Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite?
Verfasst: Freitag 2. Juni 2017, 13:00
Nach dem jüngsten schlimmen Anschlag in Afghanistan wurden die bereits zuvor heiß diskutierten Abschiebungen dorthin zum absoluten Top-Thema.
Die ZEIT spricht von einer "deutsche[n] Schande" (http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... de-maziere) und auch andere Medien wie Politiker überschlagen sich in hochdramatischen Schilderungen und populistischen Forderungen. Die CDU legt währenddessen eine 180 Grad-Wende hin, will aber gleichzeitig weiter abschieben -- doch nur in manchen Fällen.
Natürlich handelt es sich bei Abschiebungen allgemein und bei solchen nach Afghanistan im Besonderen um eine kontroverse Problematik. Abschieben, das klingt schnell nach ausgrenzen, nach "wir wollen euch hier nicht" und nach Polizeigewalt. Dennoch kann der nüchterne Betrachter kaum übersehen, dass gerade diejenigen Medien, die gerne Begriffe wie populistisch, polemisch und postfaktisch in den Mund nehmen, bei der Abschiebungsdiskussion jegliche Distanz vermissen lassen.
Stattdessen verbleibt die Argumentation auf einer denkbar schlichten, eindimensionalen Ebene: Afghanistan ist gefährlich, deshalb dürfen wir niemanden dort hinschicken. Das Ganze wird dann natürlich noch gründlich moralisch wie emotional angereichert.
Dagegen werden zentrale Informationen nicht angesprochen, namentlich:
Wer wird überhaupt abgeschoben? Unter welchen Voraussetzungen geschieht dies? Weshalb erfolgen Abschiebungen? Was sind jeweils die Konsequenzen davon, abzuschieben oder nicht abzuschieben? Welche Alternativen gäbe es?
Stattdessen wird, polemisch gesprochen, die Debatte auf Abschiebungen = unmenschlich reduziert. Alles andere ist irrelevant, ja wird noch nicht einmal thematisiert. Dabei gäbe es viele Facetten, die es zu beleuchten gälte:
1. Abgeschoben wird ohnehin nur, wer keinerlei Anspruch auf Asyl oder sonst einen Aufenthaltstitel hat. Es handelt sich also von vornherein nur um diejenigen, die keine Art von Verfolgung o.Ä. geltend machen können (vulgo klassische "Migranten").
2. Die Abschiebung erfolgt in den meisten Fällen erst nach einer gerichtlichen Prüfung, oft in mehreren Instanzen. Irgendeine Art von Bleibeberechtigung ist also von vornherein ausgeschlossen.
3. Alle Betroffenen haben mindestens sieben, z.T. riesige Länder durchquert, tausende Kilometer hinter sich gebracht um hierher zu kommen ("sichere Drittstaaten"). Es ist also keinesfalls so, dass sie etwa vor einem Krieg aus dem benachbarten Österreich geflohen wären.
4. Tatsächlich werden rein praktisch ohnehin fast nur sog. Gefährder usw. abgeschoben.
5. Wenn nicht mehr nach Afghanistan abgeschoben würde, hätte dies automatisch zur Folge, dass jede einzelne Person (!), die es schafft, von Afghanistan nach Deutschland zu gelangen, auf ewig hier bleiben dürfte. Nicht über ein beantragtes Visum. Noch nicht einmal aufgrund von politischer Verfolgung oder Asyl. Sondern nur, weil sie hierher gekommen ist. Übrigens ungeachtet der Durchquerung vieler sicherer Drittstaaten.
6. Als Alternative käme etwa auch das Modell Israel in Frage: Abschiebung in ein anderes Drittland.
Das sind nur ein paar Aspekte, die mir auf die Schnelle eingefallen sind. Und dabei wurden noch sämtliche Sicherheitsaspekte außen vor gelassen.
Zusammenfassend würde ein Ende der Abschiebungen nach Afghanistan also bedeuten, dass jede einzelne Person, die es irgendwie aus Afghanistan über egal wie viele sichere Drittstaaten hierher schafft, ohne jede Asyl- oder sonstige Aufenthaltsberechtigung, ohne individuell verfolgt zu sein, auf deutsche Staatskosten auf alle Ewigkeit hier bleiben dürfte.
Das mag finanziell-praktisch bei einer überschaubaren Zahl noch hinnehmbar sein. Logisch-rational ist das allerdings kaum vermittelbar. Jedenfalls wäre es gerade in Zeiten der "fake news" Aufgabe der Medien, diese Zusammenhänge sachlich und neutral darzustellen. Davon ist jedoch leider nicht viel zu sehen.
Ob man am Ende einer nüchternen Analyse trotzdem zu dem Ergebnis kommt, die obigen Folgen seien angesichts der Alternative (=Abschiebung) hinnehmbar, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber es ist viel zu billig nur die eine Seite der Medaille darzustellen und aufgrund der sonst angeblich drohenden "deutsche[n] Schande" (Die ZEIT) als (sic) alternativlos zu präsentieren.
Auch Verweise auf die Rechtslage de lege lata sind übrigens nicht wirklich zielführend, obliegt es doch der Politik, in dieser Hinsicht gestaltend tätig zu werden.
Die ZEIT spricht von einer "deutsche[n] Schande" (http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... de-maziere) und auch andere Medien wie Politiker überschlagen sich in hochdramatischen Schilderungen und populistischen Forderungen. Die CDU legt währenddessen eine 180 Grad-Wende hin, will aber gleichzeitig weiter abschieben -- doch nur in manchen Fällen.
Natürlich handelt es sich bei Abschiebungen allgemein und bei solchen nach Afghanistan im Besonderen um eine kontroverse Problematik. Abschieben, das klingt schnell nach ausgrenzen, nach "wir wollen euch hier nicht" und nach Polizeigewalt. Dennoch kann der nüchterne Betrachter kaum übersehen, dass gerade diejenigen Medien, die gerne Begriffe wie populistisch, polemisch und postfaktisch in den Mund nehmen, bei der Abschiebungsdiskussion jegliche Distanz vermissen lassen.
Stattdessen verbleibt die Argumentation auf einer denkbar schlichten, eindimensionalen Ebene: Afghanistan ist gefährlich, deshalb dürfen wir niemanden dort hinschicken. Das Ganze wird dann natürlich noch gründlich moralisch wie emotional angereichert.
Dagegen werden zentrale Informationen nicht angesprochen, namentlich:
Wer wird überhaupt abgeschoben? Unter welchen Voraussetzungen geschieht dies? Weshalb erfolgen Abschiebungen? Was sind jeweils die Konsequenzen davon, abzuschieben oder nicht abzuschieben? Welche Alternativen gäbe es?
Stattdessen wird, polemisch gesprochen, die Debatte auf Abschiebungen = unmenschlich reduziert. Alles andere ist irrelevant, ja wird noch nicht einmal thematisiert. Dabei gäbe es viele Facetten, die es zu beleuchten gälte:
1. Abgeschoben wird ohnehin nur, wer keinerlei Anspruch auf Asyl oder sonst einen Aufenthaltstitel hat. Es handelt sich also von vornherein nur um diejenigen, die keine Art von Verfolgung o.Ä. geltend machen können (vulgo klassische "Migranten").
2. Die Abschiebung erfolgt in den meisten Fällen erst nach einer gerichtlichen Prüfung, oft in mehreren Instanzen. Irgendeine Art von Bleibeberechtigung ist also von vornherein ausgeschlossen.
3. Alle Betroffenen haben mindestens sieben, z.T. riesige Länder durchquert, tausende Kilometer hinter sich gebracht um hierher zu kommen ("sichere Drittstaaten"). Es ist also keinesfalls so, dass sie etwa vor einem Krieg aus dem benachbarten Österreich geflohen wären.
4. Tatsächlich werden rein praktisch ohnehin fast nur sog. Gefährder usw. abgeschoben.
5. Wenn nicht mehr nach Afghanistan abgeschoben würde, hätte dies automatisch zur Folge, dass jede einzelne Person (!), die es schafft, von Afghanistan nach Deutschland zu gelangen, auf ewig hier bleiben dürfte. Nicht über ein beantragtes Visum. Noch nicht einmal aufgrund von politischer Verfolgung oder Asyl. Sondern nur, weil sie hierher gekommen ist. Übrigens ungeachtet der Durchquerung vieler sicherer Drittstaaten.
6. Als Alternative käme etwa auch das Modell Israel in Frage: Abschiebung in ein anderes Drittland.
Das sind nur ein paar Aspekte, die mir auf die Schnelle eingefallen sind. Und dabei wurden noch sämtliche Sicherheitsaspekte außen vor gelassen.
Zusammenfassend würde ein Ende der Abschiebungen nach Afghanistan also bedeuten, dass jede einzelne Person, die es irgendwie aus Afghanistan über egal wie viele sichere Drittstaaten hierher schafft, ohne jede Asyl- oder sonstige Aufenthaltsberechtigung, ohne individuell verfolgt zu sein, auf deutsche Staatskosten auf alle Ewigkeit hier bleiben dürfte.
Das mag finanziell-praktisch bei einer überschaubaren Zahl noch hinnehmbar sein. Logisch-rational ist das allerdings kaum vermittelbar. Jedenfalls wäre es gerade in Zeiten der "fake news" Aufgabe der Medien, diese Zusammenhänge sachlich und neutral darzustellen. Davon ist jedoch leider nicht viel zu sehen.
Ob man am Ende einer nüchternen Analyse trotzdem zu dem Ergebnis kommt, die obigen Folgen seien angesichts der Alternative (=Abschiebung) hinnehmbar, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber es ist viel zu billig nur die eine Seite der Medaille darzustellen und aufgrund der sonst angeblich drohenden "deutsche[n] Schande" (Die ZEIT) als (sic) alternativlos zu präsentieren.
Auch Verweise auf die Rechtslage de lege lata sind übrigens nicht wirklich zielführend, obliegt es doch der Politik, in dieser Hinsicht gestaltend tätig zu werden.