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Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Mittwoch 29. März 2017, 22:36
von [enigma]
Wobei ich zugeben muss, dass das Urteil alleine aufgrund des Berichts tatsächlich schwer nachvollziehbar ist. Insbesondere weiß man nicht, warum es darauf ankommen soll, den einzelnen Angeklagten, die ja anscheinend als Mittäter angeklagt waren, jeweils konkrete Tathandlungen nachzuweisen, wenn das Stattfinden dieser Tathandlungen bewiesen ist. Im für die Angeklagten günstigsten Fall dürfte ja zumindest eine Beihilfe zur Vergewaltigung verwirklicht sein.

Das dürfte aber eher ein Problem der sehr verkürzten und reißerischen Berichterstattung sein. Kein Richter wird in einem solchen Fall leichtfertig freisprechen, das Gericht wird also tatsächlich gute Gründe gehabt haben, die sich im Text aber nicht wiederfinden.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Mittwoch 29. März 2017, 22:49
von Ara
Aus dem Artikel ergeben sich doch schon selbst Zweifel, ob die Tat tatsächlich den Tatbestand der sexuellen Nötigung erfüllt.

Zum Beispiel wenn das "Opfer" tatsächlich selbst bei der Polizei ausgesagt hat "war mir alles egal". Und selbst anscheinend nicht von einer Straftat ausgegangen ist, sondern erst auf Druck anderer Personen die Anzeige erstattet hat.

Diese Punkte deuten zumindest an, dass es Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Nötigungshandlung und des Vorsatzes gab. Wenn sie sich zum Beispiel selbst vorher mit Drogen abgeschossen hat und aufgrund ihrer vorherigen Missbrauchserlebnisse sich einfach "hingegeben" hat, ist dies keine Straftat.

Das hier das "Rechtsempfinden" der Bevölkerung möglicherweise anders sein mag, basiert darauf, dass die Bevölkerung in dem Punkt meist etwas blind ist. Denn die gleichen Leute sehen genauso blöd vor Gericht aus, wenn rauskommt, dass sie ne zugedröhnte Zwangsprostituierte bezahlt haben. Dann sind sie auf einmal froh, dass man sowas wie nen Vorsatz braucht.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Mittwoch 29. März 2017, 22:54
von [enigma]
Die Worte des Richters in der Urteilsbegründung sprechen mE deutlich dafür, dass das Gericht davon ausgeht, dass die Handlungen tatsächlich und gegen den Willen des Opfers stattgefunden haben. Es mag wie gesagt gute Gründe für den Freispruch geben. Dass man die als Laie nach der Lektüre des Artikels aber nicht sieht, sollte auch klar sein.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Mittwoch 29. März 2017, 23:18
von Ara
Naja, es ist ja eh so ein ganz eigenes Thema, ob ein Richter tatsächlich bei nem Freispruch "nachtreten" muss.

Entweder hat der Richter Zweifel, dann kann er sich seinen Teil denken, aber hat die Klappe zu halten oder aber der Richter hat keine Zweifel, dann soll er auch verurteilen.

Ich persönlich halte nichts von Freisprüchen, wo der Richter seine persönliche Meinung kundtut. Er spricht dort nämlich als Richter Müller und nicht als Privatperson Müll.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 09:25
von thh
[enigma] hat geschrieben:Die Worte des Richters in der Urteilsbegründung sprechen mE deutlich dafür, dass das Gericht davon ausgeht, dass die Handlungen tatsächlich und gegen den Willen des Opfers stattgefunden haben.
Die Worte des Richters kennen wir nicht, wir kennen nur den Bericht - und aus dem ergeben sich, wie schon durch Ara dargestellt, Anhaltspunkte für erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben. Wenn das Gericht davon ausgehen würde, dass die Handlungen tatsächlich und gegen den Widerstand (!) des Opfers stattgefunden haben, hätte es verurteilen müssen.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 11:02
von immer locker bleiben
juraidiot hat geschrieben:Ich habe auch oft Probleme über die Presse erfahrene "Skandal"-Urteile mit meinem Rechtsverständnis in Einklang zu bringen.

Besonders im Gedächtnis ist mir hierbei dieser Fall geblieben:

http://www.taz.de/!5124648/
Er habe keinen Zweifel, dass es sich so zugetragen habe, wie die "geschädigte Zeugin" es geschildert habe, sagte Richter Manfred Kelle - um dann einen Freispruch zu verkünden. Straflos gehen damit sechs Bremer Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren aus. Ihnen war vorgeworfen worden, in der Nacht zum 1. Juli 2007 eine 17-Jährige über Stunden vergewaltigt zu haben.
Die Geschädigte war in ihrer Vernehmung psychisch zusammengebrochen, bevor im Einzelnen erörtert werden konnte, welcher der Angeklagten in jener Nacht nun genau was getan hatte. Eine Gutachterin attestierte der 17-Jährigen, die seither als verhandlungsunfähig galt, eine "Re-Traumatisierung".
Oralverkehr, Analverkehr, immer wieder, auch mehrere Männer gleichzeitig. Einmal sei ihr eine Flasche in die Vagina gestoßen worden, einmal eine Faust: "Wenn man sich vorstellt, was diese 17-Jährige über sich ergehen lassen musste - da kann einem nur schlecht werden", sagte der Richter.
Anhand des Artikels lässt sich gar keine Aussage treffen.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 12:47
von [enigma]
thh hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Die Worte des Richters in der Urteilsbegründung sprechen mE deutlich dafür, dass das Gericht davon ausgeht, dass die Handlungen tatsächlich und gegen den Willen des Opfers stattgefunden haben.
Die Worte des Richters kennen wir nicht, wir kennen nur den Bericht - und aus dem ergeben sich, wie schon durch Ara dargestellt, Anhaltspunkte für erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben. Wenn das Gericht davon ausgehen würde, dass die Handlungen tatsächlich und gegen den Widerstand (!) des Opfers stattgefunden haben, hätte es verurteilen müssen.
Oralverkehr, Analverkehr, immer wieder, auch mehrere Männer gleichzeitig. Einmal sei ihr eine Flasche in die Vagina gestoßen worden, einmal eine Faust: "Wenn man sich vorstellt, was diese 17-Jährige über sich ergehen lassen musste - da kann einem nur schlecht werden", sagte der Richter.
Wir haben doch das wörtliche Zitat? "über sich ergehen lassen musste" klingt auch deutlich nach Vergewaltigung, ehrlich gesagt. Sollte das durch andere Aussagen des Richters relativiert worden sein, fehlen diese im Artikel. Der Artikel klingt für mich einfach sehr stark nach "Gericht war von Vergewaltigung überzeugt, hat aus rein formalen Gründen aber freigesprochen". Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das tatsächlich so war. Bei derartiger Berichterstattung, die nachvollziehbare Gründe für den Freispruch (die es ja gegeben haben muss) nicht liefert und die Schlagzeile "Freispruch nach Vergewaltigung" nutzt, muss man sich über den "Skandal" und gestörtes Rechtsempfinden auch nicht wundern. Darum ging es mir.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 13:06
von Tibor
Vielleicht sollte man auch nicht im Revolverblatt nachlesen:

https://www.kreiszeitung.de/lokales/bre ... 63713.html

http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Freispruch-im-Vergewaltigungsprozess-_arid,217472.html (Verwaister Link automatisch entfernt)

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 13:10
von [enigma]
Insbesondere der Artikel der Kreiszeitung ist tatsächlich deutlich besser und informativer. =D>

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 13:35
von thh
Tibor hat geschrieben:Vielleicht sollte man auch nicht im Revolverblatt nachlesen:
Der Sturmrevolver des Feminismus?

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 14:10
von immer locker bleiben
Naja, wenn hier jetzt jemand eine Strafbarkeitslücke sieht, könnte ich nur mit großer Mühe widersprechen ...

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 14:49
von Tibor
Du meinst also, dass ein - im Zweifel einvernehmlicher - Gang Bang als Vergewaltigung zu bestrafen ist?

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 17:45
von immer locker bleiben
Tibor hat geschrieben:Du meinst also, dass ein - im Zweifel einvernehmlicher - Gang Bang als Vergewaltigung zu bestrafen ist?
Nein. Ich hätte nur ein gewisses Verständnis für diejenigen, die einen "Gangbang" von sechs Männern mit einer angetrunkenen Minderjährigen bis zu deren "Erschöpfung" politisch als sanktionswürdig einschätzen würden.

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 20:44
von JS
immer locker bleiben hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:Du meinst also, dass ein - im Zweifel einvernehmlicher - Gang Bang als Vergewaltigung zu bestrafen ist?
Nein. Ich hätte nur ein gewisses Verständnis für diejenigen, die einen "Gangbang" von sechs Männern mit einer angetrunkenen Minderjährigen bis zu deren "Erschöpfung" politisch als sanktionswürdig einschätzen würden.
Wie sollte der Straftatbestand denn aussehen?

Re: Recht und Rechtsempfinden

Verfasst: Donnerstag 30. März 2017, 20:48
von Kritschgau
Hier werden jetzt Themen diskutiert... 8-[