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Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 12:43
von Swann
Levi hat geschrieben: Ich kenne aber ja durchaus beide Seiten und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich als Rechtsanwalt im Ergebnis nicht mehr gearbeitet habe als heute; die Arbeit hat sich nur über einen längeren und andere Zeitraum erstreckt. Natürlich passt man sich als junger Anwalt seinem Chef und den Kollegen an und merkt schnell, dass es niemand interessiert, wenn man morgens schon um 7 Uhr im Büro ist und mittags nur schnell ein Brötchen am Schreibtisch verspeist. Entscheidend sind allein die Stunden am Abend ("ich war wieder bis 23 Uhr im Büro"); nur Nachtarbeit ist sexy. Das hat viel mit der Arbeitskultur von Kanzleien zu tun, notwendig ist es aber keineswegs. 

Wenn ein Mandant hohe Stundensätze für ein juristisches Produkt bezahlt, dann erwartet er neben fachlicher Güte (die er oft nicht beurteilen kann), dass der Entwurf, den er um 15 Uhr übersandt bekam und um 19 Uhr mit Markups retour schickte, spätestens am nächsten Morgen wieder bei ihm vorliegt. Ob das sinnvoll ist (ist es meistens nicht), müssen wir nicht diskutieren, es ist aber das Marktumfeld, in dem sich Großkanzleien bewegen. Und da hilft es dann nicht zu sagen, dass man intensiv zwischen 9-15 Uhr gearbeitet habe, weil das eben nur einen Teil der vom zahlenden Kunden gewünschten Leistung abdeckt. Ich habe für jeden Verständnis, der darauf keine Lust hat, aber man sollte sich nicht selbst belügen und so tun, als ob man nur die misogynen Partner von mehr Teilzeitarbeit überzeugen müsste.

Das ist dieselbe scheinheilige Argumentation wie bei Unternehmen, die behaupten, angeblich keine (qualifizierten) Frauen für Vorstände und Aufsichtsräte zu finden und nur deswegen - leider - Männer nehmen (müssen). In Wirklichkeit wollen sie aber nur die zusätzliche Konkurrenz fern- und die Preise hochhalten, und das macht man am einfachsten dadurch, dass man (Arbeits-)Bedingungen schafft, die von Frauen mehrheitlich nicht erfüllt werden können. Natürlich ist das eine Form von geschlechterbezogener mittelbarer Diskriminierung. Nicht unbedingt im rechtlichen Sinne - aber im gesellschafts- und verteilungspolitischen Sinne.
Natürlich wollen sie die Preise hochhalten, denn davon leben sie. Großkanzleien sind Wirtschaftsunternehmen, wenn es ihnen nützt, stellen sie Frauen ein, nur sind sie nicht bereit, ihr Geschäftsmodell zu modifizieren (mit erheblichen Einkommenseinbußen), um mehr Frauen einzustellen. Es ist aber völliger Unfug zu sagen, sie wollten Konkurrenz fernhalten - für den Partner sind neue weibliche Associate keine Konkurrenz, sondern idealerweise Lastesel, die Billable hours produzieren. Wenn sie das tun, ist er glücklich, wenn nicht, nicht.

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 13:08
von Levi
Tibor hat geschrieben:Und du meinst eine Anwältin wäre nach 3, 5 oder 8 Jahren Elternzeit noch genauso qualifiziert? Das sind doch Träumereien.
Das sind keineswegs Träumereien, sondern inzwischen - glücklicherweise - gelebte Praxis im öffentlichen Dienst. Entgegen anders lautender Gerüchte ist es nämlich keineswegs so, dass Frauen in der Schwangerschaft ihr Gehirn auf das Baby übertragen, sondern eine intelligente Juristin bleibt auch nach der Elternzeit noch eine intelligente Juristin und kann sich daher in ihren Job zügig wieder einarbeiten. - Einmal ganz abgesehen davon, dass eine mehrjährige vollständige (!) Abstinenz vom Job ohnehin die absolute Ausnahme sein dürfte. Die meisten Akademikerinnen die ich kenne, sind ganz froh darüber, möglichst bald wieder einige Stunden in der Woche (Teilzeit) arbeiten zu können. So spannend sind Spielplätze, Pixi-Bücher und Knetgummi-Männchen nun auch wieder nicht. 

Das Argument einer angeblich fehlenden Qualifikation nach der Elternzeit halte ich daher für vorgeschoben. Und selbst wenn es so wäre, traut man Männern schließlich auch zu, sich nach mehreren Jahren der Abstinenz oder sogar erstmals in ein Rechtsgebiet (wieder) neu einzuarbeiten. Warum also nicht auch Frauen nach der Elternzeit? 

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 13:31
von julée
Tibor hat geschrieben:Und du meinst eine Anwältin wäre nach 3, 5 oder 8 Jahren Elternzeit noch genauso qualifiziert? Das sind doch Träumereien.
Das ist allenfalls ein Argument dafür, die Anwältin möglicherweise etwas später zur Partnerin zu machen und sie die Zeit der Elternzeit zumindest tlw. "nacharbeiten" zu lassen, aber nicht dafür, ihr nach der Ankündigung, sie wolle gerne länger als 3 Monate zu Hause bleiben bzw. zunächst in Teilzeit wiederkommen, zu erklären, das mit der Karriere könne sie dann jetzt knicken.

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 13:40
von sai
julée hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:Und du meinst eine Anwältin wäre nach 3, 5 oder 8 Jahren Elternzeit noch genauso qualifiziert? Das sind doch Träumereien.
Das ist allenfalls ein Argument dafür, die Anwältin möglicherweise etwas später zur Partnerin zu machen und sie die Zeit der Elternzeit zumindest tlw. "nacharbeiten" zu lassen, aber nicht dafür, ihr nach der Ankündigung, sie wolle gerne länger als 3 Monate zu Hause bleiben bzw. zunächst in Teilzeit wiederkommen, zu erklären, das mit der Karriere könne sie dann jetzt knicken.
Wenn die Partnerernennung allein nach der fachlichen Qualifikation laufen würde, wäre das sicherlich richtig.
Die fachliche Qualifikation der Anwälte interessiert aber doch nur zweitrangig. In erster Linie läuft die Entscheidung, wer Partner wird und wer nicht, nach den Umsätzen und den Kontakten. Wenn Mama und Papa Dax-Vorstände sind, wird jeder unabhängig von seiner Qualifikation und von der Frage Teilzeit/Vollzeit Partner, der die entsprechenden Mandate mitbringt.

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 23:38
von Philtan
Ist das ganze Problem nicht eher das Juristen in (Groß) kanzleien wie Architekten und Bauingenieure auf einem "Winner takes all" Markt agieren?

Bei Psychologen/Infomatikern/Pharmabranche reichts es ja oft Zweitbester/Drittbester zu sein und eine "gute" Leistung, ein "gutes" Produkt anzubieten.

Juristen gewinnen entweder ein Mandat oder nicht. Juristen gewinnen entweder einen Prozess oder nicht. Zweitbester zu sein reicht nicht.

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 03:06
von Gelöschter Nutzer
Mein Eindruck von der Gesamtsituation in der Arbeitswelt führt dahin, dass die Arbeitsplätze immer mehr von zuhause aus und dafür in Gleitzeit ausgeführt werden. Das wäre wiederum eine Chance für Frauen mit Kindern. Oder dann Coworking-Projekte mit Kinderbetreuung. Wenn der Staat oder die Arbeitgeber dies nicht anbieten in nächster Zeit, wird es entsprechende Geschäftsmodelle geben, die genau diese Lücken abdecken.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 11:39
von Einwendungsduschgriff
Kasimir hat geschrieben:Beförderung in der Justiz mit Familie ist auch ein Märchen. Haben wir nicht beim letzten Stammtisch den Fall diskutiert, das einem werdenden Elternteil in der Justiz sinngemäß gesagt wurde, dass damit ja nun klar sein, dass er/sie in der Justiz "nichts mehr werden könne"?
Witzig, erlebe hier eher das Gegenteil freilich aufgrund einer Besonderheit des hiesigen Landes: bis auf wenige Ausnahmen werden Mütter und Väter - gerade auch solche mit langen Elternzeiten - eher schneller befördert, wenn die Praxiszeiten stimmen. Es passiert also gelegentlich Folgendes: die familienlosen Männer werden schnell in Sonderverwendungen geschickt, die aber die vier Jahre Praxiszeit verhindern und dadurch die Erprobungsabordnung. Ich sehe es also schon kommen: kinderlos und karrierelos. Wobei ich mittlerweile sehr oft mitbekomme, dass die ministerialen Sonderverwendung dann auch zum Bleiben anregen, was dem Justizministerium nicht so sonderlich schmeckt. Das Verhältnis von Frauen und Männern ist im hiesigen Bezirk bei den jüngeren Richterinnen und Richter wie auch bei Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auch recht gleich, eher würde ich einen Männerüberschuss vermuten.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 14:24
von OJ1988
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ich sehe es also schon kommen: kinderlos und karrierelos.
Noch ist nichts verloren. Würde dir Online-Partnerbörsen empfehlen ;)

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 14:26
von Einwendungsduschgriff
Das mag sinnvoll sein, aber ich bin ja so alt und schrumpelig, dass das auch nichts mehr hilft.

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 14:35
von [enigma]
Elitepartner. Da geht's eher um die inneren Werte. Ich warte übrigens noch auf das entsprechende Tinder-Äquivalent. Mit Lebensläufen statt Fotos.

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 14:35
von Einwendungsduschgriff
Danke.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 18:08
von jurabilis
Ara hat geschrieben:Während ich männliche Richter häufig erlebt haben, dass sie klagen man könne von nem Richtergehalt keine Familie alleine amtsangemessen ernähren (ob man das im Jahr 2017 können muss, ist ne andere Frage), sind Richterinnen häufig mit dem Großkanzleianwalt verheiratet und verdienen sich ihr Richtergehalt zum Shoppen in Teilzeit nebenbei.

Das heißt der Staatsdienst ist für das "klassische Rollenbild" der Mann arbeitet und die Frau zieht alleine die Kinder groß völlig untauglich geworden. Der Staat freut sich natürlich, da er die Besoldung nicht anheben muss, da das Richtergehalt als 2. Verdienst natürlich wunderbar ist. Da Männer heute noch Komplexe haben wenn die Frau mehr verdient und Frauen in der Regel vom Mann erwarten, dass er mehr verdient, ist das auch keine Überraschung. Am Ende leidet aber auch die Rechtsprechung drunter, wenn die Richterschaft einseitig, böse formuliert, aus Teilzeit-Großkanzleiehefrau-Muttis besteht.
:munch:

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 19:51
von Parabellum
jurabilis hat geschrieben:
Ara hat geschrieben:Am Ende leidet aber auch die Rechtsprechung drunter, wenn die Richterschaft einseitig, böse formuliert, aus Teilzeit-Großkanzleiehefrau-Muttis besteht.
:munch:
Wie ist eigentlich Dein spezielles Verfahren da ausgegangen? Das Stichwort lautete glaube ich "Richterinnnen-Flüsterer".

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 22:15
von Trente Steele82
[enigma] hat geschrieben:Elitepartner. Da geht's eher um die inneren Werte. Ich warte übrigens noch auf das entsprechende Tinder-Äquivalent. Mit Lebensläufen statt Fotos.
https://legalhead.de

Re: Diskriminierung in der juristenausbildung.tumblr.com

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 22:47
von Pillendreher
[enigma] hat geschrieben:Elitepartner. Da geht's eher um die inneren Werte. Ich warte übrigens noch auf das entsprechende Tinder-Äquivalent. Mit Lebensläufen statt Fotos.
https://www.youtube.com/watch?v=MBrEZ5LJXlM

Da geht's lang!

http://www.farmersonly.com/

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