Bericht: Einstellungsinterview niedersächsische Justiz
Verfasst: Donnerstag 23. Februar 2017, 11:22
Vieles über das Interview ist ja bereits bekannt: Es besteht aus zwei Teilen; einem Gespräch über den eigenen Werdegang und Rollenspiel(en). Es werden drei Kandidaten pro Tag geladen; die Gespräche aber einzeln geführt. Niedersachsen lädt nur ein, wenn Bedarf besteht. Eine Stelle ist also auf jeden Fall frei. Sind mehr Kandidaten geeignet, kriegen die eben die nächsten freien Stellen. Erst wenn das Kontingent abgearbeitet ist, werden neue Interviews geführt.
Die Kommission besteht aus drei Mitgliedern. Bei mir saßen zusätzlich noch (ohne Stimmrecht) eine Vertreterin der "normalen" Richter und eine Beobachterin. Die Vertreterin war das Äquivalent zum Personalrat in anderen Gesprächen. Die Beobachterin sollte wohl demnächst Kommissionsmitglied werden und einfach einmal schauen, wie es so läuft. Beide haben aber nur still beobachtet.
In der Einladung wurde darauf hingewiesen, dass es bei dem Interview nicht um juristische Kenntnisse ginge, sondern acht bestimmte Fähigkeiten abgefragt werden würden. Dabei handelt es sich um
Zum Einstand in das Gespräch über meinen Werdegang durfte ich mich selbst vorstellen. Danach kamen Fragen.
Um sich auf das Gespräch vorzubereiten, sollte man sich den eigenen Lebenslauf sehr genau anschauen. Es wird hier häufig von Stressinterviews berichtet, bei denen einzelne Dinge sehr kritisch hinterfragt wurden ("Warum haben Sie nach der Ausbildung noch studiert? Sie hatten doch einen festen Job und gutes Geld!"). Ich habe das nicht so kritisch erlebt. Es gab natürlich nachfragen, aber insgesamt waren die eher interessiert als provozierend. Die Fragen fingen bei mir in der Kindheit an ("Welche Werte haben Ihre Eltern Ihnen vermittelt?") und endeten mit der Frage, warum ich heute auf dem Stuhl säße (mit anderen Worten: Warum will ich bei denen in die Justiz).
In das Gespräch eingeflochten waren die Fragen nach eigenen Stärken und Schwächen, wo ich mich zwischen Qualität und Quantität einordnen würde und ob ich mich selbst für geeignet für die Justiz halten würde. Ziemlich sicher kommen folgende Fragen: Wie haben Sie sich auf das Examen vorbereitet und hätten Sie rückblickend etwas anderes gemacht? Warum Jura? Gab es Alternativen? Warum Justiz? Gibt es Alternativen? Was machen Sie, wenn es nicht mit der Justiz klappt.
Auf alles das kann und sollte man sich vorbereiten. Vorrangig geht es da um die Frage, ob ich Entscheidungen bewusst treffe und ob ich in der Lage bin, Entscheidungen und Ergebnisse (selbst)kritisch zu reflektieren.
Vielleicht hatte ich eine nette Kommission, aber insgesamt hatte ich das Gefühl, dass keine Wunder verlangt wurden. Man muss aber auch sagen, dass das Gespräch kein Spaziergang war. Ich habe mich z. B. mittig zwischen Qualität und Quantität mit leichter Tendenz zur Qualität eingeordnet (auf einer Skala von 1-10 bei 6; die Skala hatten sie vorgegeben). Als ich erzählte, derzeit ca. 30 Std. zu arbeiten auf einer halben Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeitrer, wurde kritisch nachgefragt, ob es vielleicht daran läge, dass ich doch eher qualitätsorientiert sei. Da konnte ich erwidern, dass alle Kollegen so viel "drüber" liegen. Darauf kam noch einmal die kritische Anmerkung, dass ich gerade auch einen sehr überlegt-abwägend antwortenden Eindruck mache. Als ich sagte, dass mir der Job eben sehr wichtig sei und ich deswegen hier sehr stark abwäge, um nichts falschen zu sagen (im Alltag aber in Standardsachen flotter sei), war das auch gegessen. Man muss eben wissen, dass die einen kritisch prüfen und mit allen möglichen und unmöglichen Fragen rechnen.
Dazu noch ein guter Rat: Seid authentisch. Die merken, wenn jemand schauspielert. Ich habe es nicht probiert, bin mir da aber relativ sicher. Es schien auf jeden Fall nicht negativ angekommen zu sein, dass ich offenlegte, nervös zu sein und hier sehr stark abzuwägen, um ja nichts falsch zu machen, weil das Gespräch eine besondere Ausnahmesituation sei.
Danach wurde ich rausgeschickt, damit die Kommission (ca. zehn Minuten) beraten konnte. Mir wurde vorab gesagt, dass danach der Rollenspielteil käme, wenn ich nicht bereits gescheitert sei (null Punkte, s. oben). Das Gespräch sollte etwa 60 Minuten dauern, hat bei mir aber 75 Minuten gedauert.
Beim Rollenspiel wurde mir eine Situation beschrieben. Ich sollte erklären, wie ich vorgehen würde. Als ich das getan hatte, wurden Kommissionsmitglieder als "Schauspieler" vorgestellt und ich sollte meinen Lösungsvorschlag vorspielen.
Szene: Ich bin Strafrichter. Das OLG hat verfügt, einer meiner "Kunden" komme aus der U-Haft, weil er schon lange genug sitze, wenn ich nicht diese Woche terminiere. Seine Pflichtverteidigerin kann erst am Freitag um 13 Uhr. Es gibt eine Vereinbarung, dass freitags nach 12 Uhr nicht mehr verhandelt wird. Ich brauche einen Wachtmeister zum Vorführen und eine Geschäftsstellenmitarbeiterin als Protokollkraft. Was tue ich?
Ich habe geantwortet, dass ich mit den beiden reden würde. Darauf kam die (etwas überraschte) Rückfrage, ob ich es also nicht anordnen würde. Ehrlich gesagt hatte ich an die Möglichkeit gar nicht gedacht, was aber ja kein Problem war. Bin kurz drauf eingegangen und habe deutlich gemacht, reden zu wollen.
Also durfte ich mit den beiden Mitarbeitern reden. Die waren unglücklich ("Wozu gibt es die Regel, wenn davon immer abgewichen wird?", "Immer trifft es uns!"); ich habe sie beschwichtigt. Danach habe ich gefragt, ob sie freiwillig bereit wären (und betont, dass ich nicht anordnen würde, aber ihre Hilfe bräuchte). Da gab es dann gute Gründe; wir haben gemeinsam einen Kompromiss gefunden. Ende.
Anschließend musste ich direkt wieder raus. Nach circa fünf Minuten durfte ich wieder rein. Ich wurde gefragt, ob ich mit meinem Ergebnis zufrieden sei ("Prinzipiell ja, aber ... hätte ich noch etwas besser machen können; da hätten wir noch etwas länger spielen können.") und dann gab es direkt das Gesamtergebnis!
Auf das Rollenspiel kann man sich nicht vorbereiten. Ich hatte, denke ich, ein recht dankbares. Vor allem im Vergleich zu dem, was sonst so geboten werden kann (vgl. z. B. auch hier). Darauf kann man sich aber, glaube ich, nicht groß vorbereiten. Da aber bekannt ist, dass es um die acht obigen Kritierien geht, sollte man sich die genau angucken. Und dann kann man auch in der Situation überlegen, was davon wohl abgeprüft werden soll und worum es wohl geht. Ich habe aus dem Bauch heraus entschieden; das ist der natürlichste und damit im Zweifel beste Weg. Wenn man aber nicht weiß, was man tun soll, hilft der Rückgriff auf die Kriterien sicherlich!
Ich habe also nur ein einziges Rollenspiel gehabt. Anderorts ist regelmäßig von mehreren Szenen zu hören. Das mag bei mir aber an der fortgeschrittenen Zeit gelegen haben.
Von den drei Leuten, die in meinem Termin dran waren, wurden zwei genommen; eine Person hat es leider nicht geschafft.
Die Kommission besteht aus drei Mitgliedern. Bei mir saßen zusätzlich noch (ohne Stimmrecht) eine Vertreterin der "normalen" Richter und eine Beobachterin. Die Vertreterin war das Äquivalent zum Personalrat in anderen Gesprächen. Die Beobachterin sollte wohl demnächst Kommissionsmitglied werden und einfach einmal schauen, wie es so läuft. Beide haben aber nur still beobachtet.
In der Einladung wurde darauf hingewiesen, dass es bei dem Interview nicht um juristische Kenntnisse ginge, sondern acht bestimmte Fähigkeiten abgefragt werden würden. Dabei handelt es sich um
- Identifikation mit dem Auftrag der Justiz,
- Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit,
- Fähigkeit zum Verhandeln und Ausgleich,
- Konflikt- und Entschlussfähigkeit,
- Kooperationsfähigkeit,
- Soziales Verständnis,
- Gerechtigkeitssinn und
- verantwortungsvolle Machtausübung.
Zum Einstand in das Gespräch über meinen Werdegang durfte ich mich selbst vorstellen. Danach kamen Fragen.
Um sich auf das Gespräch vorzubereiten, sollte man sich den eigenen Lebenslauf sehr genau anschauen. Es wird hier häufig von Stressinterviews berichtet, bei denen einzelne Dinge sehr kritisch hinterfragt wurden ("Warum haben Sie nach der Ausbildung noch studiert? Sie hatten doch einen festen Job und gutes Geld!"). Ich habe das nicht so kritisch erlebt. Es gab natürlich nachfragen, aber insgesamt waren die eher interessiert als provozierend. Die Fragen fingen bei mir in der Kindheit an ("Welche Werte haben Ihre Eltern Ihnen vermittelt?") und endeten mit der Frage, warum ich heute auf dem Stuhl säße (mit anderen Worten: Warum will ich bei denen in die Justiz).
In das Gespräch eingeflochten waren die Fragen nach eigenen Stärken und Schwächen, wo ich mich zwischen Qualität und Quantität einordnen würde und ob ich mich selbst für geeignet für die Justiz halten würde. Ziemlich sicher kommen folgende Fragen: Wie haben Sie sich auf das Examen vorbereitet und hätten Sie rückblickend etwas anderes gemacht? Warum Jura? Gab es Alternativen? Warum Justiz? Gibt es Alternativen? Was machen Sie, wenn es nicht mit der Justiz klappt.
Auf alles das kann und sollte man sich vorbereiten. Vorrangig geht es da um die Frage, ob ich Entscheidungen bewusst treffe und ob ich in der Lage bin, Entscheidungen und Ergebnisse (selbst)kritisch zu reflektieren.
Vielleicht hatte ich eine nette Kommission, aber insgesamt hatte ich das Gefühl, dass keine Wunder verlangt wurden. Man muss aber auch sagen, dass das Gespräch kein Spaziergang war. Ich habe mich z. B. mittig zwischen Qualität und Quantität mit leichter Tendenz zur Qualität eingeordnet (auf einer Skala von 1-10 bei 6; die Skala hatten sie vorgegeben). Als ich erzählte, derzeit ca. 30 Std. zu arbeiten auf einer halben Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeitrer, wurde kritisch nachgefragt, ob es vielleicht daran läge, dass ich doch eher qualitätsorientiert sei. Da konnte ich erwidern, dass alle Kollegen so viel "drüber" liegen. Darauf kam noch einmal die kritische Anmerkung, dass ich gerade auch einen sehr überlegt-abwägend antwortenden Eindruck mache. Als ich sagte, dass mir der Job eben sehr wichtig sei und ich deswegen hier sehr stark abwäge, um nichts falschen zu sagen (im Alltag aber in Standardsachen flotter sei), war das auch gegessen. Man muss eben wissen, dass die einen kritisch prüfen und mit allen möglichen und unmöglichen Fragen rechnen.
Dazu noch ein guter Rat: Seid authentisch. Die merken, wenn jemand schauspielert. Ich habe es nicht probiert, bin mir da aber relativ sicher. Es schien auf jeden Fall nicht negativ angekommen zu sein, dass ich offenlegte, nervös zu sein und hier sehr stark abzuwägen, um ja nichts falsch zu machen, weil das Gespräch eine besondere Ausnahmesituation sei.
Danach wurde ich rausgeschickt, damit die Kommission (ca. zehn Minuten) beraten konnte. Mir wurde vorab gesagt, dass danach der Rollenspielteil käme, wenn ich nicht bereits gescheitert sei (null Punkte, s. oben). Das Gespräch sollte etwa 60 Minuten dauern, hat bei mir aber 75 Minuten gedauert.
Beim Rollenspiel wurde mir eine Situation beschrieben. Ich sollte erklären, wie ich vorgehen würde. Als ich das getan hatte, wurden Kommissionsmitglieder als "Schauspieler" vorgestellt und ich sollte meinen Lösungsvorschlag vorspielen.
Szene: Ich bin Strafrichter. Das OLG hat verfügt, einer meiner "Kunden" komme aus der U-Haft, weil er schon lange genug sitze, wenn ich nicht diese Woche terminiere. Seine Pflichtverteidigerin kann erst am Freitag um 13 Uhr. Es gibt eine Vereinbarung, dass freitags nach 12 Uhr nicht mehr verhandelt wird. Ich brauche einen Wachtmeister zum Vorführen und eine Geschäftsstellenmitarbeiterin als Protokollkraft. Was tue ich?
Ich habe geantwortet, dass ich mit den beiden reden würde. Darauf kam die (etwas überraschte) Rückfrage, ob ich es also nicht anordnen würde. Ehrlich gesagt hatte ich an die Möglichkeit gar nicht gedacht, was aber ja kein Problem war. Bin kurz drauf eingegangen und habe deutlich gemacht, reden zu wollen.
Also durfte ich mit den beiden Mitarbeitern reden. Die waren unglücklich ("Wozu gibt es die Regel, wenn davon immer abgewichen wird?", "Immer trifft es uns!"); ich habe sie beschwichtigt. Danach habe ich gefragt, ob sie freiwillig bereit wären (und betont, dass ich nicht anordnen würde, aber ihre Hilfe bräuchte). Da gab es dann gute Gründe; wir haben gemeinsam einen Kompromiss gefunden. Ende.
Anschließend musste ich direkt wieder raus. Nach circa fünf Minuten durfte ich wieder rein. Ich wurde gefragt, ob ich mit meinem Ergebnis zufrieden sei ("Prinzipiell ja, aber ... hätte ich noch etwas besser machen können; da hätten wir noch etwas länger spielen können.") und dann gab es direkt das Gesamtergebnis!
Auf das Rollenspiel kann man sich nicht vorbereiten. Ich hatte, denke ich, ein recht dankbares. Vor allem im Vergleich zu dem, was sonst so geboten werden kann (vgl. z. B. auch hier). Darauf kann man sich aber, glaube ich, nicht groß vorbereiten. Da aber bekannt ist, dass es um die acht obigen Kritierien geht, sollte man sich die genau angucken. Und dann kann man auch in der Situation überlegen, was davon wohl abgeprüft werden soll und worum es wohl geht. Ich habe aus dem Bauch heraus entschieden; das ist der natürlichste und damit im Zweifel beste Weg. Wenn man aber nicht weiß, was man tun soll, hilft der Rückgriff auf die Kriterien sicherlich!
Ich habe also nur ein einziges Rollenspiel gehabt. Anderorts ist regelmäßig von mehreren Szenen zu hören. Das mag bei mir aber an der fortgeschrittenen Zeit gelegen haben.
Von den drei Leuten, die in meinem Termin dran waren, wurden zwei genommen; eine Person hat es leider nicht geschafft.