir einfach mal den Fall aus dem aktuellen Termin, den ich oben zitiert habe.

Da sagt ein Kandidat zu sich: Mensch, das ist mir alles viel zu kompliziert. Gewährleistungsrecht, cic, arglistige Täuschung, die Anwendbarkeit dieser Institute nebeneinander und dann noch die unterschiedliche Verjährung. Dazu weiß ich dazu absolut gar nichts mehr. Da habe ich 7 Jahre lang gelernt wie blöd und bin auch noch zu Kaiser gerannt und dann kommst so ein Mist ausgerechnet in meinem Termin! Die können mich hier alle mal, ich löse das Ding jetzt nach Notfall-Schema über § 823. Vier Tatbestandsmerkmale und fertig. Scheiss JPA, ihr Schweine!

Diesen Typen tragen sie am Ende in einer Sänfte durch den Raum, weil er der einzige Kandidat im gesamten Termin ist, der die richtige Anspruchsgrundlage gefunden hat.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von OJ1988 »

Dass bei diesem - doch recht simplem - Fall dieser imaginäre Kandidat der einzige wäre, der die richtige AGL gefunden hat, darf bezweifelt werden - zumal der "Gag" in diesem Fall ja gerade auch der ist, die Anwendbarkeit des Deliktsrecht neben nicht einschlägigen schuldrechtlichen AGLen zu erkennen und nicht einfach so mal auf § 823 BGB zu springen und den stur runterzukloppen.

Und ohnehin lautet die "Notfalllösung" ja im Zweifel schlicht "§ 812". Damit wäre man hier der sichere 1-2 Punkte Kandidat.
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Re: Welche materiell-rechtlichen Skripten?

Beitrag von Juratutorium »

Bei diesem "doch recht simplen" Fall wärest du komplett auf die Schnauze gefallen. Da sind wir uns wohl alle einig. Wenn du mal ausnahmsweise ehrlich zu dir selbst bist, weißt du das auch. Deine vermeindliche Überlegenheit basiert ausschließlich darauf, dass du die Lösung des Falles kennst. Wenn du überhaupt in der Klausur den § 823 angesprochen hättest, dann allenfalls im Zusammenhang mit dem Schwimmschalterfall bzw. Gaszugfall, und darauf basiert das Urteil gerade nicht!

[Edit: Hier stand ursprünglich etwas zur arglistigen Täuschung, aber das war unpräzise formuliert]

1. Culpa in contrahendo schützt das Vermögen und damit auch das Eigentum als Teilmenge. Erforderlich ist einfaches Verschulden und es gibt eine Beweislastumkehr. Die fahrlässige c.i.c. ist jedoch neben Gewährleistungsrecht gesperrt.

2. Gewährleistungsrecht greift nicht, wegen des Haftungsausschlusses. Der ist auch wirksam, weil keine Arglist vorlag (s.o.).

3. Deliktsrecht greift nur bei Eigentumsverletzungen, nicht bei Vermögensverletzungen. Dafür reicht einfaches Verschulden, das jedoch zu beweisen ist.

Nun haben wir es im vorliegenden Fall mit Kaufrecht zu tun. im Kaufrecht geht es trotz Abstaktionsprinzip immer auch um eine Eigentumsverschaffung, weil in Erfüllung des Kaufvertrages eine dingliche Übereignung stattfindet.

Die entscheidende Frage lautet daher: Warum ist das Deliktsrecht nicht genau wie die culpa in contrahendo in dieser Konstellation gesperrt?

Der Witz ist nämlich, dass bei einem Kaufvertrag, wenn mangelhaftes Eigentum erworben wird, die weite vermögensrechtliche Schutzkomponente der c.i.c. gar nicht nicht zum Zuge kommt. Es geht hier lediglich um die Teilmenge Eigentum. Das heißt übersetzt, die fahrlässige Eigentumsverletzung aus c.i.c. ist gesperrt (erforderlich ist Vorsatz), aber die fahrlässige Eigentumsverletzung aus § 823 geht laut OLG Düsseldorf durch! Das ist auf den ersten Blick ein klassischer Wertungswiderspruch und da müsste eigentlich der Schwerpunkt der Argumentation liegen. Das einzige Argument, das mir jedenfalls dazu einfällt, ist die Verteilung der Beweislast. Damit lässt sich das Urteil gerade noch halten.

An dieser Stelle greift das OLG Düsseldorf auf Wertungen aus der Produkthaftung zurück, erwähnt die herrschende Meinung eines Herrn Foerste aus irgendeinem Kommentar, und zieht zur Begründung noch zusätzlich den § 5 Abs. 3 GPSG heran (mittlerweile außer Kraft).

Das ist für eine Examensklausur völlig absurd und darauf kann vernünftigerweise auch niemand kommen. Selbst ohne diese Scherze und an den Haaren herbeigezogenen Spezialnormen aus irgendwelchen Nebengesetzen, musst du dieses dogmatische Abstraktionsniveau während der Klausur auch erst mal erreichen. Ein Richter hat dafür ein halbes Jahr Zeit und ein Anwalt kommt über mehrere Instanzen gleich auf mehrere Jahre. Wenn man mehrere Jahre lang nachdenken darf, dann kann man bisweilen auch mal auf eine gute Idee kommen, aber in fünf Stunden wird es verdammt knapp.
Zuletzt geändert von Juratutorium am Sonntag 11. September 2016, 17:56, insgesamt 2-mal geändert.
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