Re: Zulassung zur Anwaltschaft
Verfasst: Montag 23. Januar 2017, 13:14
Quelle?Samson83 hat geschrieben:Schopenhauer war der Ansicht, dass Aussagen unter Eid nicht die Spur wahrhaftiger sind als Aussagen ohne.
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Quelle?Samson83 hat geschrieben:Schopenhauer war der Ansicht, dass Aussagen unter Eid nicht die Spur wahrhaftiger sind als Aussagen ohne.
"Zwei Grundlagen der Ethik"; Pargerga, "Über Religion".Honigkuchenpferd hat geschrieben:Quelle?Samson83 hat geschrieben:Schopenhauer war der Ansicht, dass Aussagen unter Eid nicht die Spur wahrhaftiger sind als Aussagen ohne.
Und noch öfter sind falsche Eide wirklich geschworen worden, wodurch Wahrheit und Recht, bei deutlicher Mitwissenheit aller Zeugen des Akts, mit Füßen getreten wurden. Der Eid ist die metaphysische Eselsbrücke der Juristen: sie sollten sie so selten, als irgend möglich, betreten. Wenn es aber unvermeidlich ist, da sollte es mit größter Feierlichkeit, nie ohne Gegenwart des Geistlichen, ja, sogar in der Kirche, oder in einer dem Gerichtshofe beigegebenen Kapelle, geschehn. In höchst verdächtigen Fällen ist es zweckmäßig, sogar die Schuljugend dabei gegenwärtig seyn zu lassen. Die Französische abstrakte Eidesformel taugt, eben darum, gar nichts: das Abstrahiren vom gegebenen Positiven sollte dem eigenen Gedankengange eines Jeden, dem Grade seiner Bildung gemäß, überlassen bleiben.
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Das wurde doch vor allem deshalb abgelehnt, weil die Eide in aller Regel in Anrufung fremder Götter zu leisten waren und deshalb als Götzendienst angesehen wurden.Levi hat geschrieben:Von daher haben die frühen Christen (wie auch andere jüdische Gruppen seinerzeit) das Leisten von Eiden abgelehnt, um beim Gegenüber gar nicht erst den Eindruck zu erwecken, sie würden an den heidnisch-magischen Unfug glauben, dass (ein) Gott sie bestrafen wird, wenn sie einen geleisteten Eid nicht halten.
Das was das Kirchenrecht unter einem "Eid" versteht, ist nicht deckungsgleich mit dem, was gemeinhin unter Eidesleistung verstanden wird.Decretum Gratiani, cc. 1199-1204 CIC/1983?Nur innerhalb der Kirche (insbesondere im kanonischen Recht) behielt man das Eidesverbot konsequent bei, daher gibt es dort auch bis heute nur Gelübte und keine Eide, im weltlichen Rahmen duldete man dagegen die heidnische Eidespraxis.
Es mag durchaus sein, dass es - sowohl für Christen als auch Juden - auch andere Motive gab, die Eidesleistung abzulehnen, aber der von mir genannte Grund ist derjenige, der in ernst zu nehmenden Quellen dazu als der zentrale genannt wird.Levi hat geschrieben:Das ist die im Mittelalter "gefundene" Erklärung, warum das, was dazu in der Bibel steht, in Wahrheit doch nicht ganz so gemeint ist.
In den frühchristlichen Schriften - insbesondere in den biblischen Texten (Matthäus 5,33 ff., Jakobus 5,12) - steht das aber ganz klar anders. Eine Einschränkung auf bestimmte Eidesformeln gibt es da nicht.
Diese "strenge" Praxis entspricht im Übrigen auch derjenigen anderer zeitgenössischer Gruppen des Judentums, sie ist nicht originell christlich.
Wieso nicht? Wozu dient die Formel "So wahr mir Gott helfe", wenn nicht, um Gott "als Zeugen für die Wahrheit" anzurufen (in diesem Fall der Aufrichtigkeit der Intention)?Das was das Kirchenrecht unter einem "Eid" versteht, ist nicht deckungsgleich mit dem, was gemeinhin unter Eidesleistung verstanden wird.
Nach Can. 1199 § 1. CIC ist ein "Eid" im Sinne des CIC "die Anrufung des göttlichen Namens als Zeugen für die Wahrheit ".
Eine entsprechende Intention dürfte bei der Vereidigung eines Rechtsanwalts, Richter, Beamten etc. wohl niemand haben.
Fakt ist, dass das kanonische Recht den (Mein-)Eid nicht nur (seit langem) kennt, sondern zentral herausgebildet hat, als die katholische Kirche noch in großem Umfang das Gerichtswesen prägte, bis er dann eben vom Staat vereinnahmt und (in gewissem Umfang) säkularisiert wurde. Das war es, worum es mir ging.Im Lateinischen gibt es dafür - anders als im Deutschen ("Eid") - sogar zwei Worte "iusiurandum" (im CIC verwendet) und "iuramentum" (in der Vulgata an den entsprechenden Bibelstellen, Matthäus 5,33 ff. verwendet).
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Es mag durchaus sein, dass es - sowohl für Christen als auch Juden - auch andere Motive gab, die Eidesleistung abzulehnen, aber der von mir genannte Grund ist derjenige, der in ernst zu nehmenden Quellen dazu als der zentrale genannt wird.Levi hat geschrieben:Das ist die im Mittelalter "gefundene" Erklärung, warum das, was dazu in der Bibel steht, in Wahrheit doch nicht ganz so gemeint ist.
In den frühchristlichen Schriften - insbesondere in den biblischen Texten (Matthäus 5,33 ff., Jakobus 5,12) - steht das aber ganz klar anders. Eine Einschränkung auf bestimmte Eidesformeln gibt es da nicht.
Diese "strenge" Praxis entspricht im Übrigen auch derjenigen anderer zeitgenössischer Gruppen des Judentums, sie ist nicht originell christlich.
Nebenbei bemerkt sieht insbesondere das Alte Testament ja an zig Stellen Eide vor. Entsprechend schwierig ist es, gerade eine Unvereinbarkeit mit dem Judentum zu begründen.
Wieso nicht? Wozu dient die Formel "So wahr mir Gott helfe", wenn nicht, um Gott "als Zeugen für die Wahrheit" anzurufen (in diesem Fall der Aufrichtigkeit der Intention)?Das was das Kirchenrecht unter einem "Eid" versteht, ist nicht deckungsgleich mit dem, was gemeinhin unter Eidesleistung verstanden wird.
Nach Can. 1199 § 1. CIC ist ein "Eid" im Sinne des CIC "die Anrufung des göttlichen Namens als Zeugen für die Wahrheit ".
Eine entsprechende Intention dürfte bei der Vereidigung eines Rechtsanwalts, Richter, Beamten etc. wohl niemand haben.
Ehrlich gesagt verstehe ich überhaupt nicht, warum du den Gedanken nachvollziehen kannst bzw. als nachvollziehbar darstellst, Gott um "Hilfe" anzurufen, aber nicht als "Zeugen" für die Wahrhaftigkeit einer Aussage.Levi hat geschrieben:Die Formel "so wahr mir Gott helfe", ist eine Anrufung Gottes um Hilfe - also eine Art säkulares Gebet. "Bezeugen" soll Gott da nichts. In welcher Form sollte das auch geschehen?
(1) Der Eid mit religiöser Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:
"Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"
und der Zeuge hierauf die Worte spricht:
"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe".
"Wahrheits-Eide" (wie im Prozessrecht) sind graduell etwas anderes als "Verpflichtungs-Eide" (wie hier bei Rechtsanwälten, Beamten etc.).Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ehrlich gesagt verstehe ich überhaupt nicht, warum du den Gedanken nachvollziehen kannst bzw. als nachvollziehbar darstellst, Gott um "Hilfe" anzurufen, aber nicht als "Zeugen" für die Wahrhaftigkeit einer Aussage.Levi hat geschrieben:Die Formel "so wahr mir Gott helfe", ist eine Anrufung Gottes um Hilfe - also eine Art säkulares Gebet. "Bezeugen" soll Gott da nichts. In welcher Form sollte das auch geschehen?
Von dieser Vorstellung zeugt übrigens bis heute die Formulierung unter anderem in § 64 I StPO:
(1) Der Eid mit religiöser Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:
"Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"
und der Zeuge hierauf die Worte spricht:
"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe".
Kein Einspruch. Deswegen lehne ich ja auch sämtliche Eide ab.Honigkuchenpferd hat geschrieben:Diese Unterscheidung ist aber doch sehr sophistisch, zumal sich die heutigen "Verpflichtungs-Eide" aus dem "Wahrheits-Eid" entwickelt haben. Eine grundlegend andere Vorstellung von der Rolle Gottes beim Eid steht dahinter jedenfalls eindeutig nicht. Der Unterschied liegt im Grunde allein im Gegenstand dessen, wozu ein Eid geleistet wird.
Sofern man ein "Einspannen Gottes für menschliche Zwecke" ablehnt, erscheint es mir deshalb auch einzig konsequent, den Eid in beiden Fällen gleichermaßen abzulehnen.