Nachträgliches Bekanntwerden (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO)
Verfasst: Samstag 19. November 2016, 11:14
Hallo!
In einem bestimmten steuerrechtlichen Fall geht es darum (kurz zusammengefasst, aber das Wesentliche erwähnt!), dass der Gewerbetreibende X im Juli 01 für 530 € umsatzsteuerfrei eine Nebenkostenabrechnungssoftware erworben hat. In der Steuererklärung hat X jedoch aus Versehen lediglich 350 € angegeben, wobei der Kaufbeleg neben zehn weiteren Belegen der Steuererklärung beigefügt wird. Nachdem der Steuerbescheid für 01 bestandskräftig wurde, erkennt der zuständige Finanzbeamte den Zahlungsdreher bei der Veranlagung des X für das Jahr 02, bei der X genau 106 (1/5 von 530 €) als WK für die Software geltend gemacht hat.
Der Finanzbeamte ändert den Steuerbescheid für 01. Er ist der Auffassung, dass er erst jetzt (bei der Veranlagung 02) von den höheren AK Kenntnis erlangt hat; jedenfalls sei die unterschiedliche Behandlung in 01 und 02 ungerechtfertigt. X legt Einspruch ein. Ist er begründet?
Letztlich dreht es sich um den § 173 I Nr. 1 AO, und fraglich ist, ob hierbei nachträglich Tatsachen bekannt geworden sind.
Ich habe den Fall so gelöst, dass ich einerseits erwähnt habe, dass der für den Fall zuständige Finanzbeamte sich die 10 Kaufbelege der Steuererklärung hätte genauer überprüfen können. Da die Steuererklärung abgesehen von den Eintragungen des Stpfl. nur diese 10 Belege beinhaltete, stellte die Überprüfung der Kaufbelege an sich keinen großen Aufwand dar. Andererseits habe ich aber auch gesagt, ist der Finanzbeamte nicht verpflichtet, sich jeden Kaufbeleg genau anzuschauen und mit den Eintragungen des Stpfl. in der Steuererklärung zu vergleichen. Der Finanzbeamte könne bei derartig kleinen Fällen schon von einer Plausibilität ausgehen und sich eher mit den umfangreicheren Fällen befassen. Zudem kann es aus meiner Sicht nicht sein, dass ein Stpfl. in der Steuererklärung falsche Angaben macht (sei es auch nur aus Versehen), aber der Steuererklärung richtige Belege beifügt in der Hoffnung, der Fehler werde schon nicht entdeckt. Und wenn der Fehler durch genaue Überprüfung der Kaufbelege seitens des Finanzbeamten doch entdeckt werde nach der Steuerfestsetzung, könnte der Steuerbescheid nach § 173 I Nr. 1 AO nicht mehr geändert werden. Also ich habe letztlich den Schluss gezogen, dass es sich um nachträglich bekannt gewordene Tatsachen handelt.
Die Musterlösung sieht allerdings vor, dass der Finanzbeamte bei Erfüllung seiner amtlichen Ermittlungspflicht nach § 88 AO schon vorher hätte aus der mit der Steuererklärung eingereichten Rechnung erkennen können, dass die AK für die Software über der Grenze des § 6 Abs. 2 EStG liegen und daher im Wege der AfA auf die Nutzungsdauer zu verteilen gewesen wären.
Würdet ihr sagen, meine Lösung ist auch vertretbar oder würde eine solche Lösung nicht anerkannt werden, obwohl ich eben beide Meinungen/Ansichten dargestellt habe.
In einem bestimmten steuerrechtlichen Fall geht es darum (kurz zusammengefasst, aber das Wesentliche erwähnt!), dass der Gewerbetreibende X im Juli 01 für 530 € umsatzsteuerfrei eine Nebenkostenabrechnungssoftware erworben hat. In der Steuererklärung hat X jedoch aus Versehen lediglich 350 € angegeben, wobei der Kaufbeleg neben zehn weiteren Belegen der Steuererklärung beigefügt wird. Nachdem der Steuerbescheid für 01 bestandskräftig wurde, erkennt der zuständige Finanzbeamte den Zahlungsdreher bei der Veranlagung des X für das Jahr 02, bei der X genau 106 (1/5 von 530 €) als WK für die Software geltend gemacht hat.
Der Finanzbeamte ändert den Steuerbescheid für 01. Er ist der Auffassung, dass er erst jetzt (bei der Veranlagung 02) von den höheren AK Kenntnis erlangt hat; jedenfalls sei die unterschiedliche Behandlung in 01 und 02 ungerechtfertigt. X legt Einspruch ein. Ist er begründet?
Letztlich dreht es sich um den § 173 I Nr. 1 AO, und fraglich ist, ob hierbei nachträglich Tatsachen bekannt geworden sind.
Ich habe den Fall so gelöst, dass ich einerseits erwähnt habe, dass der für den Fall zuständige Finanzbeamte sich die 10 Kaufbelege der Steuererklärung hätte genauer überprüfen können. Da die Steuererklärung abgesehen von den Eintragungen des Stpfl. nur diese 10 Belege beinhaltete, stellte die Überprüfung der Kaufbelege an sich keinen großen Aufwand dar. Andererseits habe ich aber auch gesagt, ist der Finanzbeamte nicht verpflichtet, sich jeden Kaufbeleg genau anzuschauen und mit den Eintragungen des Stpfl. in der Steuererklärung zu vergleichen. Der Finanzbeamte könne bei derartig kleinen Fällen schon von einer Plausibilität ausgehen und sich eher mit den umfangreicheren Fällen befassen. Zudem kann es aus meiner Sicht nicht sein, dass ein Stpfl. in der Steuererklärung falsche Angaben macht (sei es auch nur aus Versehen), aber der Steuererklärung richtige Belege beifügt in der Hoffnung, der Fehler werde schon nicht entdeckt. Und wenn der Fehler durch genaue Überprüfung der Kaufbelege seitens des Finanzbeamten doch entdeckt werde nach der Steuerfestsetzung, könnte der Steuerbescheid nach § 173 I Nr. 1 AO nicht mehr geändert werden. Also ich habe letztlich den Schluss gezogen, dass es sich um nachträglich bekannt gewordene Tatsachen handelt.
Die Musterlösung sieht allerdings vor, dass der Finanzbeamte bei Erfüllung seiner amtlichen Ermittlungspflicht nach § 88 AO schon vorher hätte aus der mit der Steuererklärung eingereichten Rechnung erkennen können, dass die AK für die Software über der Grenze des § 6 Abs. 2 EStG liegen und daher im Wege der AfA auf die Nutzungsdauer zu verteilen gewesen wären.
Würdet ihr sagen, meine Lösung ist auch vertretbar oder würde eine solche Lösung nicht anerkannt werden, obwohl ich eben beide Meinungen/Ansichten dargestellt habe.