Kuriose Klausur (VB): Lösungsskizze falsch?
Verfasst: Donnerstag 16. Februar 2017, 19:50
Ich habe vor kurzem einen etwas merkwürdigen Examensfall gemacht. Der Sachverhalt ist nicht kompliziert, die Lösung aber umso merkwürdiger.
Sachverhalt (vereinfacht):
Arbeitgeber G stellt Arbeitnehmer N befristet unter Heranziehung von § 14 III TzBfG (Alter) ein, ohne dass sonst ein Sachgrund vorläge. Schließlich klagt N gegen die Befristung und obsiegt vor dem BAG. Grund dafür ist, dass § 14 III TzBfG - wie vom EuGH festgestellt - europarechtswidrig und damit unanwendbar sei. Dementsprechend bleibt es bei § 14 I TzBfG, ein sachlicher Grund für die Befristung fehlt.
Nun erhebt G Verfassungsbeschwerde, da er sich in seiner Privatautonomie verletzt fühlt. [außerdem findet sich im SV ein recht klarer Hinweis darauf, dass das EuGH-Urteil "ultra vires" ergangen sei]
Erste eigene Gedanken:
- Anwendungsvorrang, ultra vires irgendwo diskutieren
- mittelbare Drittwirkung? Aufbau?
- P: Verortung des europarechtlichen Problems?
Nun aber die kuriose Lösungsskizze (vereinfacht):
Verfassungsbeschwerde
A. Zul.
- mit keinem Wort die mittelbare Drittw. angesprochen, einfach "normale" VB gegen Urteil des BAG geprüft, als wäre es kein zivilrechtlicher Fall gewesen (?!)
B. Begr.
I. Art. 12 I GG (anscheinend Grundlage der Privatautonomie bei beruflichem Bezug)
1. SB (+)
2. Eingriff
3. RF
- § 14 I TzBfG könnte taugliche Schranke sein (okay, soweit...)
[Achtung, jetzt wird es seltsam!]
- "§ 14 III erhält dazu eine Ausnahme" (Relevanz?)
- "Dieser Sonderfall könnte gegen das Unionsrecht verstoßen und daher unanwendbar sein" (ja, aber Relevanz für die Frage der RF des Eingriffs in Art. 12 GG...?)
- "Dies würde dazu führen, dass der Grundsatz des § 14 I TzBfG gelten würde, die Befristung unwirksam wäre und zwischen G und N ein unbefristeter ArbV zustande gekommen wäre" (häh?!)
- [dann folgt eine epische Prüfung, ob § 14 III mit UnionsR vereinbar ist und evtl. ein Ultra-vires-Handeln vorliegt]
- danach heißt es lapidar: § 14 III ist also unanwendbar, es bleibt bei § 14 I TzBfG, Art. 12 GG ist nicht verletzt, VB unbegründet
---
Das Ganze macht für mich irgendwie überhaupt keinen Sinn: Erstens riecht es stark danach, als ob der Bearbeiter unzulässigerweise einfaches Recht geprüft hat. Hier ist aber eigentlich die Frage, ob das BAG Grundrechte bei der Anwendung/Auslegung des § 14 TzBfG verkannt hat. Wie das mit der inzidenten Prüfung der Anwendbarkeit von § 14 III zusammen hängen soll, ist mir alles andere als klar.
Die einzige Überlegung (die so aber aus der Lösung nicht hervorgeht) wäre, dass sich die ganze Problematik bei der Frage nach der richtigen "Schranke" stellt: danach wäre § 14 I TzBfG hier keine taugliche Schranke, wenn § 14 III anwendbar ist, da letztere Norm dann als lex specialis den Abs. 1 verdrängen würde. Aber eine solche Herangehensweise würde ja Tür und Tor öffnen für die unzulässige (Nach-)Prüfung von einfachem Recht.
Deshalb meine Fragen:
1. Ist die oben zitierte Lösungsskizze schlicht falsch oder habe ich einfach einen zentralen Aspekt übersehen? Ich kann sie mir so einfach nicht erklären.
2. Wenn sie falsch ist, gäbe es dann überhaupt eine Möglichkeit, die Frage der unionsrechtsbedingten Unanwendbarkeit des § 14 III TzBfG im Rahmen einer solchen Verfassungsbeschwerde wegen der "Verletzung der Privatautonomie" sinnvoll anzusprechen? Das ist mir nämlich nicht klar.
Sicherlich kann man eine Verletzung von Art. 101 I 2 GG wg. Art. 267 AEUV prüfen, aber das ist eine andere Frage.
Was meint ihr? Danke!
Sachverhalt (vereinfacht):
Arbeitgeber G stellt Arbeitnehmer N befristet unter Heranziehung von § 14 III TzBfG (Alter) ein, ohne dass sonst ein Sachgrund vorläge. Schließlich klagt N gegen die Befristung und obsiegt vor dem BAG. Grund dafür ist, dass § 14 III TzBfG - wie vom EuGH festgestellt - europarechtswidrig und damit unanwendbar sei. Dementsprechend bleibt es bei § 14 I TzBfG, ein sachlicher Grund für die Befristung fehlt.
Nun erhebt G Verfassungsbeschwerde, da er sich in seiner Privatautonomie verletzt fühlt. [außerdem findet sich im SV ein recht klarer Hinweis darauf, dass das EuGH-Urteil "ultra vires" ergangen sei]
Erste eigene Gedanken:
- Anwendungsvorrang, ultra vires irgendwo diskutieren
- mittelbare Drittwirkung? Aufbau?
- P: Verortung des europarechtlichen Problems?
Nun aber die kuriose Lösungsskizze (vereinfacht):
Verfassungsbeschwerde
A. Zul.
- mit keinem Wort die mittelbare Drittw. angesprochen, einfach "normale" VB gegen Urteil des BAG geprüft, als wäre es kein zivilrechtlicher Fall gewesen (?!)
B. Begr.
I. Art. 12 I GG (anscheinend Grundlage der Privatautonomie bei beruflichem Bezug)
1. SB (+)
2. Eingriff
3. RF
- § 14 I TzBfG könnte taugliche Schranke sein (okay, soweit...)
[Achtung, jetzt wird es seltsam!]
- "§ 14 III erhält dazu eine Ausnahme" (Relevanz?)
- "Dieser Sonderfall könnte gegen das Unionsrecht verstoßen und daher unanwendbar sein" (ja, aber Relevanz für die Frage der RF des Eingriffs in Art. 12 GG...?)
- "Dies würde dazu führen, dass der Grundsatz des § 14 I TzBfG gelten würde, die Befristung unwirksam wäre und zwischen G und N ein unbefristeter ArbV zustande gekommen wäre" (häh?!)
- [dann folgt eine epische Prüfung, ob § 14 III mit UnionsR vereinbar ist und evtl. ein Ultra-vires-Handeln vorliegt]
- danach heißt es lapidar: § 14 III ist also unanwendbar, es bleibt bei § 14 I TzBfG, Art. 12 GG ist nicht verletzt, VB unbegründet
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Das Ganze macht für mich irgendwie überhaupt keinen Sinn: Erstens riecht es stark danach, als ob der Bearbeiter unzulässigerweise einfaches Recht geprüft hat. Hier ist aber eigentlich die Frage, ob das BAG Grundrechte bei der Anwendung/Auslegung des § 14 TzBfG verkannt hat. Wie das mit der inzidenten Prüfung der Anwendbarkeit von § 14 III zusammen hängen soll, ist mir alles andere als klar.
Die einzige Überlegung (die so aber aus der Lösung nicht hervorgeht) wäre, dass sich die ganze Problematik bei der Frage nach der richtigen "Schranke" stellt: danach wäre § 14 I TzBfG hier keine taugliche Schranke, wenn § 14 III anwendbar ist, da letztere Norm dann als lex specialis den Abs. 1 verdrängen würde. Aber eine solche Herangehensweise würde ja Tür und Tor öffnen für die unzulässige (Nach-)Prüfung von einfachem Recht.
Deshalb meine Fragen:
1. Ist die oben zitierte Lösungsskizze schlicht falsch oder habe ich einfach einen zentralen Aspekt übersehen? Ich kann sie mir so einfach nicht erklären.
2. Wenn sie falsch ist, gäbe es dann überhaupt eine Möglichkeit, die Frage der unionsrechtsbedingten Unanwendbarkeit des § 14 III TzBfG im Rahmen einer solchen Verfassungsbeschwerde wegen der "Verletzung der Privatautonomie" sinnvoll anzusprechen? Das ist mir nämlich nicht klar.
Sicherlich kann man eine Verletzung von Art. 101 I 2 GG wg. Art. 267 AEUV prüfen, aber das ist eine andere Frage.
Was meint ihr? Danke!