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Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Samstag 11. Februar 2017, 22:48
von julée
Swann hat geschrieben:
julée hat geschrieben: Und: Ich zwinge sicherlich niemanden dazu sich zu vergleichen, wenn er es denn eigentlich nicht möchte, aber wer da ist und keine echten Hinderungsgründe hat: Ganz oder gar nicht.
Steht es denn in deinem Ermessen, ob du einen von den Parteien gewünschten Vergleich protokollierst?
Wer sagt denn, dass es zum Schwur kommen muss, dass die Parteien entweder einen Widerrufsvergleich schließen wollen und sonst gar nichts? Für die Alternative, später in Ruhe wohlüberlegt oder aufgrund eines schriftlichen Vergleichsvorschlags einen Vergleich zu schließen, war bislang jede zaudernde Partei zu gewinnen.

Und wie bereits geschrieben:
julée hat geschrieben:Und ich weigere mich sicherlich nicht, einen Widerrufsvergleich zu protokollieren, wenn es denn der Sache dienlich ist, aber ein prophylaktisches "aber nur mit Widerrufsvorbehalt" unterstütze ich auch nicht aktiv. Vielmehr interessiert mich dann schon, wo das Problem (inhaltlich, emotional, kostenmäßig, was auch immer) liegt. (...)

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Samstag 11. Februar 2017, 23:09
von markus87
batman hat geschrieben:
Syd26 hat geschrieben:Es gibt leider immer noch Richter, die in solchen Fällen keinen widerruflichen Vergleich zulassen
Wenn das kein Befangenheitsgrund und außerdem Anlass für dienstaufsichtliche Maßnahmen ist, weiß ich es auch nicht.
Schade, ich hatte das eigentlich als ironischen Seitenhieb auf das merkwürdige Gebahren von Syd26 verstanden. Natürlich kann man sich als Richter einem Vergleichswunsch nicht verweigern. Das schließt aber nicht aus, dass man wie julée nach den Motiven fragt und jemand wie syd26 ("ich schließe eigentlich nur noch widerrufliche Vergleiche") auch zu verstehen gibt, was man von dieser Einstellung hält, ohne gleich den Anschein der Befangenheit zu erzeugen.

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Samstag 11. Februar 2017, 23:20
von Swann
julée hat geschrieben: Wer sagt denn, dass es zum Schwur kommen muss, dass die Parteien entweder einen Widerrufsvergleich schließen wollen und sonst gar nichts?
Die Aussage "Ganz oder gar nicht" liest sich für mich so, als ob das die Möglichkeiten wären, vor die du die Parteien stellst. Und auch das hier:
Und ich weigere mich sicherlich nicht, einen Widerrufsvergleich zu protokollieren, wenn es denn der Sache dienlich ist ...
(Hervorhebung von mir)

trifft m.E. den rechtlichen Maßstab noch nicht ganz.

Aber wenn ich mich da irre: Umso besser!

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 00:07
von julée
Ich habe doch schon recht klar geschrieben, was die Alternativen sind, auf die es regelmäßig im Rahmen der Erörterung hinausläuft:
a) ein unwiderruflicher Vergleich zu dem beide Parteien - ohne Nötigung - ja sagen können.
b) ein (ggf. einseitig) widerruflicher Vergleich, wenn es zwingende Gründe (Mandant nicht da, Versicherung usw.) hierfür gibt, aber mit dem Ziel, dass es für die Anwesenden ein tragbarer Kompromiss ist oder jedenfalls klar ist, an welchem Punkt es noch scheitern könnte - und hier meinetwegen auch der Widerrufsvergleich als sehnlichster Wunsch der Parteien, solange man ordentlich darüber gesprochen hat.
c) "gar nicht" heißt jedenfalls nicht im Termin, nämlich dann, wenn sich eine oder beide Partei(en) mit dem Thema "Vergleich" schwer tun und es vielleicht auch von den rechtlichen / ökonomischen Erwägungen her komplexer ist. Warum sollte man in diesem Fall etwas in der mündlichen Verhandlung übers Knie brechen, wenn man auch noch danach in aller Ruhe über einen Vergleich verhandeln kann bzw. einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten kann?

Ich halte nichts von vorschnellen, schlechten Vergleichen - und ich sehe es auch nicht als meine Aufgabe, den Anwälten ihre Vergleichsgebühren zu sichern.

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 06:10
von batman
markus87 hat geschrieben:Das schließt aber nicht aus, dass man wie julée nach den Motiven fragt und jemand wie syd26 ("ich schließe eigentlich nur noch widerrufliche Vergleiche") auch zu verstehen gibt, was man von dieser Einstellung hält, ohne gleich den Anschein der Befangenheit zu erzeugen.
Natürlich, daran zweifelt auch niemand.

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 12:03
von immer locker bleiben
Syd26 hat geschrieben:Die Sachlage ist oft so, dass der Mandant im Termin anwesend ist und er damit Kenntnis vom Inhalt der Einigung hatte. Es gibt leider immer noch Richter, die in solchen Fällen keinen widerruflichen Vergleich zulassen und leider immer noch Kollegen, die sich dies gefallen lassen oder der Mandant will die Sache einfach vom Tisch haben und stimmt noch im Termin zu.
Ich habe es glaube ich in einem anderen Thread schon einmal geschrieben: ob der Vergleich widerruflich ist oder nicht, entscheide ich, nicht der Richter.

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 12:16
von Versicherungsnehmer
Kompromissvorschlag: Das entscheidet weder Anwalt noch Richter, sondern der Mandant.

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 13:23
von julée
Das in letzter Konsequenz ohnehin.

Und ich glaube nicht, dass ilb und ich jemals ein Problem bekämen, weil mir ilb erklären könnte, welchen Vergleich er für aussichtsreich hält und warum er einen Widerrufsvorbehalt braucht, obwohl der Mandant mit am Tisch sitzt.
Aber wenn die Partei schwankt, dann quatsche ich sie sicherlich nicht in irgendeinen Vergleich, von dem am Ende möglicherweise nur hängen bleibt: "ist total unfair, habe ich gar nicht verstanden, ich hätte doch fast gewonnen; die Richterin hat mich genötigt, die wollte bestimmt nur kein Urteil schreiben; mein Anwalt meinte auch, die hatte keine Ahnung".

Letztens habe ich etwa eine Sache, in der noch eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich gewesen wäre, nach dem Termin mit einem ausführlich begründeten schriftlichen Vergleichsvorschlag verglichen bekommen - die eine Seite schrieb "sind zwar nicht zufrieden, aber stimmen zu". Sie dürfte aber ziemlich genau verstanden haben, warum mein Vorschlag bei der gegenwärtigen Sachlage nicht ernstlich anders lauten konnte und im Ergebnis sinnvoll war. Ob das auch so gewesen wäre, wenn ich die Parteien im Termin wenigstens in einen Widerrufsvergleich gequatscht hätte, der vermutlich ohnehin nicht gehalten hätte?

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 13:27
von Einwendungsduschgriff
ILB ist eben ein guter Anwalt mit der nötigen fachlichen wie menschlichen Qualität, da führt eine Verhandlung im Saal zu ganz anderen Erkenntnissen wie Ergebnissen. Auch wenn seine Aussage hier im Thread etwas seltsam klingt. Wohlwollende Auslegung: passt schon. Ich könnte nie Zivilrichter werden.

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 13:47
von batman
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ich könnte nie Zivilrichter werden.
Wegen Deiner Examensnoten? :D

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 13:54
von Tibor
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ich könnte nie Zivilrichter werden.
Ich wöllte nicht. ;-)

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Sonntag 12. Februar 2017, 13:59
von Einwendungsduschgriff
batman hat geschrieben:
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ich könnte nie Zivilrichter werden.
Wegen Deiner Examensnoten? :D
Ja. Jetzt definiere mich aber nicht darüber. Schon gar nicht mit Lückenlinien.

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Montag 13. Februar 2017, 14:20
von Syd26
julée hat geschrieben: Aber wenn die Partei schwankt, dann quatsche ich sie sicherlich nicht in irgendeinen Vergleich, von dem am Ende möglicherweise nur hängen bleibt: "ist total unfair, habe ich gar nicht verstanden, ich hätte doch fast gewonnen; die Richterin hat mich genötigt, die wollte bestimmt nur kein Urteil schreiben; mein Anwalt meinte auch, die hatte keine Ahnung".

Letztens habe ich etwa eine Sache, in der noch eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich gewesen wäre, nach dem Termin mit einem ausführlich begründeten schriftlichen Vergleichsvorschlag verglichen bekommen - die eine Seite schrieb "sind zwar nicht zufrieden, aber stimmen zu". Sie dürfte aber ziemlich genau verstanden haben, warum mein Vorschlag bei der gegenwärtigen Sachlage nicht ernstlich anders lauten konnte und im Ergebnis sinnvoll war. Ob das auch so gewesen wäre, wenn ich die Parteien im Termin wenigstens in einen Widerrufsvergleich gequatscht hätte, der vermutlich ohnehin nicht gehalten hätte?
Das ist doch ein gutes Ergebnis für alle Beteiligten. Ich finde es nur befremdlich, dass die Parteien sagen sollen, warum sie keinen unwiderruflichen Vergleich wollen. Manche wollen schlicht noch ihre Ehefrau/ihren Mann/ihre Oma fragen und gerade DIES nicht in der öffentlichen Verhandlung kundtun. ;)

Re: Vergleichsreue beim Mandanten

Verfasst: Montag 13. Februar 2017, 15:51
von julée
Syd26 hat geschrieben:Das ist doch ein gutes Ergebnis für alle Beteiligten. Ich finde es nur befremdlich, dass die Parteien sagen sollen, warum sie keinen unwiderruflichen Vergleich wollen. Manche wollen schlicht noch ihre Ehefrau/ihren Mann/ihre Oma fragen und gerade DIES nicht in der öffentlichen Verhandlung kundtun. ;)
Und ich finde es umgekehrt befremdlich, wenn eine Seite, wenn alle an einem Ort zusammengekommen sind und sich fast einig sind, nicht sagen mag, was sie daran hindert, dem Vergleich jetzt endgültig zuzustimmen. Das ist doch auch für die Gegenseite nicht schön, wenn sie nicht weiß, woran sie ist. Und in der zumeist doch recht intimen Verhandlungsatmosphäre halte ich es einem mündigen Bürger auch durchaus zumutbar, dass er einen familiären Beratungsbedarf als solchen benennt. Bei 100 € hin oder her könnte man freilich auch eine innerfamiliäre Emanzipation verlangen ;)